Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
  Aus dem Archiv (Ausgabe 02 - Sommersemester 06)
 

Schmid, Alois

 
 

Die bayerische Königspolitik im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit

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Die kurfürstliche Zeit

 
 

Die königlichen Ansprüche kamen in der Politik zum nächsten Mal in den frühen Jahren des  kraftvollen Maximilian I. (1598-1561) zum Tragen[15]. In einer Phase der Schwäche des Hauses Habsburg machte er sich daran, an dessen Stelle im Reichsverband zu gelangen. Als Gründer und Anführer der Katholischen Liga versammelte er hinter sich einen Großteil der katholischen Reichsstände. Sein Eintritt in den Dreißigjährigen Krieg ist vor allem von dieser Führungsfunktion über die unmittelbaren Stammlande hinaus bestimmt. Auch dieses Mal arbeitete eine anspruchsvolle Hofhistoriographie dem Landesherrn wirkungsvoll zu. In seinem Auftrag beschäftigte sie sich mit den Kernproblemen der Politik dieser Zeit. Das bezeichnendste literarische Werk der Epoche wurde die "Bavaria sancta et pia" (4 Bände, München 1615-1627; Dillingen 21704) des Jesuitenpaters Matthäus Rader, die das konfessionspolitische Grundziel des Landesherrn als katholischer Führungsmacht historiographisch untermauerte. In einem ungedruckt gebliebenen, in seinem Nachlaß im Bayerischen Hauptstaatsarchiv zu München überlieferten Werk kam Rader noch deutlicher zur Sache: Ob Bayern Könige gehabt? Seine Schlussfolgerung lautete: Wenn Bayern von Anfang an ein Königreich gewesen ist und seine Herrscher oftmals den Königsrang erreichten, dann steht  ein solcher dem Landesherrn auch in der Gegenwart zu. Mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln bemühten sich die Historiker um den gesicherten Nachweis der direkten Abstammung der Wittelsbacher von Karl dem Großen, der vielsagend auf die Fassade der St. Michaels-Kirche in München gestellt wurde, und die Verteidigung Kaiser Ludwigs, der vor allem vom noch immer auf ihm lastenden Kirchenbann befreit werden sollte. Die Kaiser Karl der Große und Ludwig der Bayer waren auch Maximilians I.  erklärte Vorbilder.

Tatsächlich hat Maximilian aus derartigen Gedanken politische Konsequenzen gezogen. Da das Haus Habsburg eine Phase der Krise durchlebte, trug er sich mit dem ernsthaften Gedanken einer Bewerbung um die Kronen, die die Häupter seiner habsburgischen Verwandten zierten. Dafür fand er durchaus die Unterstützung mehrerer Reichsfürsten. Die wichtige böhmische Königskrone brachte aber zunächst sein wittelsbachischer Verwandter Friedrich V. von der Pfalz am 27. August 1619 in seine Verfügung, konnte sie aber nur wenige Monate behaupten. Seinen Misserfolg hatte der Winterkönig wesentlich dem Münchner Verwandten zuzuschreiben, der ihn am Weißen Berg am 8. November 1620 vom Thron stieß. Trotzdem hat sich Maximilian in entscheidenden Momenten dann doch nicht zur Wahl gestellt und damit den Weg für den Habsburger Ferdinand II. frei gemacht, der am 28. August 1619 auf den Reichsthron erhoben wurde. Der Rückzug Maximilians I. ist wesentlich in seinem reichspolitischen Denken begründet. In der für ihn maßgeblichen Werteskala Dynastie, Territorium, Kirche und Reich setzte er die Prioritäten in der genannten Reihenfolge und richtete daran auch sein  politisches Handeln aus.

Das Problem gewann aber sofort nach dem Tode Maximilians I. erneute Brisanz, als der fast gleichzeitige Wechsel an der Reichsspitze 1657 die Frage einer erneuten wittelsbachischen Kandidatur Ferdinand Marias (1651-1679) um die Reichskrone aufwarf. Abermals wurden die Möglichkeiten in der Geschichtsschreibung theoretisch hinterfragt, mit Deduktionen juristisch untermauert und in Verhandlungen diplomatisch abgeklärt. Einmal mehr gelangte man nach eingehender Prüfung aller bedeutsamen Aspekte zu einem negativen Ergebnis. Der jugendliche Ferdinand Maria konnte sich ebenfalls zu keiner  Kandidatur entschließen, die ihm vor allem von französischer Seite und auch der ehrgeizigen Gemahlin Henriette Adelheid mit großem Nachdruck nahegelegt wurde. Der junge friedfertige Thronfolger wollte seinen Untertanen nach dem zehrenden Großen Krieg den damit verbundenen unvermeidlichen Waffengang ersparen. Mit Recht hat ihm die Nachwelt dafür den Beinamen "der Friedfertige" verliehen.

 

Fussnote(n):
[15] Dieter ALBRECHT, Maximilian I. von Bayern (1573-1651), München 1998.

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