Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
  Aus dem Archiv (Ausgabe 02 - Sommersemester 06)
 

Schmid, Alois

 
 

Die bayerische Königspolitik im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit

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Dennoch hat Max Emanuel seine unbefriedigten Erwartungen seinem Sohn Karl Albrecht (1726-1745) weitervererbt[17]. Um alle Möglichkeiten offenzuhalten, hatte er ihn 1722 mit Maria Amalia, der habsburgischen Kaisertochter, verheiratet. Da der Ehe des Kaisers Karl VI. keine Erbprinzen beschert waren, zeichnete sich das Erlöschen des Kaiserhauses in männlicher Linie ab. Deswegen verließ Karl Albrecht mit dem Eintritt in die dreißiger Jahre den schließlich österreichfreundlichen Kurs seines Vaters und begab sich wieder ins Kielwasser der französischen Politik. Er nahm eine äußerst aufwendige Hofhaltung auf. Mit einer  ungezähmten Baupolitik wollte er seine Königs- und Kaiserfähigkeit unter Beweis stellen. Tatsächlich bewunderten auswärtige Beobachter in München einen wahrlich kaiserlichen Hof (imperiale più che ducale). Vor allem begann Karl Albrecht nun gewaltig aufzurüsten. Die dreißiger Jahre sind vom Grundthema der Erwartung des Erbfalles im Hause Habsburg bestimmt. Johann Heinrich von Falckenstein ließ in seiner  "Vollständigen Geschichte der alten, mittlern und neuern Zeiten des großen Herzogthums und ehemaligen Königreichs Bayern" (München 1763) die entscheidenden Begriffe Königreich Bayern durch Rotdruck in Deutlichkeit hervorheben.

In zwei Schritten ging Karl Albrecht sein Fernziel an. Zunächst steuerte er die böhmische Königskrone an. Wirklich wählten ihn die böhmischen  Stände im Dezember 1741 zum König von Böhmen. Daraufhin richtete er den Blick auf die Nachfolge auf dem Kaiserthron. Mit wirkungsvoller Unterstützung Frankreichs konnte er am 24. Januar 1742 auch die Kaiserkrone erringen, die ihm am 12. Februar der Erzbischof von Köln aufs Haupt setzte. Die Feierlichkeiten für den Wittelsbachers waren die prächtigste Kaiserkrönung, die die Krönungsstadt Frankfurt überhaupt erlebte. Zum dritten Mal nach Heinrich II. und Ludwig dem Bayern war ein Herzog aus Bayern auf den Kaiserthron und damit das Haus Wittelsbach an sein Ziel gelangt. Mit unverkennbarem Einsatz nahm sich Karl VII. gerade der Kaiser- und Reichsaufgaben an.  Er gab sich alle Mühe, sich als würdiger Träger der Reichskrone zu erweisen. Das zeigt auch der Blick auf das Gesandtschaftswesen, das er seinem Status entsprechend ohne Rücksicht auf die damit verbundenen Kosten großzügig ausbaute.

Maria Theresia war aber nicht bereit, sich so einfach vom Thron verdrängen zu lassen. Gerade zwei Tage nach dem Frankfurter Krönungsakt nahmen ihre Truppen das Nachbarland Bayern ein und unterwarfen es einer harten Okkupation, die den wittelsbachischen Kaiser ins Exil nach Frankfurt zwang. Mit militärischen Mitteln rang Maria Theresia den Thronrivalen nieder. Klagend schrieb dieser in sein Tagebuch, dass er als Kaiser freudlose Tage in der Fremde ohne Freunde, ohne Truppen und ohne Geld fristen müsse. Das Unternehmen überstieg seine Kräfte.  Als er am 20. Januar 1745 verstarb, hatte er die Aussichtslosigkeit des Vorhabens eingesehen und deswegen in seinen letzten Tagen über Mittelsmänner noch Ausgleichsverhandlungen eingeleitet. Diese führte der Nachfolger Max III. Joseph (1745-1777)[18] fort. Der Friede von Füssen erkannte am 22. April 1745 einerseits das Kaisertum Karl Albrechts an, verlangte aber andererseits vom Nachfolger den Verzicht auf die Kaiserkrone und die wittelsbachischen Kurstimmen für den Gatten Maria Theresias bei der anstehenden Wahl eines Nachfolgers.

Man hat diesen Frieden von Füssen oftmals als endgültige Abkehr Kurbayerns von den bisherigen Großmachtansprüchen und damit entscheidende Wendemarke der wittelsbachischen Außenpolitik im 18. Jahrhundert bezeichnet. Diese Interpretation erscheint beim ersten Zusehen durchaus naheliegend. Wer aber einen Blick in die Aktenüberlieferung wirft, wird sie nicht teilen können. In den hofinternen Papieren wird dieser Friede von Füssen von Anfang an als kapitaler Fehler des jungen Kurfürsten bezeichnet. Da der Vertrag unter dem Druck von Waffen unterzeichnet worden sei, wurde sogar seine Rechtsverbindlichkeit in Frage gestellt. Dementsprechend führte Max III. Joseph in den ersten Wochen nach der Herrschaftsübernahme provokativ den Titel eines Königs von Böhmen und Erzherzogs in Österreich. Mit auffallendem Einsatz übte er das Reichsvikariat des Jahres 1745 aus, das ihm die Wahrnehmung königlicher Kompetenzen zumindest auf Zeit ermöglichte. Er trug sich mit dem für ihn selbstverständlichen Gedanken, trotz des Friedens von Füssen für die anstehende Kaiserwahl erneut wittelsbachische Ansprüche auf eine Kandidatur anzumelden. Dazu erhoffte er die Unterstützung von auswärtigen Mächten, um die ernsthaft verhandelt wurde. Als von dort aber vielen schönen Worten keine Taten folgten, blieb dem jungen Kurfürsten schließlich nichts anderes übrig, als seine Stimme doch  Franz I. zu geben. Das tat er ausgesprochen ungern, geradezu widerwillig und nur unter dem Zwang der Gegebenheiten. Am 13. September wurde Franz I. Stephan mit der Münchner Kurstimme zu Frankfurt zum Römischen Kaiser erhoben und am 4. Oktober auch gekrönt.

 

Fussnote(n):
[17] Peter Cl. HARTMANN, Karl Albrecht - Karl VII. Glücklicher Kurfürst - unglücklicher Kaiser, Regensburg 1985.
[18] Alois SCHMID, Max III. Joseph und die europäischen Mächte. Die Außenpolitik des Kurfürstentums Bayern 1745-1765, München 1987.

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