Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
  Aus dem Archiv (Ausgabe 03 - Wintersemester 06/07)
 

Künstler, Waltraud

 
 

Ciceros orator perfectus – ein realisierbares Rednerideal?

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Die politische Lage Roms in den 50ern


Um Ciceros Position bezüglich der Rednerausbildung im Allgemeinen und den hohen Anspruch an den orator perfectus im Besonderen besser einordnen zu können, ist es nötig, sich die damals aktuelle politische Situation vor Augen zu führen.

Noch bevor Caesar im Jahre 59 v. Chr. sein erstes Konsulat antrat, hatte er mit Crassus und Pompeius ein politisches Bündnis mit der Maxime ne quid ageretur in re publica, quod displicuisset ulli e tribus [86] für die Dauer von fünf Jahren geschlossen, das später als erstes Triumvirat bezeichnet wird. Das Ackergesetz und die rechtliche Anerkennung Pompeius’ Verwaltungsmaßnahmen im Osten, setzte Caesar beide Male ohne Zustimmung des Senats durch. Auf ähnliche Weise gelang es ihm, ein außerordentliches Imperium über Gallien zu bekommen. Im Jahre 56 v. Chr. wurden bei der Geheimkonferenz von Luca nicht nur weitere Sonderkommandos für die Dreimänner ausgehandelt, sondern auch die erneute Kandidatur Crassus' und Pompeius' für das Konsulat im folgenden Jahr und die Verlängerung des Triumvirats beschlossen. [87]

Diese Politik, die so völlig im Widerspruch zum mos maiorum stand, musste Cicero missfallen. War es doch die Aufgabe der Volkstribunen dem Volk Gesetzesvorschläge zur Abstimmung vorzulegen und die des Senats über die Finanzen und die Außenpolitik zu wachen. Ganz zu schweigen davon, dass Caesar gewichtige politische Entscheidungen außerhalb der Hauptstadt traf.
 

 

P. Clodius Pulcher – ein populares Redetalent


Mehr noch musste dem Verfechter des mos maiorum die Politik des Clodius missfallen, unter anderem deswegen, weil Cicero selbst darunter zu leiden hatte.

Ganz der im 1. Jahrhundert v. Chr. üblichen Praxis entsprechend stieg der junge Patrizier über das Gericht in die Politik ein [88]. Aber erst durch den Religionsfrevel im Jahre 62 v. Chr. sicherte sich Clodius die öffentliche Aufmerksamkeit. Verkleidet als Frau, schlich sich Clodius in das Fest zu Ehren der bona dea ein, das ausschließlich Frauen zugänglich war. Clodius wurde enttarnt, aber es gelang ihm zu fliehen. Der Verurteilung des durch die optimates angestrengten Prozesses entrann der junge Patrizier dank einer groß angelegten Bestechung. Gleichzeitig schwang er sich, unterstützt von einer Schlägertruppe, zum Führer der populares auf [89].

Bereits ein Jahr später erklomm Clodius eine weitere wichtige Sprosse seiner Karriereleiter. Nachdem er von einem Plebejer adoptiert worden war, konnte Clodius sich um das Volkstribunat bewerben. Diese Adoption, die normalerweise ein langwieriger Prozess war, wurde innerhalb weniger Stunden vollzogen. Schlimmer noch musste für Cicero die Tatsache gewesen sein, dass sie sich an seine Rede gegen die damals aktuelle politische Lage anschloss, die er im Zuge eines Gerichtsverfahrens für Gaius Antonius hielt [90].

Während Clodius' Volktribunat im Jahre 59 v. Chr., bekam Cicero die Auswirkungen seiner Demagogie direkt zu spüren. Unter der Vielzahl der durchgepeitschten Gesetze des Volkstribunen  zielte eines speziell auf Cicero ab. Mit der Erneuerung einer lex Sempronia [91] sollten diejenigen geächtet werden, die römische Bürger ohne Gerichtsurteil töten lassen oder ließen. Cicero, der im Jahre 63 v. Chr. die catilinarischen Verschwörer eben ohne ein solches Urteil hatte hinrichten lassen, begab sich noch vor der Urteilsverkündigung freiwillig in die Verbannung. Aus dieser sollte er erst im Jahre 57 v. Chr. zurückkehren, nachdem seine Freunde mit Caesars und Pompeius' Unterstützung die Rückberufung, trotz des von Clodius' Prügelbanden verbreiteten Terrors, durchsetzen konnten [92].

Nach seiner Rückkehr, gelang es Cicero sein Haus auf dem Palatin wieder zu errichten, obwohl Clodius Teile des Grundstücks gekauft und der libertas geweiht hatte [93].

Im Jahre 56 v. Chr. klagte Clodius, mittlerweile zum Ädilen gewählt, T. Annius Milo wegen Gewaltverbrechen an. Milo war im Jahre 57 v. Chr. ein Amtskollege Clodius' gewesen und hatte seinerseits Prügelbanden organisiert, um dem Terror Clodius' Einhalt zu gebieten. Teile von Clodius' Reden zum Prozess, der nie zu einem Abschluss kam, sind bis heute erhalten geblieben. Das geschickt inszenierte Frage – Antwort – Spiel zwischen Clodius und  dem Volk [94] beweist seine Beherrschung der Redekunst. [95]

Mit Hilfe seiner eben beschriebenen rhetorischen Fähigkeit, sowie der Rekrutierung seiner Knüppelbanden und der breiten Unterstützung der plebs urbana und der Sklaven [96], gelang es Clodius seine Gegner politisch kaltzustellen – neben Cicero wurde zum Beispiel auch Cato durch ein Sonderkommando im Osten des Reiches zeitweilig außer Gefecht gesetzt – und in der Politik Roms Fuß zu fassen.
 

Fussnote(n):
[86] Suet., Iul., 19.2.
[87] Christ, K., Krise und Untergang der römischen Republik, Darmstadt 20004, 291 – 296 u. 308 – 309.
[88] Brenner, H., Die Politik des P. Clodius Pulcher. Untersuchungen zur Denaturierung des Clientelwesens in der ausgehenden römischen Republik, Historia 50, 1987, 37.
[89] Christ, 284 – 285.
[90] Christ,, 301 – 302.
[91] Christ präzisiert diese lex nicht genauer. Es muss sich aber um die von Gaius Gracchus i. J. 123 v. Chr. durchgesetzte lex Sempronia de provocatione handeln. Vgl. Christ, Krise und Untergang, 139 – 140.
[92] Christ, 301 – 302 u. Brenner, 136.
[93] Fuhrmann, Cicero, 137 – 138.
[94] Cassius Dio, 39, 19, 1.
[95] Fuhrmann, Cicero, 141 – 142.
[96] Brenner, 64 – 65.

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