Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
  Aus dem Archiv (Ausgabe 02 - Sommersemester 06)
 

Zarka, Attila

 
 

Diplomacy - Spiel und Wirklichkeit

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  Osmanisches Reich
Die Bezeichnung "Der kranke Mann am Bosporus" ist für das osmanische Reich um 1850 sehr treffend gewählt. Seit längerer Zeit deutete sich bereits an, dass die europäischen Gebiete auf lange Sicht nicht gehalten werden konnten. Zum einen waren die inneren Verhältnisse des osmanischen Reiches nicht zum Besten bestellt, und zum anderen war die nationale Bewegung nicht spurlos an den europäischen Besitzungen vorbeigegangen. So konnte Griechenland zum Beispiel das Joch der Fremdherrschaft bereits 1832 durch die Krönung Prinz Ottos von Bayern zum König eines eigenständigen Griechenlands ablegen. Die Bulgaren und die Balkanländer konnten sich ebenfalls von der türkischen Obrigkeit mit Hilfe der Großmächte befreien. Die Interventionsversuche europäischer Staaten zeigten sehr deutlich die verwirrende Lage, in der sich das osmanische Reich selbst und teilweise selbstverschuldet befand. Zum einen war man gewillt die nationalen Bestrebungen der Einzelstaaten zu unterstützen, andererseits war man sich aber dessen bewusst, dass gerade diese nationalen Bestrebungen einem Pulverfass gleichkamen. Das Habsburgerreich war spätestens seit dem 16. Jahrhundert der natürliche Gegenspieler des Osmanischen Reiches. Mit Russland ist dem türkischen Reich aber ein weiterer Gegner erwachsen, der mehrere Gründe vorzubringen wusste, um immer wieder den offenen Konflikt zu suchen. Der bereits angesprochene Krim-Krieg war vielleicht sogar die letzte Chance der europäischen Mächte die Wogen einigermaßen zu glätten, um die drohende Katastrophe noch abzuwenden. England und Frankreich, die vor kurzem noch den griechischen Freiheitskampf unterstützt haben, griffen nun auf Seiten des osmanischen Reiches ein, um so dem Expansionsanspruch Russlands entgegenzuwirken. Aber kaum 20 Jahre später war es wieder Russland, der sich als Beschützer aller Slawen für die Unabhängigkeit des Balkangebietes stark gemacht hatte und dessen Höhepunkt im russisch-türkischen Krieg von 1877-78 gipfelte. Der anschließende Berliner Kongress konnte nun den Zerfallprozess des osmanischen Reiches, der kurz zuvor mit Abdul Hamid II. einen neuen Herrscher bekommen hat und dessen Unfähigkeit den ohnehin schon korrupten Staat noch unregierbarer gemacht hatte, nicht aufhalten. Abdul Hamid II. war versucht die Verluste im äußeren durch eine wenig Erfolg versprechende Innenpolitik auszugleichen. Allerdings waren seine panislamische Propaganda, seine unklugen Interventionen in Ägypten, das auf Spionage und Denunziation aufgebaute System in weiten Teilen des Landes und die Unterdrückung  der christlichen Minderheit schließlich der Grund dafür, dass auch die letzten Verbündeten, wie England, sich immer mehr vom osmanischen Reich entfernten und entfremdeten.
 

 

3. Fazit
Die zu Anfang des 19. Jahrhunderts beim Wiener Kongress geschaffenen Kanäle der Zusammenarbeit zwischen den Staaten, wurden gegen Ende des selbigen Jahrhunderts durch ein kaum zu durchschauendes System von Abkommen und Koalitionen abgelöst. Die gesteigerten diplomatischen Bemühungen konnten am Ende aber die national aufgeheizten Stimmungen nicht soweit dämmen, dass die Katastrophe hätte irgendwie verhindert werden können.

Welche Zusammenhänge findet man also nun zwischen der historischen Wirklichkeit und dem Brettspiel Diplomacy?
Ein allgemeines Problem von historischen Spielen ist, dass der Autor eine goldene Mitte zwischen Spielbarkeit und geschichtlicher Authentizität finden muss. Diplomacy schafft es sogar sehr gut die politische Wirklichkeit, aber eben nur diese, abzubilden. Das Spiel mündet nämlich tatsächlich in einem gespielten Krieg. Jede Überlegung, jeder Schritt und jeder Zug, den man macht, bringt den spielerischen Waffengang immer näher. Die Spieler müssen ihre ganzen diplomatischen Begabungen und sehr viel Fingerspitzengefühl aufbringen, um als Sieger hervorzutreten.
Richard Sharp schreibt zu Recht in der Einleitung zu seinem Buch, dass "sieben Zuchtraten, die die Zeit in ihren Händen halten", das Spielgeschehen und ein Stück Wirklichkeit mit dem eigenen Geschick zu lenken versuchen.
Wer genug Spielspaß und Ausdauer mitbringt und keine Angst davor hat, eigene dunkle Seiten kennen zu lernen, der wird von Diplomacy begeistert sein und nicht mehr davon wegkommen.

 

 
Empfohlene Zitierweise:

Zarka, Attila: Diplomacy - Spiel und Wirklichkeit, in: Aventinus. Die Historische Internetzeitschrift von Studenten für Studenten [Ausgabe 02 - Sommersemester 06],
www.aventinus.geschichte.uni-muenchen.de/index.php?ausg=2&id=36&subid=28
[Letzter Aufruf am xx.xx.xxxx]

 

Zarka, Attila

10.09.1977
studiert Mag. AG, BG, VFG seit WiSe 01/02
Chefredakteur von Aventinus

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