Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
  Aus dem Archiv (Ausgabe 03 - Wintersemester 06/07)
 

Hofmann, Andreas C.

 
 

„Schwere Gewitterwolken am politischen Horizont“. Eine Einordnung der Karlsbader Beschlüsse in die bayerische Außenpolitik von 1815 bis 1820[*]

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An der Interpretation des Artikels 13 der Bundesakte drohten sich die größten Gegensätze zu entzünden. Es war zu erwarten, daß Österreich eine Interpretation im Sinne von altständischen Verfassungen durchsetzen wollte. Metternich erkannte allerdings, daß bereits erlassene Verfassungen nicht mehr geändert werden konnten – zudem: sein „konservative[s] Ordnungssystem schloß den restaurativen Staatsstreich aus“.[67] So verzichtete er auf eine Definition des Terminus ‚landständische Verfassungen’, und es wurde nur festgelegt, daß der Monarch Träger aller Staatsgewalt sein müsse, wobei er in der Ausübung an die Mitwirkung der Stände gebunden werden könne (Artikel 57). Ferner wurde anerkannt, daß die Verfassungen der Einzelstaaten nur durch die landesrechtlich vorgesehenen Wege abgeändert werden durften (Artikel 56) – Eingriffen von Bundes Wegen somit von Bundes Wegen vorgebeugt.[68]

Obwohl die Erfolge auf den Wiener Ministerialkonferenzen nicht ohne die Zugeständnisse des österreichischen Staatskanzlers hätten erreicht werden können, wurde Zentner für seine Verhandlungskünste in München hoch gelobt.[69] Auf Drängen Zentners und Metternichs erhob die Bundesversammlung die in der Wiener Schlußakte am 16. Mai 1820 unterzeichneten Beschlüsse am 8. Juli 1820 zu einer Supplementärakte zur Bundesakte – die Verfassungsentwicklung des Bundes wurde somit abgeschlossen.[70] Ferner fand mit Bayerns Zustimmung zur Wiener Schlußakte auch die Suche nach einer Grundlinie der bayerischen Außenpolitik ein Ende. Bayerns sich in Karlsbad abzeichnende Annäherung an Österreich hatte in Form der Einordnung in den Deutschen Bund einen Abschluß gefunden.

 

 

Schlußbetrachtung

Schwere Gewitterwolken am politischen Horizont, welche die verfassungsmäßige Entwicklung des Landes mit der ernstesten Gefahr bedrohten? Wahrlich ja!

Hatte Bayern in den beiden Jahren nach dem Wiener Kongreß erfolglos versucht, eine gleichberechtigte Stellung mit den beiden deutschen Großmächten Preußen und Österreich zu erreichen, wich diese Außenpolitik nach Montgelas Sturz dem Bestreben, ein Drittes Deutschlands der Klein- und Mittelstaaten unter Bayerns Führung zu bilden. Durch den Erlaß der Verfassung von 1818 stellte das Königreich sich zum einen an die Spitze der konstitutionellen Bewegung und versuchte zum anderen, diese mit der Politik des Dritten Deutschlands zu verbinden. Dies mußte den entschiedenen Widerstand Österreichs hervorrufen.

An dieser Stelle kamen die turbulenten Debatten der bayerischen Kammer der Abgeordneten und die Ermordung Kotzbues durch einen bayerischen Staatsbürger der österreichischen Politik unter Metternich wie gerufen. Gaben diese Ereignisse doch den ‚willkommenen Anlaß’, Bayern außenpolitisch unter Druck zu setzen und die Revolutionsfurcht des bayerischen Königs gegen die konstitutionelle Bewegung zu instrumentalisieren.

So kam es, daß Bayern bei den Vorbereitungen zu den Karlsbader Konferenzen eine tragende, ja teils initiierende Rolle spielte. Man wollte den restaurativen Elementen des Deutschen Bundes mit Wohlwollen begegnen, um sich aus einer außenpolitischen Sackgasse zu befreien. Statt dessen manövrierte Bayern sich in ein innen- und verfassungspolitisches Dilemma. Durch die bisher geheim gehaltenen Ergebnisse der Karlsbader Konferenzen aufgeschreckt, begannen der Kronprinz und der liberale Finanzminister Lerchenfeld eine Opposition zu formieren. Ludwig brachte seinen Unmut unmißverständlich zum Ausdruck, der Finanzminister legte die Unvereinbarkeit der Karlsbader Beschlüsse mit der bayerischen Verfassung dar, der Justizminister wollte mit der ganzen Sache gleich gar nichts zu tun haben. – War der liberalen Opposition doch nicht bekannt, daß in Karlsbad die Verfassung verteidigt, ja sogar schlimmeres verhütet worden war. Die Durchsetzung des von Lerchenfeld geforderten Verfassungsvorbehaltes bewirkte allerdings einen außenpolitischen Eklat. Bayern, das den Beschlüssen in Karlsbad und Frankfurt zugestimmt hatte, setzte sich nun über seine erteilte Zustimmung hinweg.

Doch sollte diese außenpolitische Krise nur von kurzer Dauer und ohne direkte Folgen sein. Viel nennenswerter erscheinen die langfristigen Auswirkungen. Bayern hatte sich durch den Verfassungsvorbehalt – sollte er auch nur die Untertanen zufriedenstellen – weiter in außenpolitische Bedrängnis gebracht. Wie bei den Vorbereitungen zu den Karlsbader Konferenzen mußte nun ein weiteres Mal außenpolitische Zuverlässigkeit bewiesen werden. Unter diesen Vorzeichen ist auch die Durchführung der Karlsbader Beschlüsse in Bayern zu sehen. Denn der Verfassungsvorbehalt wirkte sich entweder rechtlich nicht aus – wie im Falle der Exekutionsordnung – oder wurde durch die restriktive Durchführung der Karlsbader Beschlüsse praktisch hinfällig.

So erscheint auch die bayerische, sich eng an Österreich anlehnende Politik auf den Wiener Konferenzen nicht verwunderlich. War sie doch das letzte Mittel zur Verteidigung der eigenen Souveränität. Hatte der bayerische Verhandlungsführer Zentner auch einige Erfolge zu verzeichnen, so ist hervorzuheben, daß hierfür weder dessen Verhandlungsgeschick, noch wohlwollende Zugeständnisse Metternichs ausschlaggebend waren. Der österreichische Staatskanzler hatte vielmehr erkannt, an mittlerweile gefestigten Tatsachen nichts ändern zu können, ohne einen außenpolitischen Schaden für Österreich zu riskieren. Einen symbolischen Höhepunkt fand die österreichisch-bayerische Annäherung in Wien mit dem Vorschlag Zentners und Metternichs, die Verhandlungsergebnisse zu verfassungsmäßigem Bundesrecht zu erheben. Bayern akzeptierte mit seiner endgültigen Anlehnung an Österreich auch seine Einordnung in den Deutschen Bund. Es verwundert wenig – wenn man die anfängliche Umsetzung der Karlsbader Beschlüsse betrachtet –, daß Bayern im Jahre 1824 der Verlängerung der Karlsbader Beschlüsse zustimmte.

 

Fussnote(n):
[67] Ders.: Verfassungsgeschichte Bd. 1, S. 646.
[68] Dobmann: Zentner, S. 175-177; Klemmer: Rechberg, S. 185f.; Quint: Souveränitätsbegriff, S. 503f.; Doeberl: Entwicklungsgeschichte Bd. 2, S. 527; Mößle: Restauration, S. 97-102; Huber: Verfassungsgeschichte Bd. 1, S. 646-656.
[69] Dobmann: Zentner, S. 189; Klemmer: Rechberg, S. 188; Winter: Wrede, S. 315.
[70] Huber: Verfassungsgeschichte Bd. 1, S. 753f.; Klemmer: Rechberg, S. 188; Quint: Souveränitätsbegriff, S. 502; Winter: Wrede, S. 316.

 
Empfohlene Zitierweise:

Hofmann, Andreas C.: „Schwere Gewitterwolken am politischen Horizont“. Eine Einordnung der Karlsbader Beschlüsse in die bayerische Außenpolitik von 1815 bis 1820, in: Aventinus. Die Historische Internetzeitschrift von Studenten für Studenten [Ausgabe 03 - Wintersemester 06/07],
www.aventinus.geschichte.uni-muenchen.de/index.php?ausg=3&id=55&subid=49
[Letzter Aufruf am xx.xx.xxxx]

 

Hofmann, Andreas C.

geb. 13.6.80

Abitur 2000 am Dom-Gymnasium Freising

Magisterabschluß in Neuerer und Neuester Geschichte im Sommer 2006

seit September 2006 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Historischen Seminar der Universität München, Lehrstuhl Prof. Dr. Wolfram Siemann

http://www.geschichte.uni-muenchen.de/...

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