Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
  Aus dem Archiv (Ausgabe 02 - Sommersemester 06)
 

Schmid, Alois

 
 

Die bayerische Königspolitik im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit

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Die Verhältnisse verschoben sich erneut mit dem Eintritt ins 10. Jahrhundert unter den Luitpoldingern. Vor allem der machtvolle Herzog Arnulf (907-937) baute auf den angesprochenen Traditionen auf. Er nahm zwar für sich nie den Titel eines rex in Selbstaussage in Anspruch, wohl aber regnum für seinen Herrschaftsraum und regnare für seine Tätigkeit. Sie war auf eine königgleiche Herrschaftspraxis ausgerichtet, die der Sachse Heinrich I. erst nach harten Kämpfen dem gleichrangigen Freund (amicus) auch zuzugestehen bereit war. Mit der Urkundenausstellung einschließlich der Besiegelung, der Münzprägung oder der Designation des Nachfolgers nahm er ebenso Königskompetenzen wahr wie mit der Heidenabwehr oder seinen außenpolitischen Aktivitäten in Böhmen, Ungarn und Italien. Den deutlichsten Ausdruck verleiht seinen Absichten die Preisschrift des "Fragmentum de Arnulfo duce", die sowohl in den formalen Bezügen als auch den inhaltlichen Aussagen unmissverständlich Königsansprüche anmeldet und dem Herzog sogar das Königsheil zuerkennt[7]. Die weitere Interpretation dieser Vorgänge ist freilich umstritten. Die einen denken an ein die Alpen umspannendes bayerisch-langobardisch-karantanisches Südreich Arnulfs, zu dem er zudem durch das Angebot der langobardischen Königskrone für seinen Sohn Eberhard ermuntert worden sei, andere an das entstehende Deutsche Reich. Eine möglichst offene Ausdeutung sollte den Königsplan von der Durchsetzbarkeit abhängig machen und damit verstärkt der politischen Realität Rechnung tragen. Der vielerörterte Eintrag der Salzburger Annalen zum Jahr 920  (et regnare eum fecerunt in regno Teutonicorum) vermag als nachträglicher Einschub des 11. Jahrhunderts zur Problemlösung nur in begrenztem Ausmaß beizutragen[8]. Arnulf beabsichtigte die Erneuerung der agilolfingischen und die Fortführung der karolingischen Tradition, so weit das möglich sein würde. Diese beiden Wurzeln speisten seine Königspläne, die auf die Aufwertung seines Herrschaftsraumes zum möglichst eigenständigen Königtum abzielten.

Der Sohn dieses machtbewussten Herzogs Arnulf, Eberhard, wurde dann aber bereits 938 aus diesem Amt verdrängt. König Otto I. hat Bayern fest ins ottonische Herrschaftsgefüge eingebaut. Auch weiterhin verwenden die zeitgenössischen Quellen das Attribut regnum für das Stammesherzogtum Bayern und verweisen damit auf eine der Kernlandschaften des nunmehr entstehenden Deutschen  Reiches. Das ganze 10. Jahrhundert über werden dann aber von den  ins zweite Glied zurückgesetzten Luitpoldingern Aufstände gegen das sich verfestigende ottonische König- und Kaisertum unternommen. Das gilt vor allem für die unruhigen Jahre unter Heinrich II. "dem Zänker" (955-995).  Ziel dieses selbstbewußten Herzogs war der Königsthron, der nach dem Tod Kaiser Ottos III. wirklich erreicht wurde. Mit Herzog Heinrich IV. kam 1002 erstmals ein Herzog aus Bayern als König Heinrich II. an die Spitze des Reiches; 1014 stieg er sogar zum Kaiser auf. Freilich trennte er zwischen Herzogs- und Königsamt und gab nach der Erlangung der Krone das Herzogtum im Jahre 1004 an  Heinrich V. ab[9].

Mit König bzw. Kaiser Heinrich II. wurde Bayern zum Kronland in der Hand des Reichsoberhauptes. Diese Tradition führten die salischen Könige und Kaiser weiter. Sowohl Heinrich III. als auch Heinrich IV. sind aus dem Herzogsamt in diesem Kronland Bayern auf den Königsstuhl und schließlich auf den Kaiserstuhl  aufgestiegen. Auch sie haben dieses Ausgangsland immer an andere Familienmitglieder oder Vertraute als Herzöge weitergegeben. 

Auf diesem Wege gelangte das Herrscheramt in Bayern 1070 an die Welfen. Diese Hochadelsfamilie verfolgte ihre ausgeprägte Königspolitik, die auch auf die Reichskrone ausgerichtet war, nun von Bayern aus[10]. Dieses Fernziel löste beim Aussterben des salischen Königshauses 1125 den staufisch-welfischen Thronkampf aus. Vor allem Heinrich der Stolze und Heinrich der Löwe traten in erbitterte Konkurrenz zum staufischen Königtum. Dabei dienten ihnen ihre beiden Herzogtümer Sachsen und Bayern lediglich als Ausgangsländer und Basis für ihre Ambitionen. Deswegen wurden das Scheitern und die Absetzung des im Land nur wenig  verwurzelten Heinrich des Löwen in Bayern kaum wahrgenommen und schon gar nicht beklagt.

 

Fussnote(n):
[7] Kurt REINDEL, Die bayerischen Luitpoldinger 893-989. Sammlung und Erläuterung der Quellen, München 1953, S. 112 Nr. 56. Vgl. Hans RALL, Der Königsplan des Bayernherzogs Arnulf in Geschichtsschreibung und Politik, in: Historisches Jahrbuch 60 (1940) S. 231-245.
[8] Annales ex annalibus Iuvavensibus excerpti maximi, hg. von Harry BRESSLAU, MGH SS XXX/2, Hannover 1926, S. 742.
[9] Stefan WEINFURTER, Heinrich II. (1002-1024), Herrscher am Ende der Zeiten, Regensburg 1999.
[10] Bernd SCHNEIDMÜLLER, Die Welfen. Herrschaft und Erinnerung (819-1252), Stuttgart 2000, bes. 105-149.

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