2.3 Die Durchführung der
Karlsbader Beschlüsse in Bayern
Mit seiner Zustimmung zu
den Karlsbader Beschlüssen hatte sich Bayern zwar aus außenpolitischer
Bedrängnis befreit, eine innenpolitische Krise war wegen der Parteiungen in der
Regierung allerdings vorgezeichnet. Eine geheime Ministerkonferenz, an welcher
nur Rechberg, Zentner, Feldmarschall Philipp v. Wrede und Innenminister
Friedrich v. Thürheim teilnahmen, genehmigte am 4. September 1819 die in
Karlsbad gefaßten Beschlüsse einstimmig.[39] Da
die deutsche Bundesversammlung an der Karlsbader Konferenz nicht beteiligt war,
mußte die Bundesversammlung diese noch ratifizieren. Obwohl die Mehrheit im
Engeren Rat durch die Teilnehmer der Karlsbader Konferenzen gesichert war,
mußte Metternich Einstimmigkeit erreichen, um die Beschlüsse rechtlich
abzusichern. „In einem mehr als fragwürdigen Eilverfahren“ legte der
Präsidialgesandte Graf Buol am 16. September 1819 die Entwürfe vor und setzte
eine viertägige Frist zur Zustimmung, die am 20. September erfolgte.[40] Da die
eingewandten Vorbehalte die Beschlüsse hätten nichtig machen können, wurde eine
doppelte Protokollführung angewandt.[41] Nun mußten die Einzelstaaten die
Beschlüsse zu ihrer landesrechtlichen Wirksamkeit noch publizieren.[42]
Gegen die bisher selbst in Regierungskreisen geheim gehaltenen Karlsbader
Beschlüsse formierte sich nun eine Opposition um den Kronprinzen Ludwig und
Finanzminister Maximilian v. Lerchenfeld. Beide sahen in den Karlsbader
Beschlüssen zu weit gehende Eingriffe in die Souveränität des Königreichs und
hielten sie mit der Verfassung für unvereinbar.[43] Für Ludwig bedeuteten sie
darüber hinaus „eine Provokation [...] aufgrund seines [konstitutionellen]
Rechtsverständnisses.“[44]
Wenn ich einst Bayerns Krone tragen sollte, (daß dies nicht eher als nach vielen und vielen Jahren geschehe, müssen wir alle wünschen) könnte ich unmöglich die[se ...] Beschränkungen der Bayerns Herrscher zustehenden Rechte annehmen.[45]
So Ludwig gegenüber
Rechberg, welchem er in Unwissenheit der genauen Umstände vorwarf, mit der
Zustimmung in Karlsbad seine Befugnisse überschritten zu haben. Ludwig und
Lerchenfeld konnten allerdings nicht ahnen, daß Rechberg in Karlsbad die
Verfassung verteidigt, ja sogar gerettet hatte.[46]
Nach heftigen Auseinandersetzungen – die nach außen sogar den Eindruck
erweckten, es sei „eine Art Anarchie“ unter den Ministern entstanden[47] –
beschloß eine allgemeine Ministerkonferenz am 15. Oktober 1819 auf Betreiben
Lerchenfelds, die Beschlüsse mit dem Vorbehalt zu veröffentlichen, sofern sie
nicht gegen die Souveränität, die Verfassung oder die Gesetze des Königreichs
verstoßen sowie die Exekutionsordnung nicht zu publizieren. Außerdem bestritt
Bayern durch die Formulierung, es handle sich um „gemeinsame Verfügungen aller
Bundesglieder“, den Charakter eines formellen Bundesbeschlusses.[48]
Nachdem in der 35. Sitzung der deutschenBundesversammlung [...] gemeinsame Verfügungen aller Bundesglieder beschlossenworden sind, so machen Wir dieselben hiemit bekannt und verordnen, daß unseresämtlichen Behörden und Untertanen mit Rücksicht auf die Uns nach denbestehenden Staatsverträgen und der Bundesakte zustehende Souveränität, nachder Uns unserem treuen Volke erteilten Verfassung und nach den Gesetzen unserenKönigreichs sich hiernach geeignet zu achten (haben).[49]
Trotz dieser außenpolitisch riskanten
Handlungsweise – der österreichische Gesandte überreichte dem König ein
Schreiben des Kaisers, welches „in höflichster Form einige Drohungen
enthielt“,[50] der preußische Staatsminister v. Bernstorff war „durch den
unerwarteten Vorbehalt schmerzlich befremdet worden“[51] – führte Bayern im
Folgenden die Karlsbader Beschlüsse aus.[52] Die spätere Äußerung, der
Verfassungsvorbehalt hätte nur die Untertanen zufriedenstellen sollen, führte
die gerade erreichte Position zusätzlich ad absurdum.[53] Der Vollzug der
Karlsbader Beschlüsse unter Max. I. Joseph läßt sich am besten mit den Worten
des preußischen Gesandten v. Zastrow charakterisieren, wonach
aller der bisher obwaltenden Widersprüche
ungeachtet, [...] im wesentlichen doch von hier aus alles geschehen [ist], was
die Karlsbader Beschlüsse vorgezeichnet haben.[54]
Denn wie ein Vergleich mit anderen Bundesstaaten
zeigt, setzte Bayern das Universitätsgesetz vorbehaltlos um: Es erteilte seinen
Regierungsbevollmächtigten – diese firmierten als Ministerialkommissäre –
relativ schnell umfangreiche und über das notwendige Maß hinausgehende
Instruktionen. Die Ministerialkommissäre überwachten die Lehrveranstaltungen
der Dozenten, ihr Verhältnis zur Universitätsleitung konnte sich – wie in
Landshut – sogar zu einem „Kleinkrieg“ (R. Schmidt) entwickeln und die
Studierenden bekamen das Universitätsgesetz nachhaltiger als in anderen
Bundesstaaten zu spüren.[55]