Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
  Aus dem Archiv (Ausgabe 03 - Wintersemester 06/07)
 

Hofmann, Andreas C.

 
 

„Schwere Gewitterwolken am politischen Horizont“. Eine Einordnung der Karlsbader Beschlüsse in die bayerische Außenpolitik von 1815 bis 1820[*]

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2.2 Verhandlungen

Bayern schickte Außenminister Rechberg selbst nach Karlsbad, da er am geeignetsten schien, Angriffe auf die bayerische Souveränität abzuwehren.[29] Die vom 6. bis 31. August 1819  stattfindende Konferenz beschloß Maßnahmen gegen die Presse und die Universitäten, eine Zentraluntersuchungskommission gegen an ‚revolutionären Umtrieben’ beteiligte Personen sowie eine provisorische Exekutionsordnung. Außerdem thematisierte man die Interpretation des Artikels 13 der Bundesakte, die Rechtsstellung der Mediatisierten sowie die Handels- und Zollfreiheit, zumal eine Regelung dieser in der Bundesakte offengelassenen Fragen noch ausstand.[30] Die gegen die Presse und die Universitäten geplanten Schläge akzeptierte Bayern vorbehaltlos, da Rechberg sie zuvor angeregt hatte.[31] Schwieriger gestalteten sich die Verhandlungspunkte, welche Bayern in der Vergangenheit bereits zu verhindern wußte.
 

  Obwohl die Debatten über die Interpretation des Artikels 13 der Bundesakte nicht in Bundesbeschlüsse mündeten, kann man sie zurecht als den Knackpunkt, „‚de[n] wahre[n] politische[n] Kern der Konferenzen’“ bezeichnen.[32] In einer Denkschrift über den Unterschied zwischen altständischen Verfassungen und Repräsentativverfassungen argumentierte Gentz, die Väter der Bundesakte hätten bei der Abfassung des Artikels 13 an keine ständische Verfassung im Sinne einer Volksvertretung gedacht.[33] Obwohl Rechberg ermächtigt gewesen wäre, einer Interpretation im Sinne einer Provinzial- bzw. altständischen Verfassung zuzustimmen, erkannte er hierin eine Gefahr für die Integrität des Königreichs, zumal eine Abänderung der bayerischen Verfassung nicht ohne Ansehensverlust des Königs möglich gewesen wäre. Da ein formeller Bundesbeschlusses erst für die Wiener Ministerialkonferenzen vorgesehen war, wurde nur eine Präsidialproposition verabschiedet, welche die in Artikel 13 der Bundesakte bezeichneten landständischen Verfassungen mit rein demokratischen Grundsätzen und Formen für unvereinbar und die Aufrechterhaltung des monarchischen Prinzips zur Maxime für zukünftige Interpretationen erklärte.[34]  

  Die wegen der ‚in Ansehung der Umtriebe der Parteien’ zu ergreifenden Untersuchungsmaßnahmen nahmen einen breiteren Raum bei den Verhandlungen ein. Bereits zu Beginn der Konferenz verständigte man sich auf eine beim Bund einzurichtende Untersuchungsbehörde, war sich aber über deren judikative Befugnisse oder die Errichtung eines hierfür zuständigen außerordentlichen Bundesgerichtes nicht einig. Vor allem Rechberg lehnte dies ab, da nach der bayerischen Verfassung kein Untertan seinem rechtmäßigen Richter entzogen werden durfte.[35] Nach längeren Verhandlungen einigte die Konferenz sich schließlich darauf, eine aus Vertretern der größten Einzelstaaten bestehende Zentraluntersuchungskommission einzusetzen, wobei die Bundesversammlung zu einem späteren Zeitpunkt über die Errichtung eines Bundesgerichts beschließen sollte.[36]
 

  Um die vereinbarten Maßnahmen gegenüber den Einzelstaaten durchsetzen zu können, beriet man auch über eine provisorische Exekutionsordnung. Der erste Entwurf sah, um Bundesbeschlüsse zu erzwingen, Eingriffe in die Landesgesetzgebung vor und wäre auf alle Bundesbeschlüsse anwendbar gewesen.[37] Weder bereit noch ermächtigt, solchen Souveränitätseinbußen zuzustimmen, versuchte Rechberg Einschränkungen bei den Eingriffen in die Landesgesetzgebung und eine Beschränkung auf die in Karlsbad beratenen Ausnahmegesetze zu erwirken. Obwohl er eine Abschwächung der Auswirkungen auf die Landesgesetzgebung erreichte, mußte er der Geltung der Exekutionsordnung für faktisch alle Bundesbeschlüsse zustimmen.[38]  

Fussnote(n):
[29] Klemmer: Rechberg, S. 155f.
[30] Büssem: Beschlüsse, S. 295. – Im Folgenden werden allerdings nur die in Bundesbeschlüsse umgesetzten Verhandlungspunkte sowie die Interpretation des Artikels 13 behandelt.
[31] Klemmer: Rechberg, S. 159, 167; Aretin: Politik, S. 175. – Zu den Maßnahmen gegen die Presse ausführl. Büssem: Beschlüsse, Kap. 2.3.2; Huber: Verfassungsgeschichte Bd. 1, S. 742-745; Ders.: Dokumente Bd. 1, Nr. 33. – Zu den Maßnahmen gegen die Universitäten vgl. Büssem: Beschlüsse, Kap. 2.3.7; Huber: Verfassungsgeschichte Bd. 1, S. 739-742; Ders.: Dokumente Bd. 1, Nr. 32.
[32] Adolf Friedrich Heinrich Schaumann: Der Congress zu Karlsbad. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Gesamtverfassung, in: Historisches Taschenbuch 2 (1850), S. 193-268, hier S. 230, zit nach Büssem: Beschlüsse, S. 380.
[33] Für Gentz bestand der Unterschied darin, daß in einer landständischen Verfassung die Abgeordneten Vertreter bestimmter „durch sich selbst bestehender Körperschaften“, wie Adel, Klerus, Städte, Universitäten seien, während bei Repräsentativverfassungen die Abgeordneten nicht „das Interesse einzelner Stände [...] sondern die Gesamtmasse des Volkes vorzustellen berufen“ seien. Huber: Verfassungsgeschichte Bd. 1, S. 643-645, hier S. 643.
[34] Büssem: Beschlüsse, Kap. 2.3.8; weiterführend Mößle: Restauration, S. 80-97; den Vortrag des Präsidialgesandten Grafen v. Buol zum Art. 13 in: Metternich-Winneburg: Papiere Bd. 2.1, Nr. 354, hier S. 272-275.
[35] Titel IV, Artikel 8 der Verfassung des Königreichs Bayern, 26.5.1818, in: Huber: Dokumente Bd. 1, Nr. 53, S. 161.
[36] Büssem: Beschlüsse, Kap. 2.3.6; Klemmer: Rechberg, S. 159-165; Huber: Verfassungsgeschichte Bd. 1, S. 746-749; Ders.: Dokumente Bd. 1, Nr. 34.
[37] Den Entwurf bei Büssem: Beschlüsse, S. 339-341.
[38] Ebd., Kap. 2.3.3; Klemmer: Rechberg, S. 166f.; ferner Huber: Verfassungsgeschichte Bd. 1, S. 749; die provisorische Exekutionsordnung bei Büssem: Beschlüsse, Kap. 2.3.3 passim; nicht bei Huber: Dokumente.

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