Mit der
Fixierung von Information in Überblicksmedien ist jedoch der kommunikativen
Dynamik von administrativen Prozessen nicht beizukommen, weshalb versucht
wurde, auch die Korrespondenz zu optimieren, etwa dadurch, daß die
Schreibformate auf die Herausforderung einer effektiveren und schnelleren
Bearbeitung und Weiterverarbeitung hin auszurichten waren. So wurde bei
Schreiben an Philipp II. gefordert, einen breiteren Rand freizulassen, der
gleich zur unmittelbaren Beantwortung oder Kommentierung zur Verfügung stand.
[24] Dies stützte die Praxis des schriftlichen Dialogs, den Philipp II. mit
seinen Räten führte, und half die Menge der Schriften und des Geschriebenen zu
begrenzen, ließen sich doch auf diese Weise die Bezüge der Antwort direkt durch
ihre Position auf der Anfrage erkennen. Inhaltlich wurden Korrespondenten
aufgefordert, thematisch klar gegliederte Absätze zu machen und die Gliederung
auf wenige vorgegebene Kategorien zu reduzieren (Verwaltung, Justiz, Krieg und
Finanzen). [25] Selbst Vizekönige hatten sich dieser Schreibformate zu
bedienen. [26] Briefliche Korrespondenz wurde also formal auf ihre
Weiterverarbeitung in der Ratsbürokratie abgestimmt. Ähnliche Züge zur
Systematisierung des Informationsaustausches finden sich jedoch auch außerhalb
der administrativen Schriftlichkeit, etwa in Schreiberlehren für spanische
Adelige, die ebenfalls dazu auffordern alles abschnittsweise und mit klarer
Themengliederung abzufassen. Die Selbstverständlichkeit solcher Praktiken
spiegelt sich in einer Überlegung des Hieronymiten Lucas de Alaejos von 1607
wider. Er vermerkte in Hinsicht auf die Schreibpraxis Gottes, daß dieser wohl
trotz seiner Unfehlbarkeit zunächst Entwürfe (borradores) angefertigt habe, bevor er seine göttlichen Gedanken
endgültig schriftlich abfaßte. [27] Der Diplomat und ehemalige Sekretär Diego
de Saavedra Fajardo stellte die Schriftlichkeit Gottes in ein etwas
professionelleres Licht, meinte er doch, daß ihm die Evangelisten als
Sekretäre Tag und Nacht mit Feder und Papier zur Verfügung stehen würden. [28]
Wie dem auch sei, die Ratsgremien
und der König selbst befanden sich, bei allem Bemühen um brevitas und
Methodik, letztlich in einer kommunikativen Falle. Die größte Entlastung hätte
sich dadurch ergeben, daß man bestimmte Korrespondenten oder Teile der
Information gar nicht erst zuließe, dadurch würde man sich selbst jedoch vom
Informationsfluß abschneiden, was im Falle zumindest der spanischen
Kolonialverwaltung der Frühen Neuzeit nie als Lösung akzeptiert wurde. Im Gegenteil:
Das Zurückhalten von Briefen amerikanischer Untertanen wurde von Philipp II.
wiederholt unter hohe Strafe gestellt. [29] Im Indienrat selbst sollte das
Verlesen von Briefen aus Amerika stets Vorrang haben. [30] Auch das Gedruckte
sollte im Indienrat präsent sein, wurden doch zwanzig Belegexemplare von jedem
amerikanischen Druck eingefordert. [31] Die Initiative zur Einsendung von Schriften
lag in einigen Bereichen auf der anderen Seite des Atlantiks, vor allem bei
denjenigen Schreibern, die um einen Gnadenerweis ersuchten. Insbesondere in
diesen Fällen wurden formale und verfahrenstechnische Schwellen eingezogen, um
das Überhandnehmen der Schriften einzudämmen. Berichte über die eigenen
Leistungen (relaciones de méritos)
durften seit 1608 nicht mehr auf Eigeninitiative von Ordensmitgliedern an den
Rat gesendet werden, sondern nur noch auf Anforderung des Rates. [32] Desgleichen
wurde festgelegt, daß entsprechende Schreiben von weltlichen Untertanen nur in
Begleitung einer Stellungnahme eines Vorgesetzten zugelassen wurden. [33]
Klar
erkennbar ist weiter der Versuch, mediale Doppelungen oder auch Wiederholungen
von Informationen zu vermeiden. So gab es eine Reihe von Maßnahmen, die es den
Autoren schriftlicher Suppliken verbieten sollten, persönlich zu erscheinen.
Dadurch sollte vermieden werden, daß sich Bittsteller gewissermaßen einen
zweiten, persönlichen ‚Kanal’ zu den bearbeitenden Räten schufen. Aus einer
Anweisung des Königs von 1588 geht hervor, daß dies gerade von Klerikern und Mönchen
aus Amerika trotz der langen Reise immer wieder praktiziert wurde, um Druck auf
ihre Einsetzung in vakante Ämter auszuüben. Im Gegenzug wurden die Anwesenden
nun registriert und ihnen mitgeteilt, daß sie erst dann berücksichtigt werden
können, wenn sie zurück in Amerika seien. Komplementär dazu durfte der
Präsident des Indienrates keinen am Hofe Anwesenden auf die Vorschlagslisten
zur Ämterbesetzung aufnehmen. [34] Innerhalb des Indienrates galt durch
königliche Instruktion, daß Petitionen nur einmal, Ansuchen um königliche
Gunsterweisungen nur zweimal verlesen werden durften. Eine weitere Wiederholung
wurde verboten und zugleich die Höhe des Strafmaßes bei einfachen oder
wiederholten Umgehungsversuchen festgelegt. [35] Diese Versuche, die
Wiederholung von Information bzw. die Vervielfachung von Anliegen zu vermeiden,
hatte ihr paradoxes Gegenstück dort, wo es nicht um den Input, sondern um den
normativen Output des Königs ging. Um die Durchsetzungschancen königlicher
Anordnungen zu erhöhen und ihre Geltung zu stabilisieren, sollten sie in
regelmäßiger Wiederholung verlesen werden. Üblicherweise mußten so in den
Ämtern zu Jahresbeginn die Instruktionen vorgelesen werden. Für lokale Richter
und Stadtbeamte Neuspaniens erging 1561 die Anweisung, sie sollten die
Verlesung ihrer Instruktionen mindestens einmal monatlich wiederholen. Am
meisten mißtraute Philipp II. aber seinem Sohn, dem späteren Philipp III., dem
er in seinem Politischen Testament dazu riet, die enthaltenen Ratschläge einmal
pro Woche zu lesen – mindestens. [36]