Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
 

Metz, Maximilian

 
 

Ein Grieche bei den Römern - Die hellenistische Gedankenwelt und das römische Imperium im Werk des Polybios'

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  1. Einleitung

"Das Glück des Tüchtigen"[1] beschäftigte schon seit der Antike nicht nur Machtmenschen, sondern auch jene, die von ihnen berichteten. Immer wieder ließen epochale Umstürze Beobachter staunen und veranlassten sie dazu, nach Gründen für die veränderten Gegebenheiten zu fragen.
In die Zeit des Hellenismus (336-30 v. Chr.)[2] fiel der Bedeutungsverlust der griechischen Staatenwelt und der Aufstieg Roms zur Weltmacht.
In diesem Zusammenhang ist dem Historiker Polybios eine besondere Schlüsselrolle beizumessen, dokumentierte er doch wie kaum ein anderer als Zeitzeuge und direkt involvierter Beobachter die Verhältnisse beider Protagonisten auf der politischen Weltbühne.
Ausgangspunkt waren für ihn die vom menschlichen Handeln geschaffenen Fakten. Doch wie gewichtete er darüber hinaus die Rolle des Nicht-Menschlichen und wie schlug sich nicht nur der politische, sondern auch der kulturelle Kontakt zwischen Griechen und Römern in seinem Werk nieder?
Um sich diesen Fragen anzunähern, wird es unabdingbar sein, sich kurz mit Polybios' Hintergrund und mit seinem Selbstverständnis als Geschichtsschreiber zu beschäftigen, um dann mit Hilfe der beiden prägnanten Begriffe Tyche und Barbar die griechische Vorstellungswelt mit den politischen Gegebenheiten des Hellenismus zu verbinden.


2. Ein Grieche bei den Römern

Polybios war von Jugend an durch sein Umfeld und seine Erziehung im besonderen Maße für Themen wie die Politik und Militärwesen sensibilisiert. Sein Weg, geebnet durch die Abstammung aus einer hohen Familie, führte ihn bis an die Spitze des politischen Lebens seines griechischen Heimatstaates Achaia.[3]
Obgleich die römische Präsenz im Osten bereits zu dieser Zeit unübersehbare Dimensionen angenommen hatte, realisierte er die eigentliche Bedeutung und den unaufhaltsamen Aufstieg des Imperiums wohl erst nach dem Scheitern seiner eigenen politischen Karriere und seiner Verschleppung nach Italien.[4]

Gezwungenermaßen wechselte er aus der Rolle des Entscheidungsträgers in die des Beobachters.
Als Geisel nach Rom gelangt, wurde Polybios, initiiert durch seine Freundschaft mit Scipio (einem Mitglied der einflussreichen Oberschicht)[5] und durch seine wachsende Faszination für das römische Reich, zu einem Bindeglied zwischen der griechischen und der römischen Welt.

In Italien verfasste er seine Historia. Im sechsten Buch erhielt dabei die Mischverfassung des römischen Staats viel Lob, verbunden mit einer Analyse, nach der nur eine Mischung der Staatsform das organisch anmutende Konzept eines Kreislaufs von ständigem Aufstieg, Fall und Übergang der Verfassungsformen Königtum, Aristokratie und Demokratie zu unterbrechen in der Lage sei.[6] Noch heute kann aus dieser Feststellung die Warnung vor einem zu unbedachten Umgang mit der Demokratie herausgelesen werden, die so sorgenlos selbstverständlich als stabil und ungefährdet betrachtet wird.[7]

Der Detailreichtum bei der Beschreibung Roms, der sich in Polybios' Werk offenbarte, fand auf griechischer Seite zuvor keine Entsprechung.[8] Die bei ihm getroffenen Schlussfolgerungen standen nicht auf einem Grundgerüst bisheriger Erkenntnisse.
Polybios setzte auf pragmatische Geschichtsschreibung nach Tradition des Thukydides, die durch eine analytische Beobachtungsweise bestechen und frei von Erfundenem sein sollte.[9] Zeugnisse früherer Autoren mussten nicht nur stilistisch eine harsche, zum Teil auch polemische Kritik von Polybios fürchten. Da sein Werk vornehmlich Zeitgeschichte behandelte[10], empfand er außerdem die Themenkomplexe der Vorgänger inhaltlich schlicht als vernachlässigbar.[11]
 

Fussnote(n):
[1] Terentius Afer: Phormio, hrsg. v. Alfred Fleckenstein, Bibliotheca Teubneriana, Ed. stereotypa, ed. 2, Leipzig 1929, I, 4.
[2] Für einen groben Überblick über diese Zeit vgl. Gehrke, Hans-Joachim: Hellenismus, in: Gehrke/Schneider (Hrsg.): Geschichte der Antike, Stuttgart, Weimar 2000.
[3] Vgl. Walbank, Frank: Polybius, Berkley, Los Angeles, London 1972, S. 6-7 und Gehrke, Hans-Joachim: Die Geschichte des Hellenismus. Oldenbourg Grundriss der Geschichte, Bd 1A, München 1990, S. 88.
[4] Vgl. Deininger, Jürgen: Der politische Widerstand gegen Rom in Griechenland 217 - 86 v. Chr., Berlin, New York 1971, S. 199 und 271.
[5] Strasburger, Hermann: Der ‚Scipionenkreis', in: HERMES 94 (1966), S. 65.
[6] Polybios: Historia, Bibliothek der Alten Welt, hrsg. v. Carl Andresen, Olaf Gigon u. a., (übers. v. Hans Drexel), Zürich, München 1978², VI, 3-4.
[7] Über die Bedrohungspotenziale für Demokratien neuzeitlicher Prägung vgl. Möller, Horst: Gefährdungen der Demokratie. Aktuelle Probleme in historischer Sicht, in: Vierteljahrsheft für Zeitgeschichte 55 (3 / 2007), S. 379.
[8] Vgl. Forte, Bettie: Rome and the Romans as the Greeks saw them. Rom 1972, S. 1.
[9] Vgl. Ries, Theo: Polybios zwischen Polis und Imperium, Inaugrigations-Dissertation, Heidelberg 1975, S. 39.
[10] Vgl. Polybios IX, 2.
[11] Walbank, Frank: A Historical Commentary on Polybius, 3 Bde, Oxford 1957 - 1979, S. 638.

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