Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
  Aus dem Archiv (Ausgabe 03 - Wintersemester 06/07)
 

Zarka, Attila

 
 

Geschichte als Geschichte

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Aventinus
Welche beruflichen Möglichkeiten gibt es für Geisteswissenschaftler im Verlagswesen?

 

 

Timothy Sonderhüsken (Knaur Verlag)
Ein Studium hat noch keinem Menschen geschadet – und für den Einstieg ins Lektorat ist es in der Regel zwingende Voraussetzung. Dieser Einstieg erfolgt meist über ein Volontariat. Aber auch sämtliche andere Abteilungen des Verlags stehen demjenigen offen, der über sein Studium hinaus Teamgeist, Begeisterungsfähigkeit, eine sehr hohe Belastbarkeit und Freude an neuen Aufgaben entwickelt hat … und nicht damit überfordert ist, neben anspruchsvollen Tätigkeiten auch den normalen Büroalltag zwischen Kopierer, Ablage, halbjährlicher Routine und so weiter zu bewältigen.

 

 

Aventinus
Welche Wege geht ein Skriptum bis zur Veröffentlichung, nachdem Sie es als Lektor erhalten haben?

 

 

Timothy Sonderhüsken (Knaur Verlag)
Jeder Verlag ist anders strukturiert. Im Knaur Verlag wird das Manuskript zunächst vom Lektor gelesen. Gefällt es ihm, schreibt er ein Gutachten, das im Rahmen der wöchentlich stattfindenden Lektoratskonferenz mit den Kollegen und der Verlagsleitung diskutiert wird. In der Regel wird noch ein anderer Lektor den Text zur Probe lesen. Ist eine Entscheidung zugunsten des Projektes gefällt worden, wird das Manuskript redigiert – entweder vom Lektor selbst oder von einem freien Mitarbeiter. Die Redaktion erfolgt natürlich stets in enger Zusammenarbeit mit dem Autor. Auch hier gibt es keine bindende Regelung, wie die Redaktion zu erfolgen hat. Ich selbst arbeite den Text erst einmal komplett durch und notiere mir, wo der Autor erneut ansetzen muss – sei es, um die Geschichte auszuweiten, zu straffen oder zu ändern. Diese Vorschläge diskutiere ich mit dem Autor. Die von ihm überarbeitete Fassung lese ich ein weiteres Mal, und oft ist es so, dass dann neue Vorschläge gemacht werden müssen. Dieser Arbeitsgang wiederholt sich so oft, bis eine Manuskriptfassung vorliegt, die inhaltlich sowohl den Autor als auch den Lektor überzeugt. Danach erfolgt die eigentliche (stilistische) Redaktion. Hat der Autor die redigierte Fassung akzeptiert, verlässt das Manuskript das Lektorat und die Herstellung beginnt mit ihrer Arbeit. Je nachdem, um was für ein Buch es sich handelt – einen Spitzentitel beispielsweise, eine viel versprechende neue Autorin – lesen parallel auch andere Abteilungen des Hauses: Marketing, Werbung, Vertrieb. Und spätestens kurz vor oder kurz nach der Vertreterkonferenz, bei der wir dem Außendienst unser neues Programm vorstellen, auch die Vertreter.

 

 

Aventinus
Welche Voraussetzungen muss Ihrer Meinung nach ein Autor mitbringen, um einen erfolgreichen historischen Roman zu verfassen?

 

 

Ulrike Schweikert
Disziplin! Natürlich braucht man auch das Talent spannend schreiben zu können, Ideen zu spinnen und Charaktere lebendig werden zu lassen, aber ohne die Disziplin, sich jeden Tag konsequent hinzusetzen und sein Pensum zu schaffen – erst in der Recherche und dann beim Schreiben und Korrigieren, wird aus der Idee kein (meist recht dicker) Roman.

 

  Timothy Sonderhüsken (Knaur Verlag)
Jeder Autor, egal in welchem Genre er sich bewegt, muss für seine Geschichte „brennen“, begeistert von ihr sein und den intensiven Wunsch verspüren, sie zu erzählen. Hinzu kommt, wiederum unabhängig, um welches Genre es geht, ein Gespür und Talent für die Konstruktion der Geschichte, für Charakterzeichnung, den richtigen Ton, die richtige Sprache der Figuren.
Bei historischen Romanen kommt hinzu, dass sich der Autor sehr gut in der Zeit, über die er schreiben will, auskennen muss – so wie beispielsweise ein Krimiautor eine Menge von Polizeiarbeit verstehen sollte, um wirklich gut zu sein. Und er muss noch stärker als der Autor eines zeitgenössischen Romans in der Lage sein, Atmosphären einzufangen. Wir alle haben eine ungefähre Vorstellung davon, wie es in einer Disco, einer Amtsstube, einer Gefängniszelle aussieht, riecht, ob es warm oder kalt ist und so weiter. Aber wie roch es im Schlafzimmer eines Medici, wie groß war die Kammer einer Magd – und was bedeutete es in einer Zeit, in der es weder Rührgerät noch Herd und Kühlschrank gab, einen Pudding zu kochen? Dies alles in den historischen Roman einfließen zu lassen, ohne eine dröge Faktensammlung oder ein Sachbuch zu schreiben, ist eine echte Kunst.
 

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