Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
  Aus dem Archiv (Ausgabe 03 - Wintersemester 06/07)
 

Hofmann, Andreas C.

 
 

„Schwere Gewitterwolken am politischen Horizont“. Eine Einordnung der Karlsbader Beschlüsse in die bayerische Außenpolitik von 1815 bis 1820[*]

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  Auch in der Pressepolitik paßte sich Bayern den Karlsbader Beschlüssen an. Da eine Verfassungsänderung politisch nicht opportun erschien, stellte das Königreich auf dem Weg von Verordnungen und Verfassungsinterpretationen eine „weitgehende[] Konformität zwischen Bundespolitik und Landespolitik“ (M. Treml) her. Bereits Ende 1820 waren die oppositionellen Zeitungen diszipliniert, deren Abonnentenzahlen zudem zurückgingen. Das Beispiel der Augsburger Allgemeinen Zeitung zeigt sogar auf, daß Österreich direkten Einfluß auf die bayerische Zensurpraxis nehmen konnte.[56]  

 

An der Zentraluntersuchungskommission hatten sich bereits bei den Verhandlungen in Karlsbad die größten Widerstände entzündet. Nun weigerte sich Justizminister Reigersberg nach der Publikation der Beschlüsse, einen Beamten seines Ministeriums nach Mainz zu schicken, da „er nichts damit zu thun haben wolle.“[57] Den hierauf aus dem Außenministerium abgeordneten bayerischen Vertreter verpflichtete man – mit dem Wortlaut des Untersuchungsgesetzes als Instruktion ausgestattet –, die Untersuchungsbehörde vorbehaltlos zu unterstützen. Konflikte wegen des in der Verfassung garantierten Rechts auf ein ordentliches Gerichtsverfahren blieben allerdings aus, da – soweit bekannt – kein bayerischer Staatsbürger nach Mainz verbracht wurde.[58]

Am inkonsequentesten verhielt sich die bayerische Regierung bezüglich der Exekutionsordnung. Die unterlassene Publikation hatte keine Auswirkungen, da diese bei Bundesbeschlüssen, welche die auswärtigen Beziehungen der Bundesstaaten untereinander regelten, nicht notwendig war. Darüber hinaus stimmte Bayern auf den Wiener Ministerialkonferenzen 1819/20 der dort beschlossenen endgültigen Fassung der Exekutionsordnung zu.[59]

 

 

3. Ausblick: Die Wiener Ministerialkonferenzen 1819/20[60]

Auch wenn die Karlsbader Debatten über eine Interpretation des Artikels 13 nicht in Bundesbeschlüsse umgesetzt wurden, verfehlten sie ihre Wirkung nicht. Sie trugen dazu bei, daß „die Erhaltung der Verfassung und nicht mehr die Stelle, die Bayern innerhalb des Deutschen Bundes spielen sollte [...] das Hauptziel der bayerischen Politik“ wurde.[61]

Da die Karlsbader Konferenz nur die dringendsten Maßnahmen gegen ‚revolutionäre Umtriebe’ beschloß, entschied Metternich, noch offenstehende Verfassungsfragen Ende 1819 in Wien zu klären. Um auch die nicht an den Karlsbader Konferenzen beteiligten Regierungen mit einzubeziehen, lud er die 17 stimmführenden Staaten des Engeren Rates der Bundesversammlung nach Wien ein.[62]

 

 

Laut Aretin bestanden vor Beginn der Wiener Konferenzen drei Wege einer bayerischen Außenpolitik: 1. Verknüpfung des bayerischen Unabhängigkeitsstrebens mit einer aktiven Bundespolitik; 2.  völlige Trennung vom Deutschen Bund; 3. eine endgültige Anlehnung an Österreich.[63] Eine aktive bayerische Bundespolitik war bereits während der letzten Jahre gescheitert. Daher hing es nun vom Verlauf der Verhandlungen ab, welche der beiden übrigen Richtungen die bayerische Außenpolitik in Wien nehmen sollte.

Bayern entsandte anstelle des nach den Karlsbader Beschlüssen innenpolitisch angeschlagenen Rechberg mit Zentner den Vater der bayerischen Verfassung nach Wien. Durch seine Rechtskenntnis schien er am fähigsten, Souveränitätsverluste abzuwehren, die vor allem durch die abschließende Interpretation des Artikels 13 der Bundesakte drohten. Die ihm übertragene Aufgabe bestand darin, allen Zielen Österreichs und Preußens auf eine Ausweitung des Bundes zu begegnen.[64]

So erwirkte Bayern, anstelle eines permanenten Bundesschiedsgerichts, die ‚wandelbare Austrägalgerichtsbarkeit’ beizubehalten (Artikel 21-23),[65] verhinderte eine einfache Beschlußmehrheit im Bundestag bei grundgesetzlichen Änderungen (Artikel 11-15) und konnte die Einführung von Kuriatsstimmen für die Mediatisierten abwehren (Artikel 63). Seinen in Karlsbad verfochtenen Widerstand gegen die provisorische Exekutionsordnung gab das Königreich allerdings durch seine Zustimmung zu der endgültigen, in Wien verabschiedeten Fassung auf. Zentner konnte aber durchsetzen, daß der Bund nur bei Hilfegesuch eines Staates oder dessen Verhinderung, um Hilfe zu ersuchen, einschreiten durfte.[66]

 

Fussnote(n):
[56] Manfred Treml: Bayerns Pressepolitik zwischen Verfassungstreue und Bundespolitik 1815-1837. Ein Beitrag zum bayerischen Souveränitätsverständnis und Konstitutionalismus im Vormärz (=Beiträge zur historischen Strukturanalyse Bayerns im Industriezeitalter Bd. 16). Berlin 1977, hier S. 110f.; Michaela Breil: Die »Augsburger Allgemeine Zeitung« und die Pressepolitik Bayerns. Ein Verlagsunternehmen zwischen 1815 und 1848 (=Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur Bd. 54). Tübingen 1996, S. 166.
[57] Zastrow an Friedrich Wilhelm III, 9.10.1819, in: Chroust: Preußische Gesandtschaftsberichte Bd. 1, Nr. 133, hier S. 230.
[58] Büssem: Beschlüsse, S. 448f. – Zur Zentraluntersuchungskommission vgl. Wolfram Siemann: »Deutschlands Ruhe, Sicherheit und Ordnung«. Die Anfänge der politischen Polizei 1806-1866 (=Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur Bd. 14). Tübingen 1985, insbes. S. 76-86; Eberhard Weber: Die Mainzer Zentraluntersuchungskommission (=Studien und Quellen zur Geschichte des deutschen Verfassungsrechts Reihe A: Bd. 8). Karlsruhe 1970; A[lbert] Petzold: Die Zentral-Untersuchungs-Kommission in Mainz, in: Herrmann Haupt (Hrsg.): Quellen und Darstellungen zur Geschichte der Burschenschaft und der deutschen Einheitsbewegung Bd. 5. Karlsruhe 21971 [ 11920 ], S. 171-258.
[59] Büssem: Beschlüsse, S. 440. Allgemeine Darstellungen über das Instrument der Bundesexekution im Vormärz liegen noch nicht vor. Jürgen Müller: Der Deutsche Bund 1815-1866 (=Enzyklopädie Deutscher Geschichte Bd. 78). München 2006, S. 65f.
[60] Die angegebenen Rechtstexte im Folgenden nach: Schlußakte der Wiener Ministerialkonferenzen, 15.5.1820, in: Huber: Dokumente Bd. 1, Nr. 31.
[61] Aretin: Politik, S. 189.
[62] Klemmer: Rechberg, S. 182; Aretin: Politik, S. 190; Huber: Verfassungsgeschichte Bd. 1, S. 753.
[63] Aretin: Politik, S. 202.
[64] Dobmann: Zentner, S. 171f.; Klemmer: Rechberg, S. 183f.; Quint: Souveränitätsbegriff, S. 502; Doeberl: Entwicklungsgeschichte Bd. 2, S. 571; Bayern: Max I. Joseph, S. 792.
[65] Streitigkeiten zwischen den Bundesstaaten sollten von dem obersten Gericht eines nach einem komplizierten Verfahren auszuwählenden anderen Einzelstaates entschieden werden. Huber: Verfassungsgeschichte Bd. 1, S. 625-628.
[66] Klemmer: Rechberg, S. 186; Dobmann: Zentner, S. 185f.; Doeberl: Entwicklungsgeschichte Bd. 2, S. 572. – Zur Exekutionsordnung ausführl. Huber: Verfassungsgeschichte Bd. 1, S. 634-639; Ders.: Dokumente Bd. 1, Nr. 38.

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