2.2 Biblische Bezüge Um seine Argumente zu untermauern, verweist Institoris in seinem Werk immer wieder auf die Bibel. So versucht er mit Matthäus 8,16; 8,28 - 34, Lukas 4,5 und Hiob 41,25 die Argumente, dass (i) Gott den Hexenflug nicht zuließe und (ii) der Teufel nicht die Macht besäße, den Hexen den Flug zu ermöglichen, zu entkräften. Er argumentiert, dass wenn Gott zuließe, dass unschuldige Menschen von Dämonen besessen sein könnten und diese quälen könnten (wie im Matthäusevangelium), er auch eine Beeinflussung von Dämonen oder des Teufels von Hexen ebenfalls möglich sein müsse. Weiter schließt er, "wie das Evangelium bezeugt" [35], dass, wenn es dem Teufel möglich gewesen sei, Jesus hochzuheben, es dem Teufel auch möglich sein müsse, andere hochzuheben. Hier bezieht er sich auf Lukas 4,5: "Und der Teufel führte ihn hoch hinauf und zeigte ihm alle Reiche der Welt in einem Augenblick". [36] Um die Macht des Teufels zu untermauern, greift Institoris auf die - v.a. durch Thomas Hobbes' Leviathan - bekannte Stelle aus Hiob 41,25 zurück: "Auf Erden ist nicht seinesgleichen; er ist ein Geschöpf ohne Furcht"[37] und fährt weiter fort damit, dass der Teufel sogar größere Macht besitze, als alle anderen Engel, und er seine Macht auch nach dem Höllensturz behalten habe. Im Weiteren will Institoris in einem verschachtelten Argumentationsgang den Einwand, die Bibel spreche die Fähigkeit, Menschen durch die Luft zu tragen, nur dem Teufel und keinem anderen Wesen zu, entkräften, indem er (i) behauptet, dass die Macht des niedrigstehendsten Engels die menschliche bei Weitem übertreffe und (ii) es zwar einer Seele nicht erlaubt sei, ihren Körper in die Höhe zu heben, dies aber mit Zulassung Gottes möglich sei. Und dies sei sowohl den bösen, als auch den guten Engeln möglich. Als fundierendes Beispiel zieht er Stücke zu Daniel 2,35 heran: "Da faßte ihn der Engel des Herrn beim Schopf, trug ihn im Windesbrausen an den Haaren nach Babel und setze ihn oben am Graben nieder." [38]
2.3 Die Fallbeispiele Institoris versucht, seine Behauptungen durch eine induktive Argumentation anhand von zahlreichen Fallbeispielen zu untermauern. Institoris erste Beispiele von Hexenflügen sollen sich in der Diözese Freising und in der Stadt Obersdorf ereignet haben. [39] Der Freisinger Fall handelt von einem Pfarrer, der durch die Luft getragen worden sein soll. Interessanter ist jedoch der Obersdorfer Fall. Dieser handelt von einer Schülergruppe, welche ein Gelage veranstalten wollte. Bevor das bacchantische Treiben jedoch beginnen sollte, beschlossen sie, dass derjenige, welcher sich um die Herbeischaffung des Bieres kümmern sollte, seines nicht zu bezahlen hätte. Als der Freiwillige die Tür öffnete, um hinauszugehen, sah er Nebel vor der Türe. Erschrocken berichtete er seinen Kameraden von dem Gesehenen, woraufhin einer rief, dass er das Bier selbst holen wolle, auch wenn der Teufel persönlich vor der Tür stehe. Nach diesem Ausspruch wurden seine Mitschüler Zeugen seiner Levitation. [40] Es ist aus heutiger Sicht verwunderlich, dass Institoris derlei Beispiele anführt. Die Geschichte eines Priesters, der "[…] jetzt noch […] in der Diözese Freising leben soll […]" [41] und die Erzählung einiger Schüler, die im Begriff sind, sich zu berauschen und welchen dann eine Nebelwand begegnet und deren einer dann durch die Lüfte fliegt, erscheinen aus heutiger Sicht nicht nur kurios, sondern auch stark unglaubwürdig. Jedoch sind Naturereignisse wie Nebel oder Blitze als Ausdruck höherer Mächte für diese Zeit nicht ungewöhnlich. Man denke nur an Martin Luther, der sich am 2. Juli 1505 angeblich durch einen Blitz bei Stotternheim dazu veranlasst sah, Mönch zu werden. [42] Zu den interessantesten Beispielen, welche Institoris liefert, zählt unbedingt die "Erzählung einer sichtbaren Überfahrt am Tage" [43] aus der Diözese Konstanz. Wie Julio Baroja richtig anmerkt, enthält der Malleus maleficarum an dieser Stelle "[…] typischen Kennzeichen einer Sage […]". [44] In dieser Episode wird von einer Hexe berichtet, welche bei den Einwohner der Stadt Waldshut in der Diözese Konstanz kein gutes Ansehen genoss und deshalb nicht zu einer Hochzeit eingeladen wurde. Darüber erbost, rief diese einen Dämon herbei und teilte diesem mit, dass sie nicht eingeladen sei und bat ihn darum, Hagel zu erzeugen, um sich an der Hochzeitsgesellschaft zu rächen. Institoris schildert, dass der Dämon die Frau durch die Luft auf einen Berg geführt habe, wo sie ein Loch grub, in welches sie urinierte. Den angesammelten Urin rührte sie mit dem Finger um und der Dämon entfachte ein Unwetter, indem er den Urin in die Luft warf. Die Hochzeitsgäste wurden vom Hagel überrascht und die Gesellschaft löste sich auf. Da einige Hirten die Frau bei ihrem Flug beobachtet hatten, wurde ihr der Prozess gemacht und sie wurde als Hexe verbrannt. [45] Die Aussage Barojas über den Sagencharakter wird durch Betrachtung des Erisstoffes der griechischen Mythologie untermauert.
[Eris] war die Göttin des Zanks. Damit sie dergleichen nicht erregen sollte, so wurde sie nicht mit zu des Peleus und der Thetis Beylager eingeladen. Sie nahm aber, um sich wegen dieses Schimpfes zu rächen, einen goldgelbnen Apfel […] und warf ihn in das Zimmer, wo die Götter und Göttinen beysammen saßen. [46]
Auch die "Schadensstifterin" der griechischen Sage Eris wird nicht zur Hochzeit eingeladen und rächt sich an der Gesellschaft, indem sie ihr Unheil schickt, deren bekannte Folge der Ausbruch des Trojanischen Krieges war. Wenn sich diese Geschichten auch nur im Groben ähneln, so zeigt sich doch aus dem Vergleich der legendenhafte Charakter der Geschichte. Zwar hatte Institoris durch den Besuch der renommierten Schlettstätdter Lateinschule und durch sein philosophisches Studium im - ebenfalls in Schlettstadt gelegenen - Dominikanerkloster, eine humanistische Grundbildung. [47] Jedoch ist es - betrachtet man die Autorenbestände in Bibliotheken von Lateinschulen und Dominikanerklostern im 15. und 16. Jahrhundert [48] - unwahrscheinlich, dass Institoris mit griechischer Mythologie vertraut war, auch wenn es nicht unmöglich ist und Griechisch als Unterrichtsfach an Lateinschulen nichts ungewöhnliches war. [49] Wohl um die Autorität des Canon Episcopi nicht ganz zu untergraben, wird der Fall einer Hexe aus Breisach angeführt. Diese habe auf die Frage, ob sie körperlich, oder in der Fantasie ausgefahren sei geantwortet, dass sie sowohl in der Vorstellung, als auch in der Realität Levitationen erlebt habe. [50]
3. Conclusio Institoris musste den Hexenflug untermauern, da "[…] ohne die Möglichkeit des Hexenfluges […] auch die Hexentanzvorstellung unsinnig" [51] gewesen wäre. Ohne diesen jedoch wäre auch der Teufelspakt hinfällig gewesen. Zwar gab es auch - wie z.B. in Schottland - durchaus Gegenden, in welchen die Vorstellung eines Hexensabbats unabhängig vom Hexenflug existierte [52], jedoch musste Institoris seine Argumente gut durchdenken und von der Basis her stringent aufbauen. Hätte er nicht Taten der Hexen für real befunden und hätte er keinen Teufelspakt angenommen, wäre eine Hexenverfolgung unmöglich gewesen. Institoris beschreibt den Vorgang des Teufelspakt so, dass die Hexe sich an einem festgesetzten Termin an einem Sammelplatz ein Gelübde ablegt. [53] Und diese Sammelplätze zu erreichen wäre ohne eine Levitation unmöglich gewesen. Werner Tschacher fasst zusammen, dass
[…] aus der Apostasie im Traum […] der explizite Teufelspakt, aus dem Feenglauben die Vorstellung von Stringen und Hexen als Teufelsdiener, aus Dämonen in Menschengestalt leibhaftige Menschen im Pakt mit Teufeln und Dämonen [wurden]. [54]
Empfohlene Zitierweise:
Bross, Fabian: ars volandi - Der Hexenflug im Hexenhammer, in: Aventinus. Die Historische Internetzeitschrift von Studenten für Studenten [Ausgabe 04 - Wintersemester 07/08], www.aventinus.geschichte.uni-muenchen.de/index.php?ausg=4&id=84&subid=70 [Letzter Aufruf am xx.xx.xxxx]