Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
  Aus dem Archiv (Ausgabe 03 - Wintersemester 06/07)
 

Künstler, Waltraud

 
 

Ciceros orator perfectus – ein realisierbares Rednerideal?

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  Ciceros Werk de oratore


Die Ausbildung des homo novus  Marcus Tullius Cicero, der Verfasser der Schrift de oratore, verband beide Unterrichtskonzepte.  

Cicero [25] wurde im Jahre 106 v. Chr. als Sohn eines Ritters in Arpinum, ca. 100 km südöstlich von Rom gelegen, geboren. Zusammen mit seinem jüngeren Bruder Quintus besuchte er mit großem Erfolg in Rom eine Rednerschule. Beide sahen Crassus und Antonius als Vorbild an. [26] Daneben hörte der junge Cicero auf dem Forum den Rednern zu und ließ sich von Quintus Mucius Scaevola, einem bedeutenden Juristen und Freund seines Vaters, im römischen Privatrecht unterweisen. Nach Beendigung seines Militärdienstes lernte Cicero unter anderem bei den beiden großen griechischen Rednern Apollonios Molon und Philon aus Larissa. [27]

  

Im Jahre 81 v. Chr. begann Ciceros Tätigkeit als Anwalt. Seine Erfolge ermöglichten ihm bald in der Politik Fuß zu fassen. Den Höhepunkt seiner Karriere erreichte er als Konsul 63 v. Chr. mit der Aufdeckung der Verschwörung des Catilina. Die Hinrichtung der Verschwörer ohne Gerichtsverfahren zwang Cicero jedoch, 58 v. Chr. in die Verbannung zu gehen. Nach seiner Rückkehr geriet er in den politischen Wirren der Triumviratszeit zwischen die Fronten. Der Versuch, die res publica zu erhalten, kostete dem homo novus schließlich am 7. Dezember 43 v. Chr. das Leben. [28]

  

Von der Politik enttäuscht, verfasste Cicero in der Zeit von 47 bis 44 v. Chr. eine Vielzahl rhetorischer und philosophischer Schriften, wie zum Beispiel im Jahre 46 v. Chr. Orator und Brutus oder nach dem Tod seiner Tochter Tullia im Jahre 45 v. Chr. Consolatio. [29]

  

Im Jahre 56 oder 55 v. Chr. [30] entstand de oratore. Cicero stellt darin seinem Bruder Quintus die gesamte Redekunst, welche für Cicero universale Bildung, für Quintus aber Talent und Übung voraussetzt, als Dialog eloquentissimorum [31] dar. Achard ist der Auffassung, Ciceros Absicht sei es gewesen, sich selbst ein Denkmal zu setzen und durch die Wiedervereinigung von Rhetorik und Philosophie den orator perfectus zu schaffen [32]. Das Werk wird also als eine verschlüsselte politische Botschaft gesehen [33]. Auf diese politische Komponente wird in dieser Arbeit zu einem späteren Zeitpunkt genauer eingegangen.

  

Die wichtigsten Teilnehmer des Dialogs sind Lucius Licinius Crassus, der das bereits erwähnte Edikt erließ [34], sowie der drei Jahre ältere homo novus [35] Marcus Antonius. Beide standen der Senatspartei, wenn auch nicht von Anfang an, wohlwollend gegenüber [36]. Des Weiteren war ihnen der Erfolg vor Gericht, sowie der daraus resultierende politische Aufstieg gemeinsam.

  

Ein weiterer Teilnehmer tritt im ersten Buch mit dem Augur und Rechtsgelehrten Quintus Mucius Scaevola [37], Anhänger des Scipionenkreises und Konsul des Jahres 117 v. Chr. [38], in Erscheinung.

  

Sah  Crassus seinen Erfolg in der Erlernung des römischen Privatrechts und der griechischen Bildung sowie in der Kenntnis des mos maiorum, so standen bei Antonius die natürliche Begabung und praktische Übung im Vordergrund [39].

  

Publius Sulpicius Rufus und Gaius Aurelius Cotta stehen Crassus bzw. Antonius als Schüler zur Seite [40].

  

Am Gespräch nehmen außerdem der Griechisch sprechende Quintus Lutatius Catulus, und dessen für seinen Witz bekannter Stiefbruder Gaius Julius Caesar Strabo teil [41].

  

Das in drei Bücher gegliederte Werk beginnt mit dem Prooemium Ciceros. Darin stellt Cicero die Absichten seiner Schrift dar und die Dialogpartner vor. Außerdem erfährt der Leser, dass das Gespräch 91 v. Chr. während der ludi Romani in Crassus' Villa in Tusculum stattfindet. Bestimmt wird das erste Buch von einem Lob der Redekunst aus dem Munde Crassus [42] und der Frage, ob die Rede auf Gericht und Politik beschränkt sei oder nicht [43]. Im Gegensatz zu Crassus befürworten Antonius und Scaevola die Beschränkung [44]. Einig sind sich Crassus und Antonius nur darin, dass Talent, Lerneifer und Übung wichtig sind [45]. Crassus glaubt außerdem an die Notwendigkeit der Erlernung aller Kenntnisse [46].

  Im zweiten Buch ist es an Antonius die Redekunst zu loben [47]. Anschließend stellt er die drei Redegattungen dar [48], empfindet das rhetorische System in der Praxis als unpraktikabel [49] und wendet sich schließlich den officia oratoris zu. Nach dem Prooemium des letzten Buches, das diesmal auf die aktuelle politische Lage eingeht [50], behandelt Crassus die noch ausstehenden Aufgaben: Stil, rhetorischer Ausdruck und Ausschmückung, sowie Vortrag der Rede. [51] Durch seine erneute Forderung nach universaler Bildung des Redners ist ein Rückbezug auf das erste Buch zu erkennen. [52] Mit einem kurzen Ausblick in die Zukunft der römischen Beredsamkeit endet der Dialog. [53]
 

Fussnote(n):
[25] Zur Unterscheidung wird Marcus Tullius Cicero mit seinem Cognomen Cicero - der heutzutage geläufige Name - genannt. Sein Bruder wird mit seinem Praenomen Quintus bezeichnet.
[26] Fuhrmann, M., Cicero und die römische Republik. Eine Biographie, München 19993, 13-21.
[27] Fuhrmann, M., Geschichte der römischen Literatur, Stuttgart 1999, 143-144.
[28] Fuhrmann, Geschichte, 144 – 147.
[29] Fuhrmann, Cicero, 220-222.
[30] Clarke, 30 – 31; Fuhrmann, Cicero,157 u. Fantham, 9 – 15.
[31] Cic., De orat., I 23.
[32] Cicero ist bei der Wortstellung inkonsequent. Vgl. Cic., De orat., I 197 u. III 143. Die Arbeit folgt der Wortstellung von attributiv gebrauchten Adjektiven mit objektiver Bestimmung. Vgl. Rubenbauer, H./ Hofmann, J.B., Lateinische Grammatik, München 1989, 327.
[33] Achard, 329.
[34] Clarke, 23.
[35] Fantham, 29.
[36] Cic., De orat., 26 (Einleitung) u. Cic., De orat., I 24.
[37] Cic., De orat., I 39.
[38] Pina Polo, 91 u. Cic., De orat., 28 (Einleitung).
[39] Cic., De orat., I 48; I 234; I 248 u. III 74.
[40] Fantham, 40 u. Cic., De orat., I 25 u.II 88 – 89.
[41] Cic., De orat., II 12 – 13; II 98 u. II 216.
[42] Cic., De orat., I 30 – 34.
[43] Cic., De orat., I 30 – 73.
[44] Cic., De orat., I 260 u. I 35 – 44.
[45] Cic., De orat., I 113 – 159.
[46] Cic., De orat., I 214 – 255 u. I 166 – 203.
[47] Cic., De orat., II 32 – 38.
[48] Cic., De orat., II 40 – 50.
[49] Cic., De orat., II 65 – 84.
[50] Cic., De orat., III 1 – 16.
[51] Cic., De orat., III 37 – 55; III 96 – 143 u. III 148 – 227.
[52] Cic., De orat., III 55 89.
[53] Cic., De orat., III 228 – 230.

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