Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
  Aus dem Archiv (Ausgabe 02 - Sommersemester 06)
 

Dettenhofer, Maria H.

 
 

Basisdemokratie und politische Verantwortung
Denkanstösse aus dem klassischen Athen[*]

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  Denn für einen Volksbeschluss bedurfte es der Initiative des Rates. Neben der Versammlung des Volkes und der Vorbereitung von Volksbeschlüssen, also der Aufgabe, dem Souverän Anträge zur Entscheidung vorzulegen, kontrollierte der Rat den Staatsapparat und nahm von allen Bürgern Anträge und Berichte entgegen. Überhaupt war dieser Rat, die Boulé, für alle denkbaren Gegenstände politischen Handelns zuständig. Dazu zählten unter anderen auch die Beratung und Beaufsichtigung der öffentlichen Amtsträger, die beaufsichtigende Tätigkeit in der militärischen Administration und die Mitwirkung in der Außenpolitik durch das Empfangen von Gesandtschaften. Der Rat der Athener war die Mitte aller staatlichen Geschäfte.[10]
Die Boulé bestand aus 500 Männern, die alljährlich neu gewählt werden mussten. Maximal zwei Mal im Leben durfte ein Athener Ratsherr sein, wobei die Kontinuation einer Amtsperiode jedoch nicht erlaubt war, lediglich eben die einmalige Iteration. Von einem Wahlverfahren zur Bestellung der Bouleuten schritt man schließlich zu einem Losverfahren aus den Reihen der berechtigten Bürger, d. h. der Bürger, die über 30 waren und zu einer der drei definierten Zensusklassen gehörten. Männer, die unter einem jährlichen Mindesteinkommen blieben, die so genannten Theten, durften zwar in der Volksversammlung abstimmen, konnten, man könnte aber auch formulieren: mussten, jedoch kein Amt bekleiden. Bei den Zensusgrenzen, die allerdings niedrig bemessen waren, wie übrigens generell in allen antiken Gemeinwesen, spielte die Vorstellung von der persönlichen Verantwortung im Sinne persönlicher Haftung des Politikers nämlich eine entscheidende Rolle. Allerdings wurde eine offizielle Prüfung der Zensusklasse vor der Losung nicht vorgenommen; es genügte die einfache Erklärung des Bewerbers, den Zensus zu erfüllen,[11] so dass im Verlauf mehrer Jahrzehnte der Demokratie faktisch auch Theten, athenische Bürger, die auch den Mindestzensus nicht erreichten, im Rat gesessen haben werden.
Überhaupt dürfte nahezu jeder athenische Mann, es sei denn, er blieb nach seiner eigenen Erklärung nach immer Thete, im Laufe seines Lebens wenigstens einmal öffentlicher Geschäftsträger gewesen sein, da alljährlich 600 Ämter zur Verfügung standen und nur Männer über 30 gewählt bzw. gelost werden durften.
 

Fussnote(n):
[10] Jochen Bleicken, Die athenische Demokratie (Anm. 6) S. 201-203.
[11] Aristoteles, Athenaion Politeia, 7,4.

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