Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
  Aus dem Archiv (Ausgabe 01 - Wintersemester 05/06)
 

Fischer, Richard

 
 

Die Entstehung des Kosakentumes

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  Wenn man heute in der westlichen Welt das Stichwort des "Kosaken" nennt, so denkt der Gesprächspartner unweigerlich an Chöre schwarzbärtiger Männer mittleren Alters, die unter ihren Pelzmützen tiefe, melancholische Lieder schmettern. Es scheint, als fülle der Kosak im Russlandbild des Auslandes die Rolle aus, die in Bayern den Schuhplattlern vorbehalten ist; erst recht, wenn man den bekannten Kasachock in die Betrachtung einbezieht. Diese reine Reduzierung des Kosakentums auf den klassischen Interpreten russischer Volkslieder, ist die Nische, in der eine alte Tradition versucht weiter zu existieren. Denn selbst im Zweiten Weltkrieg spielten noch reguläre Kosakendivisionen als Kavallerieeinheiten eine nicht unwichtige militärische Rolle - sowohl auf deutscher, als auch auf sowjetischer Seite. Es sollte das letzte Mal sein, dass diese jahrhundertelang bewährten Männer eingesetzt wurden. Doch wie entstand das Kosakentum? Um diese Frage zu beantworten, soll zunächst der Begriff "Kosak" geklärt werden. Das Wort tritt erstmals im ausklingenden 15. Jahrhundert auf.[1] Der Ursprung dieser Bezeichnung ist in der Turksprache der Tartaren zu finden, in der diese ursprünglich einen freien, unabhängigen Mann bezeichnet, ebenso wie einen Banditen.[2] Mit den Tartaren, die den Kosaken ihren Namen gaben, ist auch die Entstehung dieses besonderen Lebensstils eng verknüpft. Im ausklingenden Mittelalter war das Gebiet des heutigen Russland sowie der europäischen GUS-Staaten von großen politischen Umbrüchen betroffen. Die mongolisch-tartarische Alleinherrschaft über den Osten Europas, die seit  1240 bestand[3], war am Bröckeln. Die Steppenreiter befehdeten sich gegenseitig; das Reich der einigen Goldenen Horde zerfiel in mehrere kleine Khanate. Auf der Seite der Slaven fällt in diesen Zeitraum der unaufhaltsame Aufstieg Moskaus. Im Jahre 1380 zeigten die Moskowiter deutlich ihre Stärke in der Schlacht auf dem Schnepfenfeld, bei der das mongolisch-tartarische Heer unter dem mächtigen Emir Mamai eine vernichtende Niederlage hinnehmen musste.[4] Die Vorherrschaft der Steppenkrieger war zu diesem Zeitpunkt also gebrochen. Nichts desto trotz blieben marodierende Tartarenhorden bis in die Neuzeit hinein der Schrecken der slavischen Zivilbevölkerung.[5] Immer wieder fielen größere und kleinere tartarische Kriegergruppen in das slavische Gebiet ein. Ihr primäres Ziel war dabei die Erbeutung von Sklaven, die auf den Märkten des Osmanischen Reiches hohe Preise erzielten, sei es für starke Jünglinge, die zu Janitscharen ausgebildet werden konnten oder für blonde Slavinnen, die in türkischen, syrischen und ägyptischen Harems verschwanden.[6] Da die Ausgangsbasis für diese Einfälle vorwiegend das Khanat der Krimtartaren bildete, war das Ziel dieser Angriffe vorwiegend das Gebiet der heutigen Ukraine.  

Fussnote(n):
[1] Erster Nachweis 1492 in einem Briefwechsel zwischen dem Khan der Krimtartaren und dem litauischen Großherzog. Vgl. Serhii Plokhy: The Cossacks and Religion in Early Modern Ukraine. Oxford 2001, S. 18.
[2] Ebd.
[3] Am 6. Dezember 1240 fiel das mächtige Kiew, wodurch die Steppenreiter zur alleinigen militärischen Macht des Ostens wurden. Vgl. Paul Harrison Silfen: The Influence of the Mongols on Russia. A Dimensional History. New York 1974, S. 14.
[4] Michael Weiers: Die Geschichte der Mongolen. Stuttgart 2004, S. 122.
[5] Ebd., S. 125.
[6] Klaus Gröper: Die Geschichte der Kosaken. Wilder Osten 1500-1700. München 1976, S. 39f.

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