Natürlich war dies nur eine Seite
Philipps II., der gleichfalls Zeit seines Lebens ein Freund der Jagd und ein
Verehrer der Gärten, Pflanzen und Blumen gewesen ist. Doch geht es hier nicht
um Philipp II. selbst, sondern um die Symptomatik einer erdrückenden Last an
Schriftlichkeit und Kommunikation, der sich ein König im Zeichen eines
bürokratisch organisierten Absolutismus ausgesetzt sah, wollte er sich nicht
auf die Entscheidungen von Ministern verlassen. Philipp II. strebte es jedoch
an, jede Entscheidung selbst zu treffen. Er mißtraute seinen Räten und traf
wiederholt Maßnahmen, um letztlich von jedem seiner Untertanen, auch in den
überseeischen Reichen, brieflich erreichbar zu sein. [10] Hinzu kam, daß er
eine zunehmende Abneigung gegen den mündlichen Vortrag entwickelte und
grundsätzlich schriftliche Anfragen (consultas)
bevorzugte. [11]
Trotz
dieser Bevorzugung des Geschriebenen hat man weiter von einem organisierten
Miteinander verschiedener medialer Kommunikationsformen auszugehen. Schon die
schiere Masse an auszutauschenden Informationen machte es notwendig, daß
Philipp II. beständig auch mündlich informiert wurde. Nach der Beschreibung in
einem Madrider Manuskript begann dies schon beim Wecken durch Don Cristóbal,
während dieser ihm das Hemd reichte und die Beine massierte. Der Graf von
Chinchón sprach mit ihm nach dem Essen, Nachmittags bis Sonnenuntergang dann
sein Sekretär Juan de Idiázquez, und jeder von ihnen trug seine minuta oder memoria bei sich, um die einzelnen Anliegen nacheinander
abzuhandeln. [12]
Der König war zwar nur die Spitze
des Eisberges – auch seine Sekretäre hatten mit über 1.000 Briefen [13] in
einem Monat zu rechnen –, er war dies, wie schon angedeutet, aber aus
strukturellen Gründen: Die auf das monarchische Haupt zulaufende
Entscheidungslogik des Absolutismus, die entwickelte administrative
Schriftlichkeit Spaniens und die Ausdehnung des Reiches, gepaart mit Philipps
II. Anspruch, alle Entscheidungen persönlich zu treffen und für jeden Untertan
potentiell erreichbar zu sein, mußten zu einer systematischen Überlastung des
Entscheidungszentrums führen. Daß man sich dieser Problematik durchaus bewußt
war, zeigt die Palette an Strategien, um den Druck an Schriften zu vermindern
und die Papierfluten zu kanalisieren.
Gut
erkennbar ist beispielsweise der Versuch, den Input an Information zu
verringern oder zumindest auf das Wesentliche zu kondensieren. Brevitas war eine auch im
administrativen Schriftverkehr topisch wiederkehrende Forderung. Sie spiegelt
sich in diversen administrativen Reduktionsverfahren wider. Die königlichen
Sekretäre waren so beispielsweise unter Philipp II. aufgefordert, Extrakte des
eingehenden Schrifttums zu erstellen (hacer
relación). [14] In der spanischen Metaphorik des Staatskörpers galten
Sekretäre nicht nur als die Hälse (cuello),
die die Verbindung zwischen dem Körper des Staatswesens und seinem monarchischen
Kopf herzustellen hatten, sondern eben auch als dessen Magen (estómago). [15] Daß sie damit die kommunikative
Schnittstelle besetzten, über die sich nicht zuletzt auch das Denken des
Monarchen manipulieren ließ, formulierte klar der spanische Historiker
Francisco Bermúdez de Pedraza, der die Sekretäre als „Beweger des königlichen
Denkens“ bezeichnete, „weil der Sekretär alle Gedanken des Königs durch die
Kenntlichmachung der Neuheiten bewegt, die er ihm vorlegt“. [16]