Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
  Aus dem Archiv (Ausgabe 01 - Wintersemester 05/06)
 

Zarka, Attila

 
 

Die Tyrannis der Peisitratiden

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Kultisch-religiöse Feste als Identifikationspunkte des Demos

 
  Beinahe selbstverständlich erscheint hier, wie auch bereits erwähnt wurde, die Förderung des Athena-Kultes. Frank Kolb geht dabei sogar von einer möglichen Identifizierung des Peisistratos mit Herakles aus, da letztgenannter ein Begünstigter der Göttin war. Somit könnte der Tyrann eine weitere Legitimation seines Machtanspruches vorgebracht haben.
Seit 540 wird archäologisch eine Zunahme von Dionysios-Abbildungen auf attischen Vasen bezeugt. Eine enge Verbindung mit dem Tyrannenhaus wird vermutet, weshalb auch die Forschung davon ausgeht, dass das Fest der Großen Städtischen Dionysien zu Ehren des Dionysios Eleuthereus von Peisistratos begründet wurde. Da in Athen bereits zwei ältere Dionysios-Kulte existierten, stellt sich die Frage, warum sich Peisistratos der neuen Form des Kultes zuwandte. Die Begründung dürfte höchstwahrscheinlich in persönlichen Motiven zu finden sein.
Eine mythologische Überlieferung berichtet, wie Melanthos durch die Hilfe des Dionysios Melanaigis zu Königswürden gekommen sein soll. Zum einen führte Peisistratos sein Geschlecht auf eben diesen Melanthos zurück, zum anderen wird der Gott "im schwarzen Ziegenfell" in Peisistratos Heimatstadt Brauron in ganz besonderer Weise gefeiert.
Eine weitere Förderung des kultisch-religiösen Lebens findet sich in der Modifizierung der Panathenäen wieder. Dieses agonale Fest fand zunächst jährlich statt und umfasste zumeist nur sportliche Wettkämpfe. Bei der Bedeutung des Allfestes der Athena für die Athener ist es nicht verwunderlich, dass sich die Peisistratiden in besonderem Maße sich um die Gestaltung verdient machen wollten. Sie haben der Zeit gemäß die Festlichkeiten in ein panhellenistisches Gefüge einzubinden versucht. Aus diesem Grunde wurde das Fest umgestaltet und nur noch alle vier Jahre ausgerichtet, um eine Gleichschaltung mit den Olympischen Spielen zu erreichen. Zudem dürften erst unter den Peisistratiden zu den üblichen Wettkämpfen auch noch musische und literarische hinzugekommen sein.
 

 

Schluss

 
  Bei der Untersuchung der Tyrannis der Peisistratiden ist die Fülle der Informationen auf angenehme Art und Weise aufgefallen. Die Quellen sind zwar, wie viel zu oft, nur sehr spärlich und widersprechen sich in einigen Punkten, aber dennoch kann die Tyrannis in Athen in ihren wichtigsten Stationen gut rekonstruiert werden. Trotz allem bleibt dem Historiker noch viel Raum für eigene Thesen und auch Mutmaßungen.
In diesem Sinne wurde am Anfang der Arbeit die Frage gestellt, ob denn die Tyrannis als Sprungbrett für die Demokratie angesehen werden kann. Diese Frage soll nun zusammenfassend beantwortet werden.
Die These, dass Peisistratos bewusst einen demokratischen Weg eingeschlagen habe, muss man ganz eindeutig verneinen. Alleine die Definitionen der beiden Staatsformen widersprechen sich. Die Herrschaft des Einen kann schon aus einem gewissen Selbsterhaltungstrieb heraus die Herrschaft des Demos nicht dulden, noch bewusst fördern. Diese Frage ist aus der Sicht des Tyrannen daher nicht sinnvoll gestellt. Wenn sie allerdings aus einer rückblickenden, interpretierenden Sichtweise gestellt wird, kann man gewisse Zusammenhänge erkennen, die vermuten lassen, dass die Tyrannis eine nicht unbedeutende Vorarbeit für die spätere Demokratie geleistet hat.
Die Tyrannis musste bestrebt sein, die gewonnene Macht auf eine einzige Person, nämlich auf die Person des Peisistratos, zu zentralisieren und eine Identifikation des Demos mit dem selbigen zu erreichen. Der Kernbereich Attikas, die Stadt Athen, wurde aus diesem Grunde zu einem glanzvollen, glamourösen Zentrum, sowohl aus architektonischer, als auch aus religiöser Sicht, ausgebaut. Peisistratos stieß damit einen Vorgang an, dessen Ausgang er nicht erahnen konnte. Denn das Bewusstsein der Zugehörigkeit zu einer großen Gemeinschaft, zur Polis Athen, wurde später zu einem Garant für die Festigung des demokratischen Gedankens. Zudem darf eine Sache nicht vergessen werden. Dadurch, dass der Demos und die Aristokratie sich nur zu einem geringen Anteil an der Politik während der Tyrannis zu beschäftigen hatten, konnte ein beachtlicher, wirtschaftlicher Grundstock für spätere Krisen gelegt werden. Diese Mittel trugen sicherlich mit dazu bei, dass die Athener gegen die Perser eine enorme Kriegsgerätschaft finanzieren konnten. Dieser weltbedeutende Sieg der Griechen über den persischen Großkönig führte in Athen zu einer neuen Einschätzung der eigenen Stärke und zu einer Stabilisierung der keimenden Demokratie.
Aus diesem Grunde wird an dieser Stelle der Standpunkt vertreten, dass die Tyrannis der Peisistratiden in ihrer langfristigen Entwicklung als Sprungbrett für die spätere Demokratie angesehen werden muss.
 

 
Quellen
  • Brodersen, Kai (Hrsg.): Herodot. Historien. Stuttgart 2002.
  • Dreher, Martin (Hrsg.): Aristoteles. Der Staat der Athener. Stuttgart 1993.
 

 
Sekundärliteratur
  • Boersma, Johannes Sipko: Athenian Building Policy from 561/0 to 405/4 B.C. Groningen 1970.
  • Berve, Helmut: Die Tyrannis bei den Griechen. München 1967.
  • Kolb, Frank: Die Bau-, Religions- und Kulturpolitik der Peisistratiden, JDAI 92, 1977, 99 - 138.
  • Stahl, Michael: Aristokraten und Tyrannen im archaischen Athen. Untersuchung zur Überlieferung, zur Sozialstruktur und zur Entstehung des Staates. Stuttgart 1987.
  • Stein-Hölkeskamp, Elke: Adelskultur und Polisgemeinschaft. Studien zum griechischen Adel in archaischer und klassischer Zeit. Stuttgart 1989.
  • Welwei, Karl-Wilhelm: Athen. Vom neolithischen Siedlungsplatz zur archaischen Großpolis. Darmstadt 1992.
 

 
Empfohlene Zitierweise:

Zarka, Attila: Die Tyrannis der Peisitratiden, in: Aventinus. Die Historische Internetzeitschrift von Studenten für Studenten [Ausgabe 01 - Wintersemester 05/06],
www.aventinus.geschichte.uni-muenchen.de/index.php?ausg=1&id=22&subid=2
[Letzter Aufruf am xx.xx.xxxx]

 

Zarka, Attila

10.09.1977
studiert Mag. AG, BG, VFG seit WiSe 01/02
Chefredakteur von Aventinus

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