Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
  Aus dem Archiv (Ausgabe 01 - Wintersemester 05/06)
 

Blum, Wilhelm

 
 

Thysdrus (El Djem): Aufstieg und Fall einer Provinzstadt in Afrika [*]

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Vorbemerkung

 
  Das größte Monument der Römer, das sich auf dem Boden Afrikas erhalten hat, ist das Amphitheater von El Djem. Die Stadt El Djem liegt rund 170km südlich der Hauptstadt Tunis, direkt an der wichtigsten Fernstraße (GP 1) sowie an der bedeutendsten Bahnlinie Tunesiens, nämlich an der Verbindung von Tunis über Sousse (das römische Hadrumentum), Ek Djemnach Sfax - Gabès und weiter in den Süden. Tausende von Touristen besuchen Jahr für Jahr das Amphitheater, doch nur die wenigsten sind sich der Geschichte und Bedeutung dieser Stadt im Altertum bewusst. Der vorliegende Beitrag will ein Licht auf die historische Entwicklung der Stadt Thysdrus seit Cäsar werfen, vielleicht kann so auch ein Zugang zuder Bedeutung Afrikas in der Kaiserzeit geschaffen werden.  

 

1. Thysdrus zur Zeit Cäsars

 
  Im Jahre 146 v.Chr. war Karthago völlig zerstört worden, in den Jahren 111 bis 105 hatte der Krieg Roms gegen Jugurtha stattgefunden: Zu beiden Anlässen wird die Stadt Thysdrus nicht erwähnt, wiewohl sie gewiss schon existiert hat. Nach 146 gab es (trotz der Jugurthinischen Krieges) keine eigene Afrika-Politik Roms, das änderte sich genau 100 Jahre nach dem Fall Karthagos mit der Ankunft Cäsars in Nordafrika: Auf dem Boden Afrikas fiel die endgültige Entscheidung zwischen Cäsar und seinen innenpolitischen (!) Gegnern, den Anhängern des Pompejus des Großen, der allerdings schon am 28. September 48 in Ägypten ums Leben gebracht worden war.
Ende des Jahres 47 landet Cäsar in Afrika, er schlägt sein Lager in Ruspina (dem heutigen Monastir) auf. In diesem Zusammenhang wird die Stadt Thysadrus zum ersten Mal in der Literatur erwähnt, nämlich im "Bellum Africanum", das lange Zeit zu Unrecht als ein authentisches Schrift Cäsars angesehen wurde. Hier heißt es: "Es kamen zu Cäsar Gesandte aus der Stadt Thisdra [1], wo 300 000 Scheffel Weizen von Kaufleuten aus Italien und staatliche anerkannten Landpächtern gehortet worden waren. Diese Gesandten teilen Cäsar mit, wie groß die Getreidemenge ist, die bei ihnen gelagert wurde, und bitten ihn zugleich um die Entstendung einer Schutztruppe, um so das Getreide, aber auch die eigenen Soldaten besser schützen zu können". [2] Die Stadt Thysdrus wollte also zweifellos mit Cäsar zusammenarbeiten, ja sie biederte sich ihm geradezu an: Der Grund dafür ist wohl der, dass sie sich von Cäsars Schutz vor Plünderungen und Überfällen aller Art erhoffte; solche Überfälle und Angriffe aber waren von den Pompejanern durchgeführt worden, deren Protagonisten Cato von der Stadt Utica aus die Herrschaft zu erringen suchte und sich deshalb mit Juba L., dem König der Numider, verbündet hatte. Cäsar aber konnte oder wollte das Angebot der Stadt Thysdrus nicht annehmen, sollte es jedoch keineswegs aus seinem Gedächtnis verlieren.
 

  Die fehlende Unterstützung durch Cäsar führte jedoch in Bälde dazu, dass sich ein Befehlshaber der Pompejaner namens Considius der Stadt Thysdrus bemächtigt hatte, wobei ihm die bewaffnete Banden [3] zur Seite standen. Cäsar hatte eigentlich die Stadt belagern und erobern wollen, dann aber doch zunächst davon Abstand genommen [4] und war weitergezogen. Doch dieser Entschluss muss ihn schnell gereut haben, denn bald danach ließ er [5] zwei Legionen unter Cn. Domitius zur Belagerung der Stadt antreten. Diese geballte militärischen Macht ließ Considius, der es sich in der Stadt recht bequem gemacht hatte, erschaudern: Gleich, ob er von Cäsars Sieg bei Thapsus am 6. April 46 gehört hatte oder nicht, er verließ heimlich die Stadt und "verschwand gemeinsam mit einigen wenigen Barbaren, die Taschen voller Geld". [6] Dass er dieses Geld in Thysdrus zusammengestohlen hatte, steht außer Frage, auch wenn der Verfasser des "Bellum Africum" es nicht ausdrücklich erwähnt: Thysdrus war eben schon in den Jahren 47/46 eine wohlhabende Stadt. Considius wurde kurz danach von seinen eigenen Spießgesellen umgebracht, Cato aber gab sich in Utica selbst den Tod. [7] Cäsar hatte also auf der ganzen Linie gesiegt und begann sofort mit der Neuordnung Afrikas - "das lateinische Afrika ist nicht viel weniger sein Werk als das lateinische Gallien" (Th. Mommsen) -, errichtete die Provinz Africa Nova und setzte als deren ersten Gouverneur seinen Anhänger Sallust ein. Im Zuge dieser Neuordnung wurden auch einige Städte wie Thapsus, Hadrumetum und Leptis wegen ihrer Kollaborationen mit Juba und den Pompejanern mit empfindlichen Geldbußen belegt, "die Bewohner der Stadt Thysdra aber bestraft(e) er nur mit einer kleinen Menge von Getreide, und zwar wegen der Unterwürfigkeit dieser Stadt" [8]: Cäsar hatte sich ganz gewiss der Gesandtschaft entsonnen, die Thysdrus vor noch nicht einem Jahr an ihn geschickt hatte, mit der diese Stadt ihre Unterwerfung unter Cäsar bewiesen sowie seine Hilfe erbeten hatte [9], daher bestrafte er diese so gering wie nur irgend möglich.  

Fussnote(n):
[*] Mit freundlicher Genehmigung vom Herrn Dr. Blum abgedruckt. Der Aufsatz ist entnommen aus: Wilhelm Blum. Humanistische Reisen. München. 2002.
[1] Die Überlieferten Namen variieren sehr stark, so ist beispielsweise überliefert: Thysdrus, Tisdra, Tysdra, Tusdra ja sogar Thiristum oder Thiristus
[2] Bell. Afr. 36,2.
[3] Bell. Afr. 76, 1. Hier ist gesprochen von einer cohors glaiatorum.
[4] Bell. Afr. 76, 2.
[5] Bell. Afr. 86, 3.
[6] Bell. Afr. 93, 1-2.
[7] Exkurs: Eines der vielen Zeichen für das hohe Ansehen und die Wertschätzung des Cato Uticensis in der Folgezeit ist, dass Dante diesen Cato nicht in der Hölle der Selbstmörder ansiedelt, sondern zum Wächter und Hüter des Läuterungsberges bestellt: Dante, Divina Commedia, Purgatorio I und II; vgl. auch Dante, De monarchia 2, 5, 15.
[8] Bell. Afr. 97, 4.
[9] Alle bisherigen Interpretationen dieser Stelle im Bell. Afr. 97, 4 haben den Ausdruck humilitas civitatis wiedergegeben im Sinne von "Kleinheit, Unbedeutendheit, Geringfügigkeit der Stadt" (so auch zuletzt der Übersetzer Bouvet: le peu d'importance). Im Gegensatz hierzu bin ich überzeugt, dass übersetzt werden muss, wie oben geschehen: "wegen der Unterwürfigkeit (oder: Ergebung) der Stadt". Diese Bedeutung von humilitas als submissio voluntaria anerkannt auch der Thesaurus Linguae Latinae (Vol. VI, Pars tertia, 1936-1942, SP. 3118) und gibt dafür Beispiele aus Cäsar, Seneca, Quintilian, Plinius und anderen an; die hier zugrunde liegende Stelle führt er an unter der Gesamtbedeutung quaelibet ignobilitas (Sp. 3116): Das aber ist sicher falsch. Wie könnte nämlich einer Stadt, in der von Rom offiziell anerkannte Kaufleute und Landpächter - wenn auch italische Pompejaner (siehe L. Teutsch, S.62) - 300.000 Scheffel Weizen lagern, "unbedeutend" genannt werden? Nein, mit der humilitas an dieser Stelle ist zurückgegriffen auf die erstmalige Erwähnung der Stadt im Bell. Afr. 36,2: Cäsar erinnert sich an die Gesandtschaft, die vor ungefähr 8-10 Monaten zu ihm gekommen war, und er weiß sehr genau, dass sich Considius mit Gewalt der Stadt bemächtigt hatte, dass sie gerade nicht mit diesem kollaroiert hat (so auch L. Teutsch, S. 62). Daher belegt er die Stadt wegen ihrer Unterwürfigkeit nur mit einer symbolischen Strafe: propter humilitatem civitatis certo frumenti multat.

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