1. Methoden bayerischerSouveränitätssicherung von 1815 bis 1820[10]
Nachdem Bayern seine zu Beginn des 19. Jahrhunderts gewonnene Souveränität auf dem Wiener Kongreß verteidigt hatte,[11] prägte die außenpolitische Maxime des Souveränitätserhalts die folgenden Jahre. Hierzu versuchte das Königreich bis 1817, eine gleichberechtigte Großmachtstellung mit Österreich und Preußen zu erreichen, wodurch es Eingriffe in seine Souveränität, wie eine Behandlung der Rechte der Mediatisierten verhinderte.[12] Diese Politik wurde maßgeblich von dem durch Georg Friedrich v. Zentner beratenen Außenminister Maximilian v. Monteglas getragen.[13] Nachdem der im Münchener Vertrag vom 14. April 1816 geregelte Gebietsausgleich mit Österreich allerdings die engen Grenzen bayerischer Außenpolitik aufgezeigt hatte, verfocht der bayerische Gesandte beim Bund Aloys v. Rechberg eine gegen die bayerische Großmachtpolitik gerichtete Position, wonach Bayern seine Souveränität nicht ohne einen starken Bund erhalten könne.[14] Seit der Eröffnung des Bundestages Ende 1816 vertrat sein Nachfolger als Gesandter am Bundestag v. Gruben eine derartige Fundamentalopposition, daß einige Bundesstaaten Bayern sogar den Austritt aus dem Bund nahelegten. Nach seiner Wiedereinsetzung als Bundestagsgesandter Anfang 1817 trug Rechberg durch seine Reputation als angesehener Diplomat zu einer Entspannung der Situation bei.[15]
Nachdem Rechberg nach Montgelas Sturz 1817 das
Außenministerium übernommen hatte, orientierte sich seine Politik daran, eine Zusammenarbeit
der Klein- und Mittelstaaten – des Dritten Deutschlands – unter Bayerns
Führung zu etablieren, was allerdings an der Rivalität der Staaten
untereinander sowie der Angst vor einer bayerischen Suprematie scheiterte.[16]
Um Souveränitätseinbußen durch eine verbindliche Interpretation des Artikels 13
der Bundesakte hinsichtlich landständischer Verfassungen zuvorzukommen und die
neubayerischen Gebiete rechtlich in den Staat zu integrieren, erließ Bayern am 26.
Mai 1818 eine Verfassung.[17]
2. Bayern und die
Karlsbader Beschlüsse
2.1 Vorgeschichte
Der Erlaß der Verfassung führte zu einem Tiefpunkt der
bayerisch-österreichischen Beziehungen. Diente sie zum einem der Absicherung
der Souveränität des neuen Staatsgebildes, stellte sich Bayern zum anderen an
die Spitze der gegen Österreich gerichteten konstitutionellen Bewegung.[18] Die
turbulenten Debatten der bayerischen Kammer der Abgeordneten im Frühjahr 1819
brachten das Königreich allerdings in außenpolitische Bedrängnis. Denn Gentz
skizzierte diese Debatten in seiner Denkschrift über die bayerische Ständeversammlung
sogar als revolutionäre Bedrohung, obwohl „mehr Übereifer als
Oppositionsgeist“,[19] weniger „revolutionäre[] Gesinnung, sondern […]
gedankenlose[] Unerfahrenheit“ ihre Natur bestimmten.[20]
Der Mord an dem
russischen Staatsrat August v. Kotzebue durch den ehemaligen Erlanger Studenten
und bayerischen Staatsbürger Karl Ludwig Sand am 23. März 1819 gab Metternich
das „argumentum ad hominem“,[21] den ‚willkommenen Anlaß’, um unter dem Vorwand
der „Erhaltung der äußeren und inneren Sicherheit Deutschlands“[22] von Bundes
wegen gegen die Opposition des ‚Dritten Deutschlands’ und die konstitutionelle
Bewegung vorzugehen.[23] Denn diese Tat und die turbulenten Kammerdebatten
riefen die französische Revolution wieder in Erinnerung. Zumal außenpolitisch
unter Druck geraten, zweifelte nun auch Bayern an dem eingeschlagenen Weg.[24]
Es sei nur auf die in der Forschung unterschiedlich bewerteten Pläne von Teilen
der bayerischen Führungsschicht verwiesen, die kürzlich erlassene Verfassung in
einem Staatsstreich wieder aufzuheben.[25] In der Entschlossenheit, aus dem
Mord politischen Profit zu ziehen, begannen die Vorbereitungen zur Karlsbader
Konferenz.[26] Um sich selbst nicht zu kompromittieren, wartete Metternich auf
Initiativen anderer Staaten; Rechberg regte bereits am 29. März 1819 gemeinsame
Maßnahmen gegen die Universitäten und die Presse an, die er als den größten
Gefahrenherd erachtete.[27]
Metternich entschied sich, die mächtigsten und vertrauenswürdigsten
Staaten nach Karlsbad zu rufen. Zusätzlich zu den im Vorfeld beteiligten
Mächten (Preußen, Bayern, Sachsen, Hannover, Baden, Württemberg) lud er die
mecklenburgischen Staaten, Hessen-Nassau und im Verlauf der Verhandlungen
Hessen-Kassel ein, um sich der Mehrheit im Engeren Rat der Bundesversammlung
sicher zu sein. Der Bundestag sollte durch einen provisorischen Beschluß vor
vollendete Tatsachen gestellt werden.[28]