Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
  Aus dem Archiv (Ausgabe 03 - Wintersemester 06/07)
 

Fischer, Mark-Oliver

 
 

Die Kurfürsten der dreieinhalb Jahre.
Die Einführung neuer Kurfürstentümer im Reichsdeputationshauptschluß.

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  Vor 200 Jahren, am 6.August 1806, legte Franz II., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, dieKarlskrone nieder und erklärte das Reich für aufgelöst.[1] Für ihn kein allzu großer Rangverlust, hatte er dochzwei Jahre zuvor schon den Titel eines Kaisers von Österreich angenommen. Auchkam dieser Schritt weder grundlos, noch aus völlig heiterem Himmel. Vielmehrwar er die Folge eines komplizierten Gemischs innen- und außenpolitischerVerwicklung, die hier weder darstellbar sind, noch eigentlich wichtig.
Wichtig wäre nur zu wissen, dass als innenpolitischer 'Anfang vom Ende' meistder sogenannte Reichsdeputationshauptschluss – eigentlich 'Hauptschluß der außerordentlichenReichsdeputation vom 25. Februar 1803 [2] - gesehen wird, das letzte große Gesetz, welches die politische Struktur desReichs radikal veränderte. So radikal, dass in der Rückschau ein Überleben desReiches nur selten als wirkliche historische Alternative in Betracht gezogenwird.
 

 

Der Reichsdeputationshauptschluss

Doch der Reihe nach: Die Französische Revolution veränderte nicht nur ihr Heimatland radikal. Seit 1792 – und bis zur endgültigen Verbannung Napoleons 1815 – befand sich Frankreich im nahezu dauernden Kriegszustand mit dem Rest Europas, bekannt als Koalitionskriege. Dabei gelang es den Franzosen bereits sehr früh, die linksrheinischen Gebiete des Reichs zu besetzen. Der 'Frieden von Lunéville' (1801) bedeutete das Ausscheiden des Reiches aus der (bereits zweiten) Koalition, und die Anerkennung der französischen Eroberungen. Die Reichsfürsten, die linksrheinische Gebiete verloren hatten, sowie der ebenfalls 'landlos' gewordene Großherzog der Toskana sollten durch ein Reichsgesetz entschädigt werden. Dieses Gesetz wurde der Reichsdeputationshauptschluss (RDH). Entschädigt wurden die Reichsfürsten auf Kosten nahezu aller geistlichen Territorien, kleinerer weltlicher Territorien und der meisten Reichsstädte, wobei einige Länder (wie Preußen, Baden und Bayern) weit großzügiger entschädigt wurden, als sie tatsächlich linksrheinisch geschädigt waren.
 

 

Damit veränderte sich die Landschaft des Reiches radikal. Von ursprünglich über tausend reichsunmittelbaren Territorien blieben nur etwas über dreißig  bestehen, aus einem Zusammenschluss von Fürstentümern verschiedenster Größe, die wie ein Flickenteppich über das Reich und darüber hinaus verteilt waren, wurde ein System mittel- bis großer Flächenstaaten. Das „Heilige“ Reich hatte alle seine geistlichen Herrscher ihrer weltlichen Macht entrissen. (Mit Ausnahme des Erzbischofs von Regensburg und des Deutschen Ritterordens).

Die mit den Entschädigungsklauseln einhergehende Säkularisation machte sicher das folgenreichste Element des RDH aus und ist in ihren Auswirkungen auch heute noch wahrnehmbar, [3] doch nahm sie nur dreißig der achtundneunzig Artikel des RDH ein. Weitere Artikel beschäftigen sich mit der Versorgung der säkularisierten und mediatisierten Fürsten, ihrer Beamten und Diener, sowie Bestimmungen zum Fürstenrat und Regeln zum Rheinzoll.
Und mit der Einrichtung vier neuer Kurwürden. Gerade diese Bestimmungen erscheinen in der Rückschau eher uninteressant, zumindest wenn man das baldige Ende des Reiches als unvermeidlich ansieht. Doch gerade dann stellt sich die Frage nach dem 'Warum?' dieser Bestimmungen, die ich im Folgenden zu beantworten versuche.
 

Fussnote(n):
[1] Erklärung Franz II. zur Niederlegung der Krone des Heiligen Römischen Reiches. 6. August 1806. Online unter: de.wikisource.org/...
[2] Hauptschluß der außerordentlichen Reichsdeputation vom 25. Februar 1803. Abgedruckt in: Karl Zeumer: Quellensammlung zur Geschichte der Deutschen Reichsverfassung in Mittelalter und Neuzeit. (= Quellensammlungen zum Staats-, Verwaltungs- und Völkerrecht, Bd. 2). Tübingen 21913. S. 509-528. Online unter: lehre.hki.uni-koeln.de/...
[3] Dabei seien als kleines Beispiel nur die mittelalterlichen Handschriften aus Klosterbesitz genannt, welche nach ihrer Übertragung an weltliche Staaten die Grundlage manch moderner Staats- oder Universitätsbibliothek bildeten.

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