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Doch setzten diese Vorgänge noch immer keinen endgültigen Schlusspunkt hinter die Münchner Königspläne. Auch in der Folgezeit verhandelte Max III. Joseph mit Friedrich II. von Preußen, mit Staatsminister Pitt am englischen Königshof oder mit Vertretern des französischen Königs zu Versailles im Vorfeld des Aachener Friedenskongresses 1748 oder des geplanten, nie realisierten Friedenskongresses zu Augsburg 1761 - immer natürlich geheim - über eine Rückkehr der Kaiserkrone an das Haus Wittelsbach. Dabei tauchen am Rande auch immer wieder die Ländertauschprojekte der Zeit Max Emanuels auf. Wenn dem Kurfürsten im Reich die erhoffte Krone versagt blieb, dann dachte auch Max III. Joseph daran, sich notfalls außerhalb des Reiches dafür entschädigen zu lassen. Die europäische Politik ist aber über diese Wünsche bedenkenlos hinweggegangen. Ab 1745 wurde zumindest die Reichskrone für das Haus Wittelsbach endgültig ins Reich der Träume verbannt.
Aus diesem Grunde konzentrierte der Kurfürst seine diesbezüglichen Bemühungen in die Innerpolitik. Er wollte sich hier Ersatz verschaffen. Das galt zum einen für die Heiratspolitik. Die Ehe Max III. Josephs mit Maria Anna Sophie von Sachsen wurde auch unter dem Aspekt geschlossen, dass sich der Kurfürst, selber als Sohn eines Kaisers und einer Kaisertochter einer der vornehmsten aller Wittelsbacher, mit einer Angehörigen des königlichen Hauses Wettin verehelichte, deren Mutter ebenfalls kaiserlichen Geblüts war. Im Gegenzug heiratete die Lieblingsschwester Maria Antonia Walpurgis in die wettinische Königsfamilie ein; auf diesem Wege sollten für die Wittelsbacherin Ansprüche auf die polnische Königskrone begründet werden, die nach dem Tod des Gatten Friedrich Christian wirklich angemeldet wurden, freilich nicht mehr durchgesetzt werden konnten. Demonstrativ wurde das Wappen des königlichen Hauses Wettin an der Schaufassade der Theatinerhofkirche St. Kajetan zu München platziert. Noch deutlicher kommen die Königsambitionen Max III. Joseph in der Verheiratung seiner jüngsten Schwester Josepha mit Kaiser Joseph II. 1765 zum Ausdruck; diese wenig nahe liegende Verbindung wird zumindest einigermaßen verständlich durch den Glanz, den die Reichskrone nach wie vor ausstrahlte. Wenn sie schon dem Landesherrn versagt blieb, so sollte zumindest die Schwester als Kaiserin noch einmal einen Schimmer der Reichskrone auch ihrem Elternhaus Wittelsbach verschaffen. So viel Ausstrahlung ging noch immer vom Kaisertum aus. Das zeigt auch der Blick in die Hofkunst, die Max III. Joseph mehrfach in unverkennbar imperialer Pose darstellte.
Die wirkungsvollsten Aktivitäten bezüglich des wittelsbachischen Königtums unternahm die Wissenschaft. Diese Frage wurde eines der frühen Hauptthemen der 1759 gegründeten Bayerischen Akademie der Wissenschaften[19]. In ihrem Umfeld wurden Abhandlungen zur hochaktuellen Thematik angefertigt. Die wichtigste diesbezügliche Untersuchung stammt von Michael Adam Bergmann, der bereits 1754 eine "Dissertatio de ducum Bojoariae jure regio" vorlegte. Sie wurde nach der Gründung der Gelehrten Gesellschaft sehr rasch Mittelpunkt einer lebendigen Auseinandersetzung über die Kernfrage, ob den Münchner Kurfürsten nun ein solches Königsrecht zukomme oder nicht. Das Problem wurde in den sechziger Jahren mit unverkennbarer Erregung behandelt. Da dieses Königsrecht in erster Linie an der beanspruchten Kirchenhoheit festgemacht wurde, schalteten sich auch Wissenschaftler aus ganz - sogar dem protestantischen - Deutschland und Österreich ein. Zum Wortführer am Münchner Hof machte sich der Gründer Akademie persönlich: Johann Georg von Lori. Der engagierte Verfechter des bayerischen Staatskirchentums legte eine umfassende Sammlung einschlägiger Dokumente an, die im Bayerischen Hauptstaatsarchiv München als Sammlung Lori erhalten ist. Sie wurde Grundlage des sehr scharf geführten Kirchenkampfes, der im Jahre 1768 seinen Höhepunkt erreichte. Auch die Forschung wurde also ganz im Sinne des Rationalismus der Aufklärungsepoche in den Dienst der Königspolitik gestellt. |
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