Auch in der Pressepolitik paßte sich Bayern den
Karlsbader Beschlüssen an. Da eine Verfassungsänderung politisch nicht opportun
erschien, stellte das Königreich auf dem Weg von Verordnungen und
Verfassungsinterpretationen eine „weitgehende[] Konformität zwischen
Bundespolitik und Landespolitik“ (M. Treml) her. Bereits Ende 1820 waren die
oppositionellen Zeitungen diszipliniert, deren Abonnentenzahlen zudem
zurückgingen. Das Beispiel der Augsburger Allgemeinen Zeitung zeigt sogar auf,
daß Österreich direkten Einfluß auf die bayerische Zensurpraxis nehmen
konnte.[56]
An der Zentraluntersuchungskommission hatten sich bereits bei den Verhandlungen in Karlsbad die größten Widerstände entzündet. Nun weigerte sich Justizminister Reigersberg nach der Publikation der Beschlüsse, einen Beamten seines Ministeriums nach Mainz zu schicken, da „er nichts damit zu thun haben wolle.“[57] Den hierauf aus dem Außenministerium abgeordneten bayerischen Vertreter verpflichtete man – mit dem Wortlaut des Untersuchungsgesetzes als Instruktion ausgestattet –, die Untersuchungsbehörde vorbehaltlos zu unterstützen. Konflikte wegen des in der Verfassung garantierten Rechts auf ein ordentliches Gerichtsverfahren blieben allerdings aus, da – soweit bekannt – kein bayerischer Staatsbürger nach Mainz verbracht wurde.[58]
Am inkonsequentesten verhielt sich die bayerische Regierung bezüglich der Exekutionsordnung. Die unterlassene Publikation hatte keine Auswirkungen, da diese bei Bundesbeschlüssen, welche die auswärtigen Beziehungen der Bundesstaaten untereinander regelten, nicht notwendig war. Darüber hinaus stimmte Bayern auf den Wiener Ministerialkonferenzen 1819/20 der dort beschlossenen endgültigen Fassung der Exekutionsordnung zu.[59]
3. Ausblick: Die Wiener
Ministerialkonferenzen 1819/20[60]
Auch wenn die Karlsbader
Debatten über eine Interpretation des Artikels 13 nicht in Bundesbeschlüsse
umgesetzt wurden, verfehlten sie ihre Wirkung nicht. Sie trugen dazu bei, daß
„die Erhaltung der Verfassung und nicht mehr die Stelle, die Bayern innerhalb
des Deutschen Bundes spielen sollte [...] das Hauptziel der bayerischen
Politik“ wurde.[61]
Da die Karlsbader Konferenz nur die dringendsten Maßnahmen gegen
‚revolutionäre Umtriebe’ beschloß, entschied Metternich, noch offenstehende
Verfassungsfragen Ende 1819 in Wien zu klären. Um auch die nicht an den
Karlsbader Konferenzen beteiligten Regierungen mit einzubeziehen, lud er die 17
stimmführenden Staaten des Engeren Rates der Bundesversammlung nach Wien
ein.[62]
Laut Aretin bestanden
vor Beginn der Wiener Konferenzen drei Wege einer bayerischen Außenpolitik: 1.
Verknüpfung des bayerischen Unabhängigkeitsstrebens mit einer aktiven
Bundespolitik; 2. völlige Trennung vom
Deutschen Bund; 3. eine endgültige Anlehnung an Österreich.[63] Eine aktive
bayerische Bundespolitik war bereits während der letzten Jahre gescheitert.
Daher hing es nun vom Verlauf der Verhandlungen ab, welche der beiden übrigen
Richtungen die bayerische Außenpolitik in Wien nehmen sollte.
Bayern entsandte
anstelle des nach den Karlsbader Beschlüssen innenpolitisch angeschlagenen
Rechberg mit Zentner den Vater der bayerischen Verfassung nach Wien. Durch
seine Rechtskenntnis schien er am fähigsten, Souveränitätsverluste abzuwehren,
die vor allem durch die abschließende Interpretation des Artikels 13 der
Bundesakte drohten. Die ihm übertragene Aufgabe bestand darin, allen Zielen
Österreichs und Preußens auf eine Ausweitung des Bundes zu begegnen.[64]
So erwirkte Bayern, anstelle eines permanenten Bundesschiedsgerichts,
die ‚wandelbare Austrägalgerichtsbarkeit’ beizubehalten (Artikel 21-23),[65]
verhinderte eine einfache Beschlußmehrheit im Bundestag bei grundgesetzlichen
Änderungen (Artikel 11-15) und konnte die Einführung von Kuriatsstimmen für die
Mediatisierten abwehren (Artikel 63). Seinen in Karlsbad verfochtenen
Widerstand gegen die provisorische Exekutionsordnung gab das Königreich
allerdings durch seine Zustimmung zu der endgültigen, in Wien verabschiedeten
Fassung auf. Zentner konnte aber durchsetzen, daß der Bund nur bei Hilfegesuch
eines Staates oder dessen Verhinderung, um Hilfe zu ersuchen, einschreiten
durfte.[66]