Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
  Aus dem Archiv (Ausgabe 03 - Wintersemester 06/07)
 

Fischer, Mark-Oliver

 
 

Die Kurfürsten der dreieinhalb Jahre.
Die Einführung neuer Kurfürstentümer im Reichsdeputationshauptschluß.

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Probleme mit der neuen Kur

Tatsächlich führte die neuen Würden aber auch zu neuen Problemen, welche die neuen Kurfürsten und die einschlägige zeitgenössische Literatur beschäftigen. So war die Rangfolge der Kurfürsten untereinander nicht eindeutig geklärt. Nach dem RDH sollten die 'Neulinge' „in Ansehung des Ranges unter sich, nach den im Fürstenrathe bestehenden Strophen alterniren"[13] doch besaß Salzburg keinen Sitz im Fürstenrat, der Artikel im RDH war also nicht eindeutig und bot Möglichkeiten zu Rangstreitigkeiten. Auch hatte er es versäumt, den neuen Kurfürsten ein Erzamt zuzuweisen, auf das sie aber nach der 'Goldenen Bulle' ein Anrecht besaßen. Dies führte zu einiger Diskussion in der zeitgenössischen Literatur, die Autoren überboten sich mit dem Erfinden von – teilweise recht skurrilen – Vorschlägen für neue Erzämter, wie zum Beispiel einem „Erzfeyerkleidermeister“.[14] Welche Bedeutung diese rein zeremoniellen Ämter für ihre Träger hatten, zeigt auch ein früherer Streit um ein Erzamt. Bei seiner Kurerhebung hatte Braunschweig-Lüneburg den Anspruch auf das neu geschaffene 'Reichserzbanneramt' erhalten. Dies führte aber zu Verstimmungen mit Württemberg, das den Titel 'Reichsbannerherrnamt' (aber nicht als Erzamt) führte. Zwar konnte man sich hier 1710 einigen, als Hannover das freigewordene pfälzische 'Erzschatzmeisteramt' übernahm, aber auch Sachsen hatte Probleme mit dem württembergischen Amt, da man eine Einschränkung des eigenen Erzmarschallamtes fürchtete.[15]
 

 

Nach dem Ende (des Reiches)

Doch wie sah die Situation der neuen Kurfürsten nach dem Ende des Reiches aus? War ihnen nur ein kurzes Glück in der 'ersten Liga' des Reiches bestimmt oder nutzten sie ihre Position als Sprungbrett für die Zeit nach dem Reich?

Nach den Gebietsgewinnen, die mit der badischen Kurwürde einher gingen – mit Teilen der Pfalz, und der Bistümer Konstanz, Basel, Straßburg und Speyer immerhin das Siebenfache der linksrheinisch verlorenen Gebiete – konnte sich Baden 1805 im 'Frieden von Preßburg', der den 3. Koalitionskrieg beendete, noch den Breisgau, die Ortenau und die Stadt Konstanz sichern. Karl Friedrich nahm den Titel eines Großherzogs an und schloss sich mit Bayern und Württemberg im Rheinbund gegen das Reich zusammen.

Der habsburgische Erzherzog, der Salzburg als Entschädigung für die Toskana erhalten hatte, blieb dort nur für zwei Jahre. Im 'Frieden von Preßburg' verlor Österreich zahlreiche Gebiete an Bayern (unter anderem Tirol) und wurde dafür mit Berchtesgarden, Reichenhall und Salzburg entschädigt. Die gerade erst geschaffene Kurwürde wurde nach Würzburg verlegt. Damit war der Ländertausch aber noch nicht beendet, denn 1810 fiel Salzburg an Bayern, das es aber 1816 wieder an Österreich zurückgeben musste. Und auch Würzburg ging dem Erzherzog bald wieder verloren, als es 1814 Bayern angeschlossen wurde.

Kurfürst Friedrich von Württemberg nutzte den Erwerb der Kurwürde und neuer Gebiete zu weitreichenden inneren Reformen, mit direkt ihm unterstellten Ministerien und weitreichender Ausschaltung der Stände. Als einer der drei Rheinbundfürsten löste er sich 1806 vom Reich und wurde darauf von Napoleon – wie Bayern – mit der Königskrone bedacht. Nach dem Sturz Napoleons nutzte Friedrich seine Position, um auf dem Wiener Kongress eine mögliche Wiedereinsetzung des österreichischen auch als deutschen Kaiser zu verhindern. Nur das ihm zustehende Erzamt hatte Württemberg auf Grund sächsischer Proteste nie verliehen bekommen. Ein vergleichsweise kleiner Wermutstropfen.

Wilhelm IX. von Hessen-Kassel, der sich jetzt Wilhelm I. von Kurhessen nannte, hatte mit der Kurwürde ein langfristiges Ziel seiner Außenpolitik und der seiner Vorgänger erreicht, konnte sich daran aber weit weniger erfreuen als die anderen Neuen. Territorial war Hessen-Kassel nur mit einzelnen Mainzer Gebieten entschädigt worden, die die eigene Machtbasis nicht verbesserten.
So konnte man in Kassel den französischen Truppen im 3. Koalitionskrieg nicht mehr viel entgegen setzen. Kurhessen wurde besetzt und ging vollständig in dem neuen Königreich Westfalen auf, Wilhelm musste nach Prag ins Exil flüchten. Zwar konnte er 1813, nach dem Napoleon endgültig besiegt war, nach Kassel zurückkehren, er spielte aber in Deutschland kaum noch eine Rolle. So blieb er als tragische Gestalt zurück, die noch bis zur Gründung des Deutschen Reichs den Titel Kurfürst trug, ohne das dieser noch eine Bedeutung gehabt hätte.
 

 

Letzte Gedanken

Die Rangerhöhung zu Kurfürsten war also nur von kurzer Dauer, aber keineswegs ohne Bedeutung. Wer seine Karten richtig spielte, konnte die neue Würde als Sprungbrett zum Königstitel nutzen, wer dies nicht tat, scheinbar am Ziel aller Wünsche in Bedeutungslosigkeit versinken.

Zur Frage nach der Erkennbarkeit des Reichsendes – die hier nur implizit behandelt wurde – legt die Diskussion um neue Erzämter und die Rangfolge im Kurkolleg – in der Publizistik in aller Ausführlichkeit geführt –, den Schluss nahe, dass zumindest für die Bevölkerung des Reichs, und wahrscheinlich auch für die kleineren Fürsten und Kurfürsten, das nahende Ende nicht in letzter Konsequenz vorauszusehen war.

Hier gar nicht verfolgt wurde die Frage nach Alternativen zur Auflösung des Reiches. Dazu sei zum Schluss nur noch auf zwei Werke verwiesen, welche die Möglichkeit eines protestantischen Kaisers,[16] oder gar eines Deutschen Kaisers Napoleon,[17] behandeln.
 

Fussnote(n):
[13] RDH, § 31. In: Zeumer: Quellensammlung. S. 520f.
[14] Johann Ludwig Klüber: Über Einführung, Rang, Erzämter, Titel Wappenzeichen und Wartschilde der neuen Kurfürsten. Kommentar und Supplement zu dem 31. § des Reichsdeputationshauptschluss vom 25.Februar 1803. Erlangen 1803.
[15] Ausschließlich mit der Frage des Reichsbannerstreits beschäftigt sich Wolfgang Burr: Die Reichssturmfahne und der Streit um die hannoversche Kurwürde. In: Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte 27 (1968). S. 245-316.
[16] Heinz Duchhardt: Protestantisches Kaisertum und Altes Reich. Die Diskussion über die Konfession des Kaisers in Politik, Publizistik und Staatsrecht (= Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, Bd. 87: Abt. Universalgeschichte) (= Beiträge zur Sozial- und Verfassungsgeschichte des Alten Reiches, Nr. 1). Wiesbaden 1977.
[17] Helmuth Rössler: Napoleons Griff nach der Karlskrone. Das Ende des Alten Reiches 1806 (= Janus-Bücher. Berichte zu Weltgeschichte, Bd. 3). München 1957.

 
Empfohlene Zitierweise:

Fischer, Mark-Oliver: Die Kurfürsten der dreieinhalb Jahre. Die Einführung neuer Kurfürstentümer im Reichsdeputationshauptschluß., in: Aventinus. Die Historische Internetzeitschrift von Studenten für Studenten [Ausgabe 03 - Wintersemester 06/07],
www.aventinus.geschichte.uni-muenchen.de/index.php?ausg=3&id=54&subid=49
[Letzter Aufruf am xx.xx.xxxx]

 

Fischer, Mark-Oliver

26.07.1981
studiert auf Magister NNG, MAG, PW seit WiSe 02/03

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