Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
  Aus dem Archiv (Ausgabe 03 - Wintersemester 06/07)
 

Zarka, Attila

 
 

Geschichte als Geschichte

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Aventinus
Wie schätzen sie das historische Bewusstsein in Deutschland ein?

 

 

Ulrike Schweikert
Ich vermute, dass die historischen Romane mehr zur Unterhaltung gelesen werden, weniger, um sich mit der eigenen Geschichte auseinanderzusetzen. Ich denke, dass es gut wäre, wenn wir Autoren durch unsere Romane dazu beitragen würden, dass vor allem bei den jüngeren Lesern mehr historisches Bewusstsein entsteht. Nötig ist es auf alles Fälle. Wie gut uns das gelingt, weiß ich nicht.

 

 

Aventinus
In gegenwärtigen Schulreformen soll der Geschichtsunterricht immer stärker reduziert werden. Wo sehen die Chancen historischer Romane als Genre narrativer Geschichtsvermittlung dem entgegenzuwirken?

 

 

Tanja Kinkel
Viele Leser, die im Unterricht nichts oder wenig mit Geschichte anfangen konnten, entdecken über den historischen Roman, wie breit gefächert und vielschichtig jede einzelne Epoche sein kann, und entwickeln nicht nur Freude am Lernen, sondern auch Neugier – sie suchen dann mehr Material zum gleichen Thema.

 

 

Ulrike Schweikert
Diese Entscheidung bedaure ich. Es ist falsch, wenn man die deutsche Geschichte mit dem ersten oder gar dem zweiten Weltkrieg erst beginnen lässt und alles andere für nebensächlich hält. Dann kann man die Entwicklung nicht verstehen und reagiert viel eher mit Ablehnung und Verdrängung. Ich hoffe, dass wir mit unseren Romanen einen kleinen Ausgleich bieten können. Besser wäre aber ein fundierter Unterricht und dann als Ergänzung die historischen – gut recherchierten – Romane als unterhaltsame Beispiele. Schwierig ist es, wenn die Basis fehlt und man mit den Romanen nur Schlaglichter der Geschichte vermitteln kann. Wir können nur hoffe, dass wir das Interesse wecken und der ein oder andere Leser sich dann weiter mit der Geschichte beschäftigt. Deshalb füge ich auch immer als Anregung einen Auszug der von mir verwendeten Rechercheliteratur im Buch hinzu.

 

 

Aventinus
Darüber hinaus: Wie wichtig finden Sie es, dass Kinder/Jugendliche lesen? Wie lässt sich Neugier und Spaß am Lesen bei jungen Menschen (wieder) beleben? Wie wichtig waren Bücher und Lesen in Ihrer eigenen Kindheit/Jugend?

 

  Tanja Kinkel
Um die letzte Frage zuerst zu beantworten: ungeheuer wichtig. Ich habe Weihnachten in der ersten Klasse mit dem Lesen angefangen, war begeistert und hörte nie wieder auf.
Natürlich finde ich es wichtig, dass Kinder/Jugendliche lesen, und ich bin optimistischer als viele in dieser Beziehung. Einige der neuen Medien, wie das Internet, ermutigen zum Lesen, statt abzulenken – in Foren tauschen junge Leute Lektüretips aus, es gibt die Möglichkeit, seltene Bücher zu bestellen, oder im Fall von Klassikern sogar herunter zu laden – all das gibt potentiellen Lesern neuen Anstoß. Bei kleineren Kindern halte ich Vorlesen oder Erzählen durch die Eltern für eine sehr gute Methode, um sie auf Bücher neugierig zu machen und sie zum späteren Lesen zu inspirieren.
 

  Ulrike Schweikert
Ich finde es sehr wichtig! Je früher desto besser. Die Eltern müssen mit Vorlesen beginnen und so hoffentlich das Interesse wecken.
Der erste Part liegt bei den Eltern: Bilderbücher mit den Kindern ansehen, Geschichten erzählen, vorlesen und so wenig wie möglich Fernsehen und Computerspiele machen. Das kommt später leider von ganz alleine. Dann später auch Bücher schenken, mit den Kindern in die Bücherei gehen. Das nützt aber alles nichts, wenn das Vorbild fehlt, und die Eltern selbst Büchern nichts abgewinnen können. Und das geht dann in den Schulen weiter. Der Deutschstoff müsste entstaubt werden, und zumindest teilweise Bücher besprochen, die den heutigen Jugendlichen näher liegen und spannender sind als die alten Klassiker. Erst wenn der Spaß am Lesen geweckt ist, kann man auch solch schwere Kost verdauen ohne verschreckt zu werden.
Das Lesen war für mich immer schon sehr wichtig. Ich lag ganze Wochenenden im Bett und habe ohne Unterbrechung gelesen. Meine Mutter hat früher jeden Abend vorgelesen und später habe ich mein Taschengeld fast nur in Bücher umgesetzt. Ich war das, was man eine Leseratte nennt.
 

 

Aventinus
Die wirtschaftliche Verwertbarkeit naturwissenschaftlicher Forschung macht die Geisteswissenschaften heutzutage scheinbar obsolet. Wo sehen Sie den Standpunkt der Geisteswissenschaftler, vor allem der Historiker, heute und in der nahen Zukunft?

 

 

Tanja Kinkel
Plato hielt schon vor über zweitausend Jahren Dichter in seinem idealen Staat für überflüssig. Wir sind immer noch da. Ähnlich wird es den Geisteswissenschaftlern in der Zukunft ergehen. Trotz aller Budget-Kürzungen und Rationalisierungen – die Erforschung der Geschichte und Diskussion über sie wird sich nie verdrängen lassen.

 

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