Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
  Aus dem Archiv (Ausgabe 02 - Sommersemester 06)
 

Zarka, Attila

 
 

Diplomacy - Spiel und Wirklichkeit

Artikel empfehlen  

  (Seite 1 von 7) nächste Seite

  Der 2003 verstorbene Richard Sharp schreibt in der Einleitung seines Buches "The Game of Diplomacy" aus dem Jahre 1978 folgendes:  

 
In einer sich wandelnden Welt gibt es Dinge, die sich niemals ändern. Es mag in Mode sein, die einfachen Tugenden abzutun, aber wir suchen diese immer noch in unseren Freunden. Dinge wie Loyalität, Ehre, Ehrlichkeit, Dankbarkeit, Ritterlichkeit, Großmut sind immer noch Kennzeichen eines guten Freundes, guten Ehemanns, guten Vaters oder des netten Jungen, den unsere Töchter einmal heiraten sollen.
In der unmoralischen Welt des Diplomacy hingegen sind dies die Kennzeichen eines geborenen Verlierers. Wenn ein gefallener Feind die Hand um Hilfe ausstreckt, so schlägt der weise Mann sie ab. Wenn ein Freund einen guten Zug macht, während Du am Boden bist, warte bis er unten ist und vernichte ihn. Wenn ein Verbündeter um Hilfe für seinen nächsten Zug fragt, sage sie ihm frei und großzügig zu, tue dann das genaue Gegenteil vom vereinbarten und laß ihn den Gegenangriff spüren. Versuche Dich selbst mit Leuten zu umgeben, die Dir vertrauen und laß sie dann hängen; finde einen Verbündeten, der froh ist, für Dich zu sterben und laß ihn genau das tun.
Kurz gesagt, Diplomacy ist kein nettes Spiel; um zu gewinnen ist es notwendig sich zu benehmen wie ein ausgemachtes Schwein. Einige Leute sehen in der Philosophie des Spiels einen Beitrag zum moralischen Verfall oder verweigern sich dem Spiel komplett: obwohl es mittlerweile unmodern und zweifellos bald illegal ist, Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu sehen, ist diese Meinung besonders häufig bei Frauen anzutreffen - ein Zyniker könnte sagen, daß Diplomacy die natürlichen Vorteile gegenüber Männern abzutragen droht, die ihnen ihre angeborene Doppelzüngigkeit im richtigen Leben verschafft. Dieser moralische Standpunkt ist jedoch in jedem Falle unhaltbar. Wir alle tragen gewisse antisoziale Tendenzen in uns und es mag besser sein, diese in einem harmlosen Spiel freizusetzen, anstatt dort, wo wirklich Schaden angerichtet werden kann.
Kein nettes Spiel, wie ich schon sagte, aber ein unglaublich unterhaltsames. Von all den unzähligen Brettspielen, die im Kielwasser von Monopoly entstanden sind, hat keines einen derart hingebungsvollen Kult verursacht wie Diplomacy: ein Spiel der reinen Fähigkeit für sieben Zuchtratten, die die Zeit in ihren Händen halten.
 
    (Übersetzung: Rolf Juffernbruch: http://strategie.ludomaniac.de/allg/poucharchiv06.htm)  

  Der nachfolgende Artikel will zuerst vorstellen, was sich hinter "Diplomacy" eigentlich versteckt. Danach soll der historische Hintergrund zwischen 1850 und 1900 beleuchtet werden.  

    nächste Seite


[1]  [2]  [3]  [4]  [5]  [6]  [7]