Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
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Schnupp, Stefan

 
 

Das Rombild in der Schedelschen Weltchronik. Aussagen und Intentionen

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  IV. Der Holzschnitt von Rom  

 
  Quelle: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/43/Nuremberg_chronicles_-_ROMA.png (Stand 29.9.2007)
 

  1. Beschreibung

Der Holzschnitt  von Rom [46]  ist doppelseitig der Textbeschreibung beigegeben und nimmt von der Seitenhöhe jeweils mehr als die Hälfte ein.
Auf dem Bild sieht man die Stadt von einem erhöhten Standpunkt aus und blickt nach Westen.
Im Vordergrund ist die Stadtmauer zu sehen. Im Bildmittelgrund ist die östlich des Tiber gelegene Stadt deutlich verkürzt dargestellt. Im Hintergrund sind der Borgo und der Vatikan deutlich hervorgehoben, da er mehr als die Hälfte des gesamten Bildes einnimmt. Trastevere ist an den linken Bildrand gedrängt.
Die Aurelianische Stadtmauer im Vordergrund zieht sich vom linken Bildrand zum rechten. In ihr sind die Porta del Popolo (von rechts nach links), Porta Pinciana und die Porta Quirinale dargestellt. Das Kolosseum ist am linken Bildrand oberhalb der Stadtmauer nur angeschnitten gezeigt. Daneben steht die Ruine des Marcellustheaters und unterhalb davon die Dioskuren, antike Statuen von Castor und Pollux, die in den Konstantinsthermen gefunden wurden. [47]  Das Pantheon (mit dem Patronat der Kirche Maria Roto[n]da beschriftet), die Marc Aurel-Säule (in der Mitte) und die Kirche S. Maria del Popolo (am rechten Bildrand) ragen deutlich aus dem Stadtbild hervor.
Der Tiber zieht sich als breites Band diagonal durch das Bild. Über ihn führen zwei Brücken. Der Ponte Sisto nach Trastevere und der Ponte S.Angelo in den  Borgo. Neben ihm ragt die Engelsburg auf. Die Bildmitte beherrschen Hospital und Kirche von S. Spirito in Sassia. Darüber ist die alte, im Bild alles überragen, Petersbasilika, die gerade errichtete Sixtinische Kapelle (neben dem Kirchturm von St. Peter) und der Papstpalast zusehen. In der rechten oberen Ecke ist das Belvedere (M) zu erkennen.
Der Holzschnitt von Rom wirkt authentisch und ist keine Phantasieabbildung, wie viele andere Städteansichten in der Weltchronik

2. Hervorhebungen und Weglassungen
a) Darstellung und fehlende Elemente

In mittelalterlichen Bildern werden Personen, Gegenstände oder auch Gebäude, entgegen ihrer wahren Größe und Proportion zueinander, ihrer Bedeutung nach unterschiedlich groß dargestellt. In Wohlgemuts Holzschnitt ist dies auf der östlichen Tiberseite der Fall. Pantheon, Marc Aurel-Säule und das Kolosseum werden überdimensional groß dargestellt. Dadurch überragen sie die umgebende Stadt. Auf der anderen Tiberseite sind es vor allem Engelsburg, S.  Spirito und der Vatikan mit Peterdom und Papstpalast, die eine gesteigerte Bedeutung für das Bild haben.
Durch die unterschiedliche Betonung werden die wichtigeren Gebäude auf einen flüchtigen Blick für den Betrachter deutlich. Er muss sich nicht  die Zeit nehmen das Bild nach markanten Punkten abzusuchen.
Einige Elemente Roms werden bei diesem Bild, das bewusst als Ausschnitt definiert ist, auch weggelassen. So werden weder der Lateran und seine Basilika, noch S. Maria Maggiore mit der dortigen Vorstadt dargestellt. Damit steht der Holzschnitt im Kontrast zum Text.
Es sind auch nur drei der acht beschriebenen Hügel auf der östlichen Tiberseite zu sehen, nämlich Kapitol, Quirinal  und Pincio. Aventin, Palatin, Caelius, Viminalis und Esquilin sind nicht dargestellt. Das Fehlen verhindert, den Charakter der "Stadt der sieben Hügel" darzustellen, wie es der Text versucht.
Man erkennt durch die Weglassungen deutlich den Unterschied zwischen Bild und Text. Der Text stellt, wie oben schon erwähnt, die Disabidatio dar, also die spärlich bewohnten Randregionen auf den Hügeln, während im Holzschnitt der Schwerpunkt auf die Abidation, den Stadtkern, gelegt ist. Dadurch ergänzen sich beide zu einem Gesamtbild.  

b) Vergleich zum Vorbild

Auch beim Holzschnitt über Rom griff man zum Supplementum Chronicarum [48] , als man nach einer Vorlage für diesen suchte. Wohlgemut behielt in seiner Version die gleiche Perspektive bei, den erhöhten Standpunkt östlich der Stadt. Auch das Pantheon und die Mark Aurel-Säule sind  hervorgehoben.
Aber dennoch weicht Wohlgemut in vielen Punkten vom Vorbild ab. So ist Bergamos Bild nur einseitig und deutlich kleiner, als das der Schedelschen Weltchronik.[49]  Die unterschiedlichen Formate bringen ein anderes Stadtbild hervor. Während das Supplementum-Bild  eher dicht gedrängt wirkt, verbreitert sich Wohlgemuts Stadtbild deutlich. Außerdem lässt Wohlgemut einige Elemente ganz weg und konzentriert damit das Bild auf die eigentliche Stadt. So wird der landschaftliche Hügel mit einer Jagdgruppe im Vordergrund weggelassen und stattdessen die Stadtmauer bis an den unteren Bildrand gezogen, wodurch die Stadt als umgrenzter Raum betont wird. Genauso wird der Tiberbogen im Gegensatz zu Bergamos Bild deutlich verkürzt und dafür der Borge mit Vatikan verbreitert dargestellt. Der Hafen [50]  in der linken oberen Bildhälfte im Supplementum und auch einige Hügel im Hintergrund werden weggelassen. Zusätzlich wird der Horizont verkleinert, wodurch eine völlige Konzentration auf den städtischen Bereich erzeugt wird.
Im Detail ergeben sich noch einige nicht unbedeutende Veränderungen. So sind in Wohlgemuts Stadtmauer nur drei, statt der im Vorbild vorhandene fünf, Stadttore eingezeichnet. Außerdem sind in der Weltchronik keine Fenster oder andere Öffnungen eingezeichnet, wie im Supplementum, wodurch die Stadtmauer noch trutziger wirkt. Die Brückenzahl ist ebenfalls auf zwei, statt vier, reduziert und die Tiberinsel wurde auch weggelassen, was ebenfalls eine Konzentration auf das wesentliche bedeutet.

3. Deutung

Auch beim Holzschnitt wird wieder die Verbindung von christlicher Stadt mit der antiken Stadt herausgestellt, wobei es hier in einer deutlich komprimierteren Form von Statten geht. So fallen zwei Akzente auf, die das Bild hervorhebt. Auf dem östlichen Tiberufer, also im Vordergrund ist die eigentliche Stadt deutlich  verkürzt dargestellt. Dafür werden viele wichtige antike Gebäude vergrößert dargestellt und ragen aus dem Stadtbild empor. Demgegenüber werden auf der westlichen Tiberseite vor allem die Kirche von S. Spirito und der Petersdom neben den päpstlichen Gebäuden von Vatikan und der Engelsburg betont. Daraus ergibt sich eine Gegenüberstellung von antiker und christlicher Stadt.
Daneben wird vor allem die Stadt als umgrenzter Raum deutlich. Sowohl im Vordergrund als auch im Hintergrund sind die Stadtmauern Roms deutlich zu erkennen. Die Mauern stehen trutzig und sehr geschlossen im Vordergrund  und schließen die Stadt im Hintergrund vom Umland ab.
Durch die Veränderungen zum Vorbild ist es Wohlgemut gelungen den Holzschnitt über Rom auf Schedels Text anzupassen. Beide stellen zwei unterschiedliche Teile der Stadt dar, aber mit den gleichen Aussagen, wodurch sie sich ergänzen und damit das Bild abrunden.

IV. Zusammenfassung

Der Autor Hartmann Schedel war ein humanistisch gebildeter Arzt aus Nürnberg, der eine Sammelleidenschaft für Bücher entwickelte. Mit diesen Büchern beschäftigte er sich intensiv. Durch seine Bildung war er Teil eines humanistischen Kreises um Sebald Schreyer und Konrad Celtis.
Michael Wohlgemut besaß als Maler ein besonderes Interesse für Stadtansichten und gehörte zu den ersten namentlich erfassten Entwerfern von Holzschnitten.
Beide waren maßgeblich an der Erstellung der Weltchronik beteiligt, die von 1491 bis 1493 produziert wurde. Schedel verfasste zusammen mit Georg Alt den lateinischen Text. Es ist kein Eigenwerk Schedels, sondern eine Kompilation der Werke seiner Bibliothek.
Im Textabschnitt über Rom wird über die Hügel der Stadt ihre Kirchen und antiken Ruinen berichtet, wobei der Text eine Kompilation aus Foresto da Bergamos Supplementum Chronicarum und eines Stadtführers ist, was anhand zweier Beispiele deutlich gemacht wurde. Dabei wird im Text nicht die eigentliche Stadt sondern das spärlich besiedelte Umland beschrieben und auch auf keine der Veränderungen der jüngeren Vergangenheit eingegangen. Schedel will mit dem Text von der ewigen Stadt Rom berichten, die auf eine mehr als zweitausendjährige Geschichte zurückblicken kann. Er stellt sie als Stadt dar, die sich vom Sitz der heidnischen Kaiser zum Sitz der christlichen Päpste gewandelt hat und dabei einen geschlossenen Komplex darstellt.
Der Holzschnitt zeigt den Blick von Osten auf die Stadt, in der der Borgo und St. Peter im Mittelpunkt stehen. Dabei werden die kaiserlichen antiken Bauten auf dem Ostufer den christlich-päpstlichen Bauten auf dem Westufer entgegengestellt. Die Hügel und Vorstädte, die im Text so ausführlich erläutert werden, sind darauf nicht zu sehen, wodurch das eigentliche Stadtgebiet betont wird. Insgesamt ist der Holzschnitt die komprimierte Aussage des Textes, denn auch hier geht es um den Wandel der antiken zur christlichen Stadt. Aber hier wird der im Text weniger beachtete Stadtkern betrachtet.
Beide Teile, Text und Holzschnitt, haben nur wenig Berührungspunkte, außer im Borgo, und ergänzen sich dadurch zu einem gesamten Stadtbild von Rom.
Insgesamt ist zu sehen, dass sowohl Schedel als auch Wohlgemut Rom als ewige Stadt mit ihrer Geschichte vermitteln können. Dabei erkennt man am Text deutlich Schedels humanistische Bildung wieder. Obwohl Foresto da Bergamos Supplementum Chronicarum als Quelle für Text und Holzschnitt erkannt wurden, wurde bei beiden doch eine ganz andere Aussage über Rom geschaffen, die im Geiste des Nürnberger Frühhumanismus steht.
 

Fussnote(n):
[46] Schedel Weltchronik, fol 57v-58r. Siehe Bild 1.
[47] Kreuer, Werner (Hrsg.): Imago civitatis. Stadtbildsprache des Spätmittelalters, Essen 1993. S. 156.
[48] Foresti da Bergamo, Jacobus Pilippus: Supplementum Chronicarum orbis ab initio mundi, Venedig 14902, fol. 49r;
[49] 11,5 x 14 cm im Supplementum gegenüber 22,6 x ca 53 cm in der Weltchronik (Angaben entnommen aus dem Prometheus Bildarchiv)
[50] Vermutlich der städtische Hafen Ripa Grande.

 
Literatur und Quellenverzeichnis a) Quellen
  • Foresti da Bergamo, Jacobus Pilippus: Supplementum Chronicarum orbis ab initio mundi, Venedig 1486, digitalisiert auf:
    http://fondosdigitales.us.es/books/digitalbook_view?oid_page= 95173 (Stand 9.7.2006)
  • Holzschnitt "Urbs Roma", aus: Foresti da Bergamo, Jacobus Pilippus: Supplementum Chronicarum orbis ab initio mundi, Venedig 14902, fol. 49r, abgebildet in: http://prometheus2.khi.uni-koeln.de.
  • Gesellschaftsvertrag vom 29.Dezember 1491, abgedruckt in: Rücker, Elisabeth: Die Schedelsche Weltchronik. Das größte Buchunternehmen der Dürerzeit. München 1973. S. 136-137.
  • Schedel, Hartmann: Weltchronik, Nürnberg 1493, faksimiliert in: Schedel, Hartmann: Weltchronik. Kolorierte Gesamtausgabe von 1493, eingeleitet u. kommentiert von Stephan Füssel, Augsburg 2005.
    Die Originalfassung der Weltchronik ist bei Wikisource ediert (allerdings noch unvollständig (Stand 29.9.2007)] und eingescannt:
    http://de.wikisource.org/wiki/Schedel%E2%80%99sche_Weltchronik (29.9.2007)
  • (Der Augsburger Nachdruck Johann Schönspergers von 1500 ist digitalisiert zu finden:
    http://mdzx.bib-bvb.de/bsink/Seite_S-199,1.html (29.9.2007)
  • Durch folgenden Link gelangen sie zu den Seiten, die Rom betreffen:
    http://mdzx.bib-bvb.de/bsink/Seite_S-199,1,n4b,n5a.html (29.9.2007)
    Der Text ist in wesentlichen Teilen identisch, nur das Format und die Anordnung entsprechen nicht denen der Originalausgabe von 1493.
b) Literatur
  • Füssel, Stephan: Buch der Chroniken, in: Schedel, Hartmann: Weltchronik. Kolorierte Gesamtausgabe von 1493, eingeleitet u. kommentiert von Stephan Füssel, Augsburg 2005. S. 7-37 u. S. 634-669
  • Füssel Stephan:  Die Welt im Buch. Buchkünstlerischer  und humanistischer Kontext der Schedelschen Weltchronik von 1493. Mainz 1996
  • Arnaldi,Girolamo u. Marazzi, Frederico: Rom. Vom 4. bis zum 10. Jahrhundert, in: Lexikon des Mittelalters Bd. 7. München 1995, Sp. 967-972.
  • Hernad, Béatrice u. Worstbrock, Franz Joseph:  Schedel, Hartmann, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon Bd 8, Berlin und New York 1992. Sp 609-621.
  • Klemm, Christian: Wolgemut, Michael, in: Lexikon des Mittelalters Bd. 9, München 1998. Sp. 317-318.
  • Krautheimer, Richard: Rom. Schicksal einer Stadt 308-1308. München 1987.
  • Kreuer, Werner (Hrsg.): Imago civitatis. Stadtbildsprache des Spätmittelalters, Essen 1993.
  • Rücker, Elisabeth: Die Schedelsche Weltchronik. Das größte Buchunternehmen der Dürerzeit. München 1973.
  • Sanfilippo, Mario: Rom . Vom 11. bis zum 15. Jahrhundert, in: Lexikon des Mittelalters Bd. 7. München 1995, Sp. 972-978.
  • Slenczka, Eberhard: Die Weltchronik des Hartmann Schedel aus Nürnberg, in: Quasi Centrum Europae. Europa kauft in Nürnberg 1400-1800, hrsg von Hermann Maué u.a., Nürnberg 2002. S.285-303. S. 300.
  • Struve, Tilmann: Roma caput mundi. Die Gegenwart Roms in der Vorstellung des Mittelalters, in: Von Sacerdotium und Regnum. Geistliche und weltliche Gewalt im frühen und hohen Mittelalter, hrsg. von Franz-Reiner Erkens und Hartmut Wolff. Köln, Weimar und Wien 2002. S.153-179.
 

 
Empfohlene Zitierweise:

Schnupp, Stefan: Das Rombild in der Schedelschen Weltchronik. Aussagen und Intentionen, in: Aventinus. Die Historische Internetzeitschrift von Studenten für Studenten [Ausgabe - ],
www.aventinus.geschichte.uni-muenchen.de/index.php?ausg=&id=80&subid=70
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Schnupp, Stefan

Geboren am 06.08.1984
studiert Magister NNG, BG, KG seit WiSe 04/05
Chefredakteur von Aventinus

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