Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
 

Messinger, Stephan

 
 

Die Suezkrise - und die Konflikte des 20. Jahrhunderts.

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  II. Nahostkonflikt
1. Merkmale des Nahostkonflikts
Unter Nahostkonflikt versteht man den Konflikt zwischen Israel und der arabischen Welt um Palästina, auf das beide Parteien religiöse und historische Ansprüche erheben. Der Konflikt wird zudem ideologisch durch den arabischen Nationalismus und den Zionismus beeinflusst[21]. Israel fühlt sich von seinen arabischen Nachbarn bedroht, die den Verlust arabischen Territoriums an ein nicht arabisches Land nicht tolerieren[22].

2. Die Suezkrise als Nahostkonflikt?
Die Zeit nach dem Waffenstillstandsabkommen von 1949 zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn war nicht durch Frieden geprägt, da die Feindschaft weiter bestand und sich noch steigerte. So waren die israelisch-arabischen Beziehungen geprägt durch Grenzverletzungen, Wirtschaftskrieg und Überfälle[23].
Die von Großbritannien und den USA ab 1952 initiierten Annäherungsversuche zwischen Ägypten und Israel waren gescheitert, da die Westmächte die Geduld mit Nasser verloren hatten, und dieser Hegemonialmachtsziele verfolgte[24].
Israel hatte mehrere Gründe für einen Angriff auf Ägypten. Zum einen sollte durch einen Präventivkrieg das Gleichgewicht der Kräfte im Nahen Osten gewahrt bleiben[25]. Dieses sah Israel durch die gehäufte Einführung moderner Waffen bei den ägyptischen Streitkräften, insbesondere nach den Waffenkäufen in der Tschechoslowakei, bedroht[26]. Sie veranlassten Israel zu einer Aufrüstung der eigenen Streitkräfte mit französischen Waffen. Israel hatte zuvor Schwierigkeiten gehabt Waffenkäufe zu tätigen, da das britisch-amerikanisch-französische „Tripartie“-Abkommen den Fluss an westlichen Waffen in den Nahen und Mittleren Osten begrenzte[27]. Nassers Drohungen Israel von der Landkarte zu tilgen, verstärkten zudem den Willen gegen Ägypten vorzugehen[28]. Die Drohungen gegenüber Israel entsprangen dem radikalen arabischen Nationalismus und dem Wunsch nach der arabischen Führungsrolle bei Nasser[29]. Weitere Gründe waren die ägyptische Blockade der israelischen Seefahrtswege und die immer zahlreicher werdenden Übergriffe ägyptischer Fidaiyyun[30].
Aufgrund der gezeigten arabisch-israelischen Gegensätze war die Suezkrise auch ein Nahostkonflikt.

III. Ostwestkonflikt
1. Merkmale des Ostwestkonflikts
Kennzeichen des Ostwestkonflikts ist die Blockbildung in zwei Lager, die sowohl militärisch und machtpolitisch als auch ökonomisch und ideologisch konkurrieren[31]. Die westliche Seite wird von den USA angeführt, während die Sowjetunion das östliche Lager dominiert. Diese Phase der Bipolarität prägte die internationale Politik nach Ende des zweiten Weltkriegs vierzig Jahre lang und wird auch „Kalter Krieg“ genannt[32].
2. Die Suezkrise als Ostwestkonflikt?
Die Bezeichnung der Suezkrise als Ostwestkonflikt ist problematisch. Einerseits kämpften zwar zwei Staaten der westlichen Allianz gegen ein vom Warschauer Pakt unterstütztes Land. Anderseits fehlte die direkte Beteiligung am Konflikt durch die Führungsmächte der Blöcke USA und Sowjetunion. Diese jedoch erzielten mit erheblichen Druck die Beilegung der Krise: So drohte der sowjetische Marschall mit Atomschlägen gegen London und Paris[33], während die Vereinigten Staaten Großbritannien Wirtschaftshilfe nur gewähren würden, wenn es die Kampfhandlungen einstelle[34].
Unbeteiligt waren die beiden Führungsmächte jedoch nicht. Die Sowjetunion versuchte mit den tschechoslowakischen Waffenverkäufen in der Region Fuß zu fassen[35]. Die Vereinigten Staaten und Großbritannien arbeiteten bislang im Mittleren Osten zusammen[36]. Großbritannien war dabei auf die Unterstützung der USA angewiesen[37]. Die Vereinigten Staaten lehnten es jedoch ab wegen der ägyptisch-irakischen Rivalität und dem Druck auf Jordanien, dem Bagdadpakt beizutreten[38]. Weiterhin stand die amerikanische Politik im Spagat die engen Beziehungen zu den Nato-Partnern Frankreich und Großbritannien zu wahren, während sie andererseits versuchte die Entkolonialisierung zu fördern[39]. Es lag nicht im amerikanischen Interesse, britische Kolonialinteressen zu verteidigen[40]. Im Vorfeld der Krise hatten die Vereinigten Staaten und Großbritannien aber eng zusammengearbeitet. Sie hatten den Annäherungsversuch zwischen Israel und Ägypten angestoßen, und die Finanzierung des Assuanstaudamms bis zum Abschluss der ägyptischen Waffenkäufe unterstützt[41]. Die Waffenkäufe änderten die Haltung zu Ägypten.
W. Scott Lucas betitelt sein Buch über das Verhältnis der USA und Großbritannien während der Suezkrise mit „Divided we stand“. Dieser Titel ist sehr treffend, denn Großbritannien und die USA unterschieden sich grundlegend im Umgang mit Ägypten. So suchte Großbritannien die militärische Konfrontation, während die USA Nasser durch diplomatischen und wirtschaftlichen Druck begegnen wollten[42]. Ein prägendes Element der Einheit im westlichen Bündnis – die „special relationship“- zwischen den beiden Staaten war also zeitweise stark beeinträchtigt. Die Suezkrise stellt das tiefste Zerwürfnis zwischen dem Vereinigten Königreich und den USA in der Nachkriegszeit dar. Aufgrund der fehlenden Einheit im westlichen Bündnis ist es also fraglich, ob es sich bei der Suezkrise um einen Ostwestkonflikt handelt.
 

Fussnote(n):
[21] Trautner, Nahost, S. 14-15.
[22] Trautner, Nahost, S. 16.
[23] Herzog, Suez-Sinai Campaign, S. 3.
[24] Shamir, Project Alpha, S. 99-100.
[25] Bar-On, Sèvres Collusion, S. 147.
[26] Troen, War of No Alternative, S. 181.
[27] Hurewitz, Historical Context, S. 27.
[28] Troen, War of No Alternative, S. 185, 188.
[29] Herzog, Suez-Sinai Campaign, S. 3.
[30] Troen, War of No Alternative, S.181. Fidaiyyun sind arabische paramilitärische Kräfte.
[31] Görtemaker, Unheilige Allianz, S. 29. Ebenso: Smith/Davis, Cold War, S. 42.
[32] Smith/Davis, Cold War, S. 39.
[33] Golan, Soviet Union, S. 277.
[34] Dunbabin, Post-Imperial-Age, S. 292.
[35] Dunbabin, Post-Imperial-Age, S. 277.
[36] Dunbabin, Post-Imperial-Age, S. 279.
[37] Lucas, Divided, S. 324.
[38] Bowie, Eisenhower, S. 191.
[39] Atherton, United States, S. 268.
[40] Campbell, Twin Crises, S. 235.
[41] Bowie, Eisenhower, S. 191.
[42] Atherton, United States, S. 269.

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