Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
  Aus dem Archiv (Ausgabe 02 - Sommersemester 06)
 

Weigand, Katharina

 
 

Max II., Ludwig II. und Prinzregent Luitpold: drei bayerische Monarchen und ihre Bilderwelten

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Staatsrechtlich stellte sich dieses Ansinnen als nicht gerade einfach zu lösendes Problem dar. Denn nirgends war definiert, ob eine Regierungsunfähigkeit allein schon durch dauerndes Schuldenmachen des Königs gegeben war, unklar war darüber hinaus, wer die Initiative zur Einsetzung der Regentschaft ergreifen dürfe. Und dabei hatte man noch nicht einmal das Problem berührt, wer feststellen könne und dürfe, daß der König regierungsunfähig sei. Weniger Schwierigkeiten bereitete folgende Bestimmung der bayerischen Verfassung: So sollte die vom bayerischen Ministerium angestrebte "Reichs-Verwesung" - also die Regentschaft - "demjenigen volljährigen Agnaten" gebühren, "welcher nach der festgesetzten Erbfolge-Ordnung der Nächste ist." Der nächste in der bayerischen Thronfolge nach Ludwig II., der keine Nachkommen hatte, und seinem jüngeren gleichfalls kinderlosen Bruder Otto, der damals schon seit einigen Jahren entmündigt und unter ständiger Aufsicht im Schloß Fürstenried verwahrt wurde, war Prinz Luitpold [10], der dritte und einzig noch lebende Sohn König Ludwigs I.

1886 zögerte dieser wittelsbachische Prinz, lange wollte er nichts wissen von einer Entmündigung Ludwigs II. Hier dürfte  Luitpolds offensichtliche Scheu vor größerer Verantwortung, ja vor Veränderungen ganz allgemein eine Rolle gespielt haben. Er war alles andere als ein Homo politicus. Der eigentliche Grund für seine Abwehr war jedoch seine legitimistische Grundhaltung, seine Auffassung von der einzigartigen Stellung des Monarchen. Für Luitpold war die Absetzung eines Herrschers von Gottes Gnaden gegen dessen Willen im Grunde unvorstellbar. Erst als schließlich Minister Johann von Lutz mit irreparablen Schäden für das System der Monarchie drohte und der Münchner Psychiater Bernhard von Gudden König Ludwig II. nicht nur rundweg für geisteskrank erklärte, sondern auch bereit war, ein umfassendes medizinisches Gutachten als rechtliche Grundlage für die Entmündigung zu erstellen, da stimmte Luitpold widerstrebend einem solchen Verfahren zu: Am 10. Juni 1886 wurde die Einführung der Regentschaft öffentlich proklamiert.

Bis heute gilt die damit anhebende sogenannte Prinzregentenzeit als Bayerns eigentlich "gute alte Zeit". Der Antritt der Regentschaft im Jahre 1886 hatte dagegen unter einem ganz anderen Stern gestanden. Bereits die Tatsache der Übernahme, vor allem aber die Art und Weise des Regentschaftsantritts und damit Ereignisse, für die er gar nicht oder zumindest nicht allein verantwortlich war, wurden Luitpold von nicht wenigen in Bayern verübelt. Die eigentliche Katastrophe im Kontext der Regentschaftsübernahme des Prinzen Luitpold ereignete sich jedoch erst am 13. Juni 1886, als Ludwig II. im Starnberger See zusammen mit seinem Arzt den Tod fand. Zahlreiche Zeitungen wurden konfisziert, da man fürchtete, daß die darin abgedruckten Berichte, die den Tod Ludwigs II. z.T. kaum verhüllt in die Nähe eines Mordes rückten, zu einer offenen Volkserhebung führen könnten.

Doch bereits 1891, zu seinem 70. Geburtstag, spätestens aber 1901 und besonders augenfällig dann 1911, als Luitpold das Alter von 90 Jahren erreichte, wurde der Regent allgemein gelobt und besungen als "Vater des Vaterlands", als "edler Fürstengreis", als "Segen seines Hauses" wie als "Segen des Vaterlandes", als "edler Wittelsbacher" oder ganz schlicht als "Vater Luitpold". Wie konnte es - und zudem verhältnismäßig rasch - zu einem derartig tiefgreifenden Stimmungsumschwung kommen?

Nun war es ja durchaus nicht allen bayerischen Untertanen in den Sinn gekommen, einen Aufstand gegen Luitpold anzuzetteln. Und gerade in bürgerlichen, in gebildeten Kreisen war zuvor auch Kritik am Verhalten König Ludwigs geübt worden, denn dieser hatte sich seinen Untertanen ja nie gezeigt, er hatte keinen erkennbaren Anteil an den Geschehnissen im Lande genommen. So mußte es nun, nach Luitpolds Übernahme der Regentschaft, im Interesse sowohl des Regenten als auch des Ministeriums liegen, neue Maßstäbe zu setzen: Das vordringlichste politische Ziel gerade der Minister war, die Popularität des Regenten zu steigern und auf diese Weise die monarchische Staatsform in Bayern zu stabilisieren. Konkret hieß das, der Prinzregent sollte - als oberste Spitze des Königreiches - zum einen wieder sichtbar werden, den Untertanen in Erinnerung rufen, daß es eine solche Staatsspitze tatsächlich noch gab. Zum anderen galt es, den Prinzen Luitpold dem bayerischen Volk auf eine Art und Weise zu präsentieren, die mithalf, Ludwig II. und die Umstände seiner Entmachtung rasch vergessen zu lassen. Mehrere Faktoren trugen schließlich dazu bei, daß genau dies gelang - trotz der 1886 so hoch gegangenen Emotionen und Aversionen.

 

Fussnote(n):
[10] Zu Prinz bzw. Prinzregent Luitpold vgl. Weigand, Katharina: Prinzregent Luitpold. Die Inszenierung der Volkstümlichkeit?; in: Schmid / Weigand, Herrscher (wie Anm. 7), S. 359-375.

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