Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
 

Messinger, Stephan

 
 

Die Suezkrise - und die Konflikte des 20. Jahrhunderts.

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  Es ist nun wichtig, auf das Verhalten der Supermächte während der Krise einzugehen. Dadurch lässt sich endgültig bewerten, ob die Suezkrise auch ein Ostwestkonflikt ist.
Während der Suezkrise verfolgte die Sowjetunion mehrere Ziele. Zum einen sollte die westliche Dominanz im Orient durch eine pro-ägyptische Politik gebrochen werden. Durch diese pro-ägyptische Politik sollten die arabischen Staaten auf die sowjetische Seite gezogen werden. Zum anderen sollten Großbritannien, der Westen und damit auch die USA diskreditiert werden[43]. Hierzu stützte die Sowjetunion die ägyptische Währung und half mit Lotsen, den Betrieb des Suezkanals aufrecht zu erhalten. Darüber hinaus drohte sie London und Paris mit Atomschlägen[44]. Die ideologischen Ziele der Sowjetunion spielten ebenso eine große Rolle. Die kommunistische Ideologie der Sowjetunion sah vor, die kolonial bestimmten Völker in ihrem Unabhängigkeitskampf zu unterstützen[45]. Aus den jungen Staaten sollten Volksdemokratien nach sowjetischem Modell entstehen[46]. Die Sowjetunion betrachtete die Suezkrise unter den Bedingungen des Ostwestkonflikts, da man in Moskau lange glaubte, Frankreich und Großbritannien würden mit amerikanischer Unterstützung handeln. In der Suezintervention sah die Sowjetunion eine Provokation durch den Westen, während die eigenen Kräfte sich auf den parallel ablaufenden Ungarnaufstand konzentrierten[47].
Die USA missbilligten die Intervention am Suezkanal, weil ihre Handlungsfähigkeit in Ungarn und somit im Ostblock eingeschränkt wurde[48]. Weiterhin fürchteten die Vereinigten Staaten durch Teilnahme an der Suezintervention, die gesamte islamische Welt gegen sich zu haben[49], was im globalen Ringen der Blöcke um Einfluss in der Welt während des Kalten Krieges nicht erstrebenswert war. Allerdings waren Teile des Senats und der führenden amerikanischen Militärs für eine Intervention in Ägypten[50]. Zudem erfolge 1957 als eine Reaktion auf die Suezkrise mit der Eisenhower-Doktrin eine Neuausrichtung der amerikanischen Orientpolitik. Diese sah ein stärkeres amerikanisches Engagement vor, um dem Machtverlust des Westens in der arabischen Welt entgegenzutreten. Die Gründe hierfür sind im Ostwestkonflikt zu sehen[51].
Sowohl die Vereinigten Staaten als auch die Sowjetunion nutzten die Suezkrise und den Ungarnaufstand propagandistisch aus, um ein schlechtes Bild der Gegenseite zu zeichnen und sich selbst als Garant von Unabhängigkeit zu zeigen[52]. Diese Rhetorik ist typisch für die Zeit des Kalten Krieges.
Obgleich die Supermächte nicht direkt an dem Konflikt teilnahmen, waren sie doch indirekt involviert. Sie verfolgten beide Interessen in der Region um Suez, maßen der Region eine entscheidende geostrategische und wirtschaftliche Bedeutung bei und nutzten die Krise für ihr politisches Prestige. Besonders hätte ein militärisches Vorgehen der Sowjetunion gegen die westeuropäischen Partner der USA Krieg zwischen den beiden Blöcken bedeutet. Überhaupt war jede größere Krise während des Kalten Krieges auch von Bedeutung für den Erhalt des Friedens und des Kräftegleichgewichts zwischen den Blöcken[53].
So ist es folgerichtig, die Suezkrise als Teil des Ostwestkonflikts zu betrachten, da sie zudem auch Merkmale des Ostwestkonflikts aufweist.

C. Schluss
Zu Beginn dieses Aufsatzes wurde die Frage nach der Einordnung der Suezkrise gestellt. Der Aufsatz sollte zigen, ob die Suezkrise ein Entkolonialisierungs-, ein Nahost- und ein Ostwestkonflikt sei. Abschließend betrachtet lässt sich die Suezkrise unter jeden dieser Konflikte einordnen.
Das ägyptische Streben nach wirtschaftlicher und politischer Unabhängigkeit und Führerschaft im arabischen Raum, das in der Verstaatlichung des Suezkanals mündete, bedrohte die britische und französische Machtstellung, die noch aus kolonialer Zeit resultierte. Die beiden Kolonialmächte versuchten ihre Stellung zu bewahren. Die Suezkrise lässt sich daher als Entkolonialisierungskonflikt einordnen.
Die Zeit der Suezkrise war geprägt durch massive Spannungen zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn insbesondere Ägypten. Das ägyptische Hegemonialstreben und die Vernichtungsrhetorik führten zur israelischen Entscheidung, einen Präventionskrieg gegen Ägypten gemeinsam mit Großbritannien und Frankreich zu führen. So handelte es sich bei der Suezkrise auch um einen Nahostkonflikt.
Die Suezkrise war auch Teil des Ostwestkonflikts. Zwar waren beide Supermächte nicht direkt beteiligt, jedoch war die Suezregion von großem wirtschaftlichem und strategischem Interesse für beide Blöcke. Darüber hinaus nahmen an der Suezintervention zwei wichtige Mitglieder des westlichen Bündnisses teil. Spätestens das an Großbritannien und Frankreich gerichtete sowjetische Ultimatum mit Androhung des Einsatzes von Kernwaffen ist der Beleg für einen Ostwestkonflikt in der Suezkrise, da dies eine direkte Bedrohung für den Westen war. Überhaupt hatte die Suezkrise eine globale Bedeutung für das Gleichgewicht zwischen den Blöcken. Es ist angebracht, die Suezkrise als Ostwestkonflikt zu verstehen.
Die Suezkrise hatte entscheidende Bedeutungen für die späteren politischen Entwicklungen. Der englische Löwe zog sich aus dem Orient nicht mit einem Brüllen sondern mit Wimmern zurück[54]. Die Suezkrise beschleunigte die Auflösung der britischen und französischen Kolonialreiche. Deren Platz nahmen die Supermächte ein, indem sie versuchten, die Staaten der Region an sich zu binden[55]. Der Konflikt zwischen Israel und den Arabern schwelte weiter. Frankreich schied aus der militärischen Struktur der NATO aus und blieb nur noch ein politisches Mitglied. Es versuchte eine eigenständige Sicherheitspolitik zu betreiben[56]. Großbritannien hingegen band sich noch enger an die Vereinigten Staaten[57].
D.Anmerkungen
 

Fussnote(n):
[43] Golan, Soviet Union, S. 276.
[44] Golan, Soviet Union, S. 277-278.
[45] Ruehl, Russland, S. 502.
[46] Voslensky, Nomenklatura, S. 434.
[47] Golan, Soviet Union, S. 276-277.
[48] Campbell, Twin Crises, S. 235.
[49] Dunbabin, Post-Imperial-Age, S. 281.
[50] Bowie, Eisenhower, S. 191; ebenso: Dunbabin, Post-Imperial-Age, S. 281.
[51] Dunbabin, Post-Imperial-Age, S. 297.
[52] Campbell, Twin Crises, S. 252.
[53] Campbell, Twin Crises, S. 231.
[54] Lucas, Divided, S. 330.
[55] Troen/Shemesh, Preface, S. xi.
[56] Watson, Aftermath, S. 344.
[57] Lucas, Divided, S. 330.

 
Empfohlene Zitierweise:

Messinger, Stephan: Die Suezkrise - und die Konflikte des 20. Jahrhunderts., in: Aventinus. Die Historische Internetzeitschrift von Studenten für Studenten [Ausgabe 04 - Wintersemester 07/08],
www.aventinus.geschichte.uni-muenchen.de/index.php?ausg=4&id=83&subid=70
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