Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
  Aus dem Archiv (Ausgabe 03 - Wintersemester 06/07)
 

Schnupp, Stefan

 
 

Fotografien von der Schlacht von Gettysburg
Die Problematik mit Gardners Bildern eines gefallenen konföderierten Soldaten

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Der Amerikanische Bürgerkrieg wurde in den Jahren 1861 und 1865 zwischen den Nordstaaten und den abgespaltenen Südstaaten ausgetragen und endete mit der Kapitulation der Südstaaten. In diesem Krieg wurden viele technische Neuerungen [1] eingesetzt. Man kann vom „ersten wirklich industrialisierten Krieg der Geschichte“ [2]sprechen.

Eine der größten Schlachten des Krieges war jene von Gettyburg [3], die vom 1. Juli bis zum 5. Juli 1863 dauerte. Die Konföderiertenarmee wurde von General Robert E. Lee befehligt und  die Unionstruppen von Georg G. Meade. Die Truppen trafen sich bei Gettysburg, in Pennsylvania, auf dem Gebiet der Nordstaaten. Dorthin hatte Lee seine Truppen als Offensivmaßnahme nach der Schlacht von Chancellorsville geführt.  Die Schlacht begann am 1. Juli nördlich der Stadt und verlagerte sich in den nächsten zwei Tagen auf das Stadtgebiet und die südliche Umgebung. Am Ende siegten die Unionstruppen und Lee musste sich ab dem 5. Juli wieder nach Süden zurückziehen.

Am gleichen Tag traf das Fotografenteam unter Alexander Gardner, als die ersten Fotographen vor Ort, ein. [4] Er war ein emigrierter Schotte, der unter Matthew Brady gearbeitet und sich schließlich selbstständig gemacht hatte. [5] Berühmt waren vor allem seine Fotografien der Schlacht von Antietam im September 1862. Mit diesen Fotos hatte er die Beerdigung der Leichen nach der Schlacht dokumentiert. In der Zeit vom 6. bis zum 9. Juli [6] erstellte das Team 60 Fotos. Dreiviertel davon beschäftigten sich mit dem Thema Tod. Dafür musste er möglichst schnell vor Ort sein, um die gefallenen Soldaten fotografieren zu können, bevor sie beerdigt wurden. [7] Mit seinen Bildern wollte er der Öffentlichkeit das ganze schreckliche Ausmaß des Krieges vor Augen führen, da dies von den meisten nicht wahrgenommen wurde. Mit solchen Darstellungen versuchten sich die Fotografen auch von den Malern und Zeichnern zu unterscheiden, die den Schlachten eher einen heroischen Ausdruck verliehen. [8]
 

 

Als Beispiele Gardners sollen nun sechs Bilder [9] genauer betrachtet werden.  Sie stellen alle jeweils einen jungen, gefallenen konföderierten Soldaten dar, neben dem sich ein Gewehr befindet. Die ersten drei Bilder (V-23 bis V-25) sind als Serie konzipiert und zeigen die gleiche Leiche aus unterschiedlichen Kamerapositionen, wodurch verschiedene Landschaftselemente sichtbar werden. Bei diesen Bildern liegt der Leichnam auf dem Rücken und das Gewehr oberhalb seines Kopfes auf dem Boden. Die Leiche ist schon im Gesicht angeschwollen, aber sonst sind keine Verletzungsspuren zu erkennen.  Die beiden anderen Bilder (V-26 a und b) stellen die Leiche eines „Scharfschützen“ [10] dar, der vor einer aufgeschichteten Steinmauer, zwischen zwei Felsen, liegt. Seine Waffe lehnt noch an der Mauer und er liegt mit dem Kopf auf einem Beutel. Im Hintergrund ist bei V-26 a  ein  ansteigender Hügel zu sehen.

Wichtige Fragen bei der Identifizierung der Bilder sind der Zeitpunkt der Aufnahme und der genaue Aufnahmeort. Durch die vorhandenen Landschaftselemente konnte  William Frassanito die Bilder bei Devil’s Den, einem Hügel südlich der Stadt [11] lokalisieren. Die dargestellten Orte liegen ungefähr 72 yards [12] auseinander. Bei der Datierung geht er vom Nachmittag des 6. Juli aus, da anhand der Schatten die Tageszeit bestimmt werden konnte. Die Leichen in diesem Gebiet wurden bis zum 7. Juli beerdigt und deshalb konnte Gardners Team sie nur am 6. Juli fotografieren. [13]

Bei allen Fotos handelt es sich um denselben toten Soldaten und dasselbe Gewehr. Die Leiche trägt auf den Bildern die gleiche Kleidung, den gleichen Haarschnitt und die gleichen Gesichtszüge. Man  muss davon ausgehen, dass es sich um dieselbe Person handelt. [14]
 

Fussnote(n):
[1] Gerhard, Paul: Bilder des Krieges - Krieg der Bilder. Die Visualisierung des modernen Krieges. Paderborn 2004. S. 65-69.
[2] Gerhard Bilder, S. 66.
[3] Frassanito, William A.: Gettysburg. A journey in time. New York 1975. S. 54-55.
[4] Ebd. S. 27. und Ders.: Early Photography at Gettysburg. Gettysburg 1995. S. 21.
[5] Hodgson, Pat: Early war photography. Osprey 1974. S. 17-19.
[6] Datierung bei Frassanito Photography, S. 22-23.
[7] Ders Gettysburg, S. 27.
[8] Hodgson Early War, S. 12.
[9] Abgebildet bei Frassanito Gettysburg, S. 188-191 und dort mit den Nummern V-23,V-24,V-25 und V-26 a und V-26 b versehen.
[10] So durch Gardner selbst bezeichnet.
[11] Frassanito Gettysburg, S. 187.
[12] Neue Ausmessung in Early Photography, gegenüber den geschätzten 40 yards in seinem Buch Gettysburg.
[13] Ders. Gettysburg, S. 31.
[14] Ebd., S. 191-192.

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