Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
  Aus dem Archiv (Ausgabe 02 - Sommersemester 06)
 

Schmid, Alois

 
 

Die bayerische Königspolitik im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit

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Die herzogliche Zeit der Wittelsbacher

 
 

In einen neuen Abschnitt traten die bayerischen Königspläne mit der Regierungsübernahme der Wittelsbacher im Jahre 1180[11]. Denn die in besonderer Königsnähe aufgestiegene Familie sah sich nach der Erringung des Herzogsthrones in Bayern noch keineswegs am Endpunkt ihrer Ziele angelangt, sie strebte, nachdem sie ihre Herrschaft stabilisiert hatte, nach noch höheren Würden.

Die Voraussetzungen dafür verbesserte das Ende der Staufer. Erstmals Herzog Ludwig der Strenge (1253-1294) meldete nach dem Interregnum Anspruch auf die Reichskrone an. Abt Hermann von Niederaltaich leistete dazu wirkungsvolle Schützenhilfe mit entsprechenden historiographischen Untersuchungen. Im Vorfeld der Königswahl von 1273 spielt Herzog Ludwig der Strenge von Oberbayern eine bemerkenswerte Rolle, die er mit einer gezielten Heiratspolitik unterstrich. Freilich stießen seine Bemühungen um die Reichskrone auf Widerstand, weswegen er sie schließlich wieder einschränkte. Bei der Königserhebung von 1273 selber trat er als Kandidat nicht mehr in den Vordergrund. Mit seiner Stimme wurde schließlich Rudolf von Habsburg auf den Thron gehoben. Damit trat nun die Familie der Habsburger neben die Wittelsbacher. Die Rivalität dieser beiden Dynastien sollte das nächste halbe Jahrtausend der europäischen Geschichte nachhaltig  beeinflussen.

Dieser erfolglose Anlauf der Wittelsbacher auf den Königsthron erfuhr bald Fortsetzung. Sie betraf die beiden Linien, in die sich das Haus Wittelsbach 1255 teilte.  Als erste war die niederbayerische Linie erfolgreich. Sie errang die Krone im Königreich Ungarn. Beim Aussterben der dort regierenden Arpaden 1301 prallten Wittelsbacher und Habsburger erneut aufeinander. Herzog Otto III. von Niederbayern (1290-1312) wurde 1305 auf den Thron des heiligen Stephan erhoben. Rasch stieß er auf Widerstand, der ihn schon 1307 schmählich aus dem Land jagte. Dennoch führte Otto III. den Titel rex Ungariae bis zu seinem Tod  konsequent weiter.

Zur gleichen Zeit meldete die oberbayerische Linie Ansprüche auf eine Königskrone an. Schon der Sohn Ludwigs II., Ludwig IV., der Bayer (1294-1347)[12], erlangte 1314 sogar die Reichskrone - freilich in zwiespältiger Wahl. Abermals sah er sich dem Widerstand der Habsburger ausgesetzt, den er aber 1322 in der Schlacht bei Mühldorf niederrang. Damit konnte  er zum zweiten Mal die bayerischen Königsansprüche zum Erfolg führen. Nun erwuchs ihm jedoch der erbitterte Widerstand des Papsttums zu Avignon. Dennoch stieg Ludwig 1328 auch zum Kaiser im Heiligen Römischen Reich auf. Da ihm das Papsttum zu Avignon  Anerkennung und Krönung versagte, mußte der Wittelsbacher dabei auf die säkularen Traditionen der römischen Antike zurückgreifen. Ludwig der Bayer hat seine Dynastie damit zwar an ihr vornehmliches Ziel, auf dem Thron des Reiches, geführt, konnte sich dort aber nicht auf Dauer behaupten. Die Wahl des Luxembugers Karl IV. im Jahre 1346 drängte ihn schließlich in die Defensive. Die unumgängliche Entscheidungsschlacht zwischen den beiden Thronaspiranten verhinderte allein der Tod des Wittelsbachers am 11. Oktober 1347. Seine sehr nachhaltig wirksame Hauptleistung ist die Neuordnung des Wahlvorganges. Das erste große Grundgesetz des Alten Reiches, die Goldene Bulle von 1356, basiert wesentlich auf den Erfahrungen der kampferfüllten Jahre des wittelsbachischen König- und Kaisertums. In seiner engsten Umgebung wurden zukunftweisende Gedanken zum Konziliarismus und sogar zur Einbeziehung des Volkes in die Regierungspraxis des Reichsoberhauptes angestellt. Eine weitere Leistung ist seine anspruchsvolle Pflege der Hofkunst, die er als erster sehr gezielt zu repräsentativen Zwecken einsetzte. Insofern tragen die Jahre des wittelsbachischen König- und Kaisertums sehr ambivalente Züge. Ludwig der Bayer schließt einerseits die alte Auseinandersetzung zwischen Reich (imperium) und Kirche (sacerdotium) ab, weist aber andererseits mit verschiedenen Aspekten seiner Regierungspraxis auch in die Renaissance voraus.

 

Fussnote(n):
[11] Ludwig HOLZFURTNER, Die Wittelsbacher. Staat und Dynastie in acht Jahrhunderten, Stuttgart 2005.
[12] Heinz THOMAS, Ludwig der Bayer (1282-1347), Kaiser und Ketzer, Regensburg 1993; Robert SUCKALE, Die Hofkunst Kaiser Ludwigs des Bayern, München 1993.

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