Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
  Aus dem Archiv (Ausgabe 01 - Wintersemester 05/06)
 

Fischer, Mark-Oliver

 
 

Hisarlik und Troia

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  Für den 'Zweiflerzirkel' stellt sich die Situation völlig anders da. So liesse sich Troia im Sinne der 'Zweifler' als eine Siedlung von rein regionaler Bedeutung beschreiben, mit geringem Einfluß im Mittelmeerhandel, deutlich kleiner als von Korfmann dargestellt, und nicht einmal das Attribut 'Stadt' verdienend, bewohnt von Einwohnern, die vermutlich sogar schriftlos waren. Der Ilios/Wilusa-Gleichsetzung wird widersprochen, auf sprachwissenschaftlicher, historischer und geographischer Ebene, ebenso wird die Identifikation Achijawas mit einem großgriechischen Reich bezweifelt. Die 'Zweifler' erkennen keine Beweise für eine längere Belagerung Troias, und bezweifeln vor allem, dass sich ein solcher Krieg über 400 Jahre ohne schriftliche Überlieferung nahezu unverfälscht übertragen habe.  

  Sie beschreiben als Gegenentwurf das Bild eines Homer, der - selber kleinasiatischer Grieche - die Ruinen Troias, das 400 Jahre vor seiner Zeit gefallen war, als Ort für sein panhellenisches Gründungsmythos wählte, in das er alte mündlich überlieferte Elemente einbaute.  

  Der ideale Ort um Beweise für einen historischen Hintergrund der Iliaszu finden wäre sicher der Palastbezirk. Hier müsste ein Archiv angesiedelt gewesen sein, falls die Troianer Schrift kannten. Homer beschreibt zudem den Palast des Priamos als ungewöhnlich großes Gebäude, reich geschmückt und Platz bietend für alle Söhne und Töchter des Königs, welches also, falls Grabungen etwas ähnliches liefern würden, als starker Beweis gelten könnte.  

  Leider wurde jedoch bereits beim Aufbau des römischen Ilion[3] ein Großteil des Burgbergs abgetragen, so dass Grabungsfunde der SchichtenTroia VI bis VIII (die zeitlich in dem von Homer beschriebenen Rahmenliegen) nur in einem kleinen Bereich um die Stadtmauer, aber eben nicht im Siedlungszentrum möglich sind.  

  Allerdings waren alle Gebäude, die bisher innerhalb der Stadtmauern gefunden wurden, zwar relativ groß, aber sehr einfach gebaut. Sie bestanden aus ein bis zwei Räumen, und ein bis zwei Etagen. Also kaum übereinstimmend mit den Beschreibungen der Ilias. Eine solche Palastanlage hätte wohl auch gar nicht zwischen die Troianischen Mauern gepasst.  

  Homer könnte aber eine ihm bekannte Palastanlage - wie es sie im 8. Jahrhundert in Zagora auf Andros und in Gordion gab - in sein mythisches Troia verlegt haben.  

  Ein zentrales Element für das Korfmann´sche Bild einer Handelsmetropole stellt die Entdeckung einer - ausserhalb der Stadtmauern gelegenen - Untersiedlung dar. Damit geht das Ausgräberteam von einer Stadtfläche von bis zu 11 - 15 ha für ganz Troia aus, die von bis zu 10000 Menschenbesiedelt wurde.  

  Im Rahmen der vom Troia-Team gestalteten Ausstellung: Troia - Traum und Wirklichkeit, ist ein Holzmodell Troias zu sehen, welches diese 11 - 15 ha dicht an dicht - mit etwa 250 Häusern - besiedelt. Um auf die postulierten 6000-10000 Einwohner zu kommen, müssten also 24 bis 40 Personen in einem Gebäude gewohnt haben. Zur Wahrscheinlichkeit einer solchen Besiedelungsdichte sei auf die hethitische Hauptstadt Hattusa hingewiesen, die sich über eine Fläche von 180 ha erstreckt und für die der Ausgrabungsleiter Jürgen Seeher von 3000 bis 6000 Einwohnern ausgeht. In einem - auch im Rahmen der Troia-Ausstellung verwendeten - Computermodell enthält die Unterstadt dann auch nur noch circa 150 Häuser, mithin Platz für etwa 1000 Einwohner.  

  Doch selbst diese geringere Einwohnerzahl erscheint den 'Zweiflern' noch zu hoch. So gibt es tatsächliche Gebäudefunde bisher nur in einem kleinen Gebiet im Nordwesten, direkt unterhalb der Burg, sonst nur vereinzelte Häuser selbst im burgnahen Gebiet. Zwar bestanden die Gebäude der Unterstadt meist aus Holz oder Lehm, so dass Aussagen über die Besiedelungsdichte nur schwer möglich sind. Das Argument Korfmanns, der Mangel an Funden und positiven Sondageergebnissen liege daran, dass die Gebäude der südlichen Hälfte schlichtweg erodiert seien, wirkt aber seltsam, da das Gefälle gegen Süden immer weiter abnimmt, so dass eine Erosion hier eher schwächer als stärker gewesen sein müsste.  

Fussnote(n):
[3] Troia-Schicht IX - die verschiedenen Besiedelungsstufen werden von Troia I, der ältesten, bis Troia IX, der jüngsten, durchgezählt

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