Extra bavariam non est vita Si est vita, non est ita![1]
Große Dinge verlangen, daß man von ihnen schweigt oder groß redet; gross, das heißt cynisch und mit Unschuld. - Friedrich Nietzsche
Einleitung Nun aber ist ein Turm darunter, / An dem kann sehen einer Wunder, / Den Meister soll man billig loben, / Spitzig ist er unten und oben, / Rührt weder Erd noch Himmel an, / Tut dennoch unbeweglich stahn. [2] Wer kennt ihn nicht, den Reim von Thomas Greidl aus Steinfelden, der volkstümlich den Erker im Alten Hof besingt? Und wer ist nicht, zumindest wenn er in München zur Schule ging, schon einmal in dem ein wenig versteckten Geviert zwischen den Touristenschwemmen Marienplatz, Residenz und Platzl gestanden und hatte vor Turm und Erker stehend gehört, auf was für historischen Boden man stünde, in der Residenz Heinrichs des Löwen [3] und Ludwigs des Bayern, genau, des Kaisers, der einmal als Baby von einem Affen auf ebendiesen Erker entführt worden war! Mehr oder weniger andächtig [4] hörten wir als Schüler damals zu und versuchten dann, nach Möglichkeit alles so schnell wie möglich wieder zu vergessen.
Der ein oder andere von uns mochte dann zwar zu einem späteren Zeitpunkt, von unerklärlicher Neugierde gepackt, nachschlagen und feststellen, daß sich die Geschichte mit dem Affen am dementsprechend benannten Affenturm zugetragen haben soll, der sich in der Nähe der Lorenzkapelle befand und mit ihm um 1816 abgetragen wurde [5]. Daß Torturm und Erker des Alten Hofes auch Wappen trugen, registrierte man damals wie später nur am Rande, am ehesten fielen einem noch die Fassadenbemalung mit Rauten ("dem uralten Wappenbild der Wittelsbacher", wenn auch erst später von den Grafen von Bogen ererbt) und andere Details, wie der Brunnen aus verwittertem Rotmarmor und das von Wimmerscher Ästhetik geprägte Reiterdenkmal Ludwigs des Bayern auf. [6] Im Rahmen der seit 2001 laufenden Umgestaltung des Alten Hofes durch private Investoren und den Freistaat Bayern und der Einrichtung einer Dauerausstellung in noch erhaltenen Gewölben von Burg- und Zwingerstock wurde Verf. gebeten, die noch vor Ort befindlichen Wappenprogramme am Torturm und zu analysieren. Auf seine naïve Frage hin, ob das denn nicht schon längst von einem der eifrigen Heimatforscher des 19. Jahrhunderts hinreichend erforscht worden sei, folgte die Antwort, daß die Malereien erst nach dem Zweiten Weltkrieg aufgedeckt bzw. entstanden seien. Tatsächlich konnten weder von Auftraggebern noch von Verf. eine Publikation gefunden werden, die mit mehr als einer Fußnote auf die Wappen einginge [7] und keine, die bisher eine Deutung der Programme versucht hätte. Daß ein so wichtiger Ort bayerischer Geschichte auf diesen Aspekt hin noch nicht untersucht wurde, scheint erstaunlich; doch angesichts der momentan aufgeführten geschmacksnegativen Neubauten und der Qualität der Nachkriegsbauten, die sie ersetzen, darf einen dann wohl nichts mehr überraschen.
Nicht bearbeitete Wappenprogramme An dieser Stelle muß ausdrücklich darauf hingewiesen werden, daß es, soweit bekannt, noch mindestens zwei weitere Wappenprogramme am Alten Hof gegeben hat, auf die an dieser Stelle nicht eingegangen werden soll. Dabei handelt es sich zum einen um die Wappen an Schlußsteinen und Widmungstafel der 1816 abgerissenen Lorenzkapelle. Zum anderen handelt es sich um die Fragmente einer Wandmalerei, die um 1850 in heute nicht mehr einwandfrei identifizierbaren Räumlichkeiten ("Ahnensaal") des Alten Hofes aufgefunden wurden. [08] Sie außerhalb dieser Studie zu halten war aus Zeitgründen notwendig, aber vertretbar, da sich die Wappen des Erkers (selbstverständlich auch nicht die des Turmes) nicht auf die späteren bzw. früheren Wappenprogramme von Wandmalerei und Kapelle beziehen. Sie jeweils für sich zu beschreiben und in ihrem Kontext zu interpretieren bleibt daher eine reizvolle Aufgabe für die Zukunft.