Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
Röhrer-Ertl, Friedrich Ulf
SCHEIBELREITER, Georg: Heraldik. Wien und München (Oldenbourg Historische Hilfswissenschaften, herausgegeben von A. SCHARER, G. SCHEIBELREITER und A. SCHWARCZ in Verbindung mit dem INSTITUT FÜR ÖSTERREICHISCHE GESCHICHTSFORSCHUNG; 1), 2006. ISBN: 3-486-57751-4. 222 Seiten, broschiert, zahlreiche, z.T. farbige Abbildungen. 29,80 €
Es gehört, so scheint es, Mut dazu, in heutigen Zeiten, die doch Geisteswissenschaften im Allgemeinen und quellenkundlicher Forschung im Speziellen so feindlich ausgerichtet sind, eine Reihe mit Einführungen zu Themen der Historischen Hilfswissenschaften überhaupt nur beginnen zu wollen. Zumal es das Beispiel einer vergleichbaren Reihe gibt, die es - trotz hervorragender Einzelbände - seit 1986 erst auf vier derselben gebracht hat.[1] Noch mehr muß das gelten, wenn es sich beim ersten Band der Reihe um eine Einführung in die Heraldik handelt. Findet doch dieses Fach gerade unter Akademikern nicht gerade viel Beachtung. Entsprechend standen im deutschen Sprachraum bisher zwei wissenschaftlichen Einführungen [2] mindestens doppelt so viele von Laien geschriebene entgegen.[3] Man darf hier also durchaus einen programmatischen Schritt vermuten.
Tatsächlich entwickelt SCHEIBELREITER auf den 222 Seiten des Bandes in beeindruckender, ausgewogen bebildeter Konsequenz seine Vorstellung von Heraldik. Sorgfältig werden nach einleitenden Kapiteln [4] die möglichen einzelnen Bestandteile eines Wappens vorgestellt und diskutiert. Es folgen Kapitel zu möglichen Wappenveränderungen, Entstehung der Heraldik, Wappenrecht, Heroldswesen, Quellen der Heraldik und Farbsymbolik. Das sich daran anschließende Literaturverzeichnis dürfte mit 597 Einträgen das umfangreichste sein, das sich bisher in einer Einführung zum Thema gefunden hat; zweifelsohne wird gerade dieser Teil des Buches auf jeden heraldisch interessierten Besitzer nach und nach den größten Reiz ausüben. Ein Glossar, sowie ein farbig gedruckter Übungsteil (mit Lösungen) zur Blasonierung (d.i. Beschreibung) von Wappen runden das Werk ab.
Daß, schon allein durch die Knappheit des Umfangs, dabei nicht alles auf den Zuspruch des Fachpublikums treffen kann, versteht sich von selbst; zumal einer der Kernthesen SCHEIBELREITERS, nämlich der Entwicklung der europäischen Heraldik weniger aus dem Kulturaustausch der Kreuzzugszeit heraus, als aus dem germanisch-römischen Erbe, selbstverständlich auch hier breiter Raum gewidmet wird.[5] Auch die fast schon pauschale Verurteilung des Laien als Heraldikers [6] scheint zu weit zu gehen. Ist doch die Heraldik vielleicht eine der ältesten Wissenschaften, so bleibt sie seit ihren Anfängen als "Adelswissenschaft" doch eine von jenen Forschungsgebieten, denen die Akademiker von jeher mit am wenigsten Aufmerksamkeit schenkten. Daß unter der langen Reihe von Heraldikern nur wenige hauptberufliche Wissenschaftler,[7] aber desto mehr Künstler,[8] Laien allerlei Berufstände und selbst ausgesprochene Glücksritter wie Otto TITAN VON HEFNER finden, dazu reicht ein Blick in die einschlägige Literatur.[9] An den Verdiensten derselben ändert das freilich nichts, ihre Übermacht, auch im Literaturverzeichnis des vorliegenden Bandes, ist augenscheinlich. Zumal SCHEIBELREITER gerade auch in Laienkreisen besonders verbreitete Ansichten, wie etwa vom "Verfall" der Heraldik in der Neuzeit, durchaus bereitwillig teilt, ohne sie weiter zu hinterfragen.[10] Besonders auffällig erscheint schließlich das Verschweigen neuerer Entwicklungen in der Forschung. Werke wie etwa das von Kilian HECK [11] werden gar nicht erst beachtet, eine Diskussion findet nicht statt, es wird sogar regelrecht vor ihr gewarnt.[12] Dabei wäre eine Einführung wie die vorliegende durchaus prädestiniert gewesen, die wissenschaftliche Heraldik auf eine breitere Grundlage zu stellen, als es momentan der Fall ist und sie hin zu einer allgemeineren Symbolkunde weiterzuentwickeln.
Dies alles soll jedoch nicht von der eigentlichen Qualität des Buches ablenken. SCHEIBELREITER ist es durchaus gelungen, bei allen Einschränkungen den - neben FILIP (2000) - momentan besten Überblick zur Heraldik vorzulegen. Doch, obwohl sie als Einführung hervorragend geeignet ist, muß abgewartet werden, ob sie sich als solche bei interessierten Laien wie Studenten wird durchsetzen können. Zu hoch erscheint hier vor allem der Preis; Bücher wie das durchgehend farbig gehaltene von NEUBECKER, aber neuerdings auch die Wappenfibel von HILDEBRANDT und BIEWER sind in unzähligen Aufmachungen und Auflagen schon ab 5-10 € zu haben, so daß man fürchten muß, daß auch SCHEIBELREITER das Schicksal FILIPS (2000) ereilt und er einfach nicht die Verbreitung erreichen wird, die ihm zu wünschen wäre. Vielleicht hätte man überlegen sollen, ob man nicht auf den farbigen Übungsteil zugunsten eines niedrigeren Preises hätte verzichten können.
Für die Reihe "Oldenbourg Historische Hilfswissenschaften" stellt dieser Band trotzdem in jedem Falle einen gelungen Auftakt dar. Es bleibt zu hoffen, daß auch über den zweiten Band [13] hinaus regelmäßig weitere Bände erscheinen werden und daß sie ein zahlreiches, verdientes Publikum finden mögen.
Empfohlene Zitierweise:
Röhrer-Ertl, Friedrich Ulf: SCHEIBELREITER, Georg: Heraldik. Wien und München (Oldenbourg Historische Hilfswissenschaften, herausgegeben von A. SCHARER, G. SCHEIBELREITER und A. SCHWARCZ in Verbindung mit dem INSTITUT FÜR ÖSTERREICHISCHE GESCHICHTSFORSCHUNG; 1), 2006. ISBN: 3-486-57751-4. 222 Seiten, broschiert, zahlreiche, z.T. farbige Abbildungen. 29,80 €, in: Aventinus. Die Historische Internetzeitschrift von Studenten für Studenten [Ausgabe 04 - Wintersemester 07/08], www.aventinus.geschichte.uni-muenchen.de/index.php?ausg=4&id=82&subid=71 [Letzter Aufruf am xx.xx.xxxx]
Röhrer-Ertl, Friedrich Ulf
geboren 11.07.1977
1998-2005 Studium Geschichtliche Hilfswissenschaften, Geschichte der Frühen Neuzeit und Mittelhochdeutsch an der LMU München.
2005 M.A. Thema der Arbeit: Die Grabkapelle Urbans von Trenbach am ehemaligen Domkreuzgang zu Passau: Betrachtungen zum geistigen Milieu eines süddeutschen Kirchenfürsten der Renaissance.
Seit Juli 2005 laufendes Dissertationsprojekt bei Prof. Dr. Walter Koch, LMU München: http://www.geschichte.uni-muenchen.de/ghw/personen_roehrer_ertl.shtml
Januar 2006 Fortbildung zum Wissenschaftlichen Dokumentar am Historischen Archiv des Bayerischen Rundfunks (http://www.br-online.de/br-intern/geschichte/)