Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
  Aus dem Archiv (Ausgabe 01 - Wintersemester 05/06)
 

Wallner, Michael

 
 

Alexander von Humboldt

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  Sie betreten zum ersten Mal amerikanischen Boden im heutigen Venezuela. Alexander schreibt voller Begeisterung an seinen Bruder Wilhelm: "Wunderbare Pflanzen, Zitteraale, Tiger, Armadölle, Affen, Papageien ? Welche Bäume! Kokospalmen, 50-60 Fuß hoch!" Er stößt vor in die gewaltigen Flussläufe des Regenwaldes, um die Verbindung der Systeme des Amazonas und des Orinocos zu beweisen, die damals nur den Indios bekannt war. Und der Nachweis gelingt ihm als ersten Europäer! Die Strapazen sind unerträglich, es regnet täglich, im Schlaf werden sie von Moskitos zerstochen. Diese sind in der Luft, beim Atmen, beim Essen und beim Schlafen. Die Mannschaft gräbt sich ein für die Nacht. Parasiten fressen sich unter die Haut, legen dort ihre Eier. Er lässt sich von geduldigen Indiofrauen freistechen. Humboldt muss lernen, sich im Dschungel zu ernähren von Maden, Alligatoren- und Affenfleisch. Trotz aller Strapazen genießt er diese Zeit sehr, in sein Tagebuch schreibt er: "Nie habe ich mich in meinem Leben gesünder gefühlt." Er ist fasziniert von der grandiosen Vielfalt der Umwelt, er katalogisiert alle Pflanzen, die er finden kann. Am Ende wird er allein 3500 neue Arten bestimmt haben. Humboldt trifft auch den Rousseauschen Wilden, aber er verklärt ihn nicht zum mystischen Urmenschen, sondern betrachtet die Indios als Stämme mit eigenen Riten und will alles verstehen, was sich dahinter verbirgt. Bei den Mayas bewundert er deren alte Tempelanlagen, studiert ihren Kalender. Diese Grundhaltung des Respekts ist es, die Humboldt in Lateinamerika so berühmt macht. Er erobert nichts oder unterdrückt Völker, er vermisst und erforscht alles. Auf Kuba schreibt er solch ein wütendes Pamphlet gegen die Sklaverei, dass es dort verboten wird.  

  In den Anden macht Humboldt sich daran, den damals höchsten bekannten Berg der Welt zu besteigen - den Chimborazo. Heute muss jeder Bergsteiger den Kopf schütteln angesichts der Naivität, mit der er zum Sturm auf den Sechstausender ansetzt. Gegen die Kälte hat er sich einen Poncho übergeworfen, die Stiefel haben sich mit Wasser voll gesogen, er leidet darüber noch an einer Fußverletzung. Der Aufstieg ist beschwerlich über einen schmalen Grat, bedeckt von vielen Felsen, oftmals muss man sich im Nebel auf allen vieren vorwärts bewegen. Die Hände sind aufgeschürft, die Augen sind blutunterlaufen. Seine Träger sind der Höhenkrankheit nicht gewachsen und kehren mit der Zeit um. Humboldt geht unbeirrt weiter, der Forschergeist drängt ihn nach vorne. Meter um Meter. Doch als mit einem Mal der Nebel aufreißt, wird Humboldt mit einem Schlag für alle Strapazen entschädigt. "Es war ein ernster, großartiger Anblick", wie er später notiert. Da der Grat unterhalb des Gipfels abgebrochen ist, muss dieser unerreicht bleiben. Nichtsdestotrotz stellt er damit den damaligen Höhenrekord auf und hält ihn für die folgenden dreißig Jahre.  

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