Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
  Aus dem Archiv (Ausgabe 01 - Wintersemester 05/06)
 

Fischer, Mark-Oliver

 
 

Hisarlik und Troia

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  Doch die Ausgräber glauben, noch weitere Übereinstimmungen zwischenliterarischem Werk und archäologischem Befund nachweisen zu können.  

  Gegen Ende der Ilias, als Achill Hektor um die Stadt jagt, beschreibt Homer eine Brunnenanlage ausserhalb der Stadt, an welcher die Kontrahenten vorbei jagen. Diese Brunnenanlage bzw. Waschstätte, wird laut Homer aus zwei nahegelegenen Quellen des Skamander - einer kalten und einer warmen - gespeist.  

  Die Quellen des Skamander befinden sich zwar tatsächlich Kilometer von Troia entfernt im Idagebirge, aber es gibt ein von Menschenhand in den Burgberg getriebenen Höhlensystem, das als 'Wasserbergwerk' diente. Aus der Höhle fliesst das Quellwasser in mehrere im Boden eingelassene Becken, die Korfmann mit den homerischen Waschgruben identifiziert: "Ohne weiteres kann man diese Stelle als einen Waschplatz bezeichnen".[6] Neueste radiometrische Methoden scheinen zu beweisen, dass jene Anlage schon im 3. Jahrtausend v. Chr. angelegt, und auch noch im römischen Ilion (Troia IX) verwendet wurde. Diese Quellenanlage könnte Homer also zumindest inspiriert haben.  

  Allerdings hält sich die Ähnlichkeit der bei Homer beschriebenen Anlage mit der tatsächlich gefundenen doch sehr in Grenzen. Es gibt eben keinen Abfluß in Richtung Skamander, umgekehrt weist Homers Text nicht auf eine künstlich angelegte, sondern eine natürlich sprudelnde Quelle hin. Auch liefert der Befund keine zwei Quellen, und erst recht nicht eine warme und eine kalte. Solche Quellen finden sich aber im Idagebirge, am Ursprungsort des Skamander. Diese Quellen könnte Homer also aus poetischen Gesichtspunkten in die Nähe der Stadt verlegt haben.  

  Bisher habe ich versucht, anhand einzelner Bauwerke zu vergleichen, inwieweit sich Übereinstimmungen zwischen den Schilderungen in der Ilias und den Interpretationen der archäologischen Befunde finden lassen. Aber im Kern ist Homers Epos die Erzählung von einer belagerten und umkämpften Stadt. Und für diese Belagerung sollten sich archäologische Beweise finden lassen, falls man von einem 'historischen Kern' der Sage ausgeht.  

  Typische Beweise für Belagerungen sind Knochen- und Waffenfunde - vorallem Speer- und Pfeilspitzen als 'Einweggüter' finden sich üblicherweise. So wurden zum Beispiel in Alt-Paphos auf Zypern, das 497 von den Persern zerstört wurde, über 500 verschiedene Waffenreste gefunden, obwohl die Stadt später wieder besiedelt und damit überbaut wurde. Und bei Lakisch in Israel fand man ein Massengrab mit an die 2000 Skeletten, die von Kämpfen mit den Babyloniern um 587 zeugen.  

  Doch in der archäologischen Schicht Troias, die zeitlich am ehesten mit den homerischen Beschreibungen übereinstimmt - Troia VIIa - fand man nur drei bronzene Pfeilspitzen, einige Reste von Schädeln und anderen Knochen, sowie ein Skelett mit zerschmettertem Schädel.  

  Im Ausstellungskatalog lautet die Interpretation, die Siedlung wurde "offensichtlich durch ein kriegerisches Ereignis zerstört", was an "zahlreichen" Waffenfunden belegt sei, ausserdem habe man "mehrere Tote" gefunden.[7]  

  Für die 'Zweifler' ist diese Fundlage viel zu wenig umfangreich, um ein kriegerisches Ende von Troia VIIa für sicher zu halten. So seien die Knochenfunde zu gering, weisen keine eindeutigen Spuren von Waffenverursachter Verletzungen auf, und könnten genausogut die Überreste von Trümmern Erschlagener darstellen - die Siedlung möglicherweise durch ein Erdbeben oder Großbrand zerstört worden sein. Weiterhin finden sich ausgerechnet an den Stellen der Stadt, die aus strategischen Gesichtspunkten die am heissesten umkämpften gewesen sein dürften, kaum Waffen- oder Knochenfunde, auch in gut erhaltenen Schichten Zerstörungsschutts.  

Fussnote(n):
[6] Korfmann, Manfred: Wilusa/(W)Ilios ca. 1200 v. Chr. - Ilion ca. 700 v. Chr. In: Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg u.A. (Hrsg.): Troia. Traum und Wirklichkeit. [Begleitband zur Ausstellung "Troia - Traum und Wirklichkeit"] Stuttgart2 2001, S.74-76.
[7] Ralf Becks und Diane Thumm: Untergang der Stadt in der Frühen Eisenzeit. Das Ende aus archäologischer Sicht. In: Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg u.A. (Hrsg.): Troia. Traum und Wirklichkeit. [Begleitband zur Ausstellung "Troia - Traum und Wirklichkeit"] Stuttgart 22001, S. 419-424, hier S. 419.

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