Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
  Aus dem Archiv (Ausgabe 01 - Wintersemester 05/06)
 

Fischer, Mark-Oliver

 
 

Hisarlik und Troia

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  Troia. Seit Jahrtausenden bekannt als die Stadt des König Priamos, die zehn Jahre von Griechen belagert, doch erst durch die List mit dem hölzernen Pferd erobert werden konnte. Auch heute ist das Interesse an der Sage vom Troianischen Krieg nicht erloschen. Zwar leiten heutige Herrscher sich nicht mehr von den Troianern her, aber der Hollywood-Film von 2004 sowie die große Troia-Austellung, die seit 2001 in verschiedenen Städten im In- und Ausland zu sehen war, beweisen ein aktuelles Interesse an einem zehn Jahre dauernden Krieg, geführt um die Liebe einer Frau.  

  Und nicht zuletzt die aktuelle Ringvorlesung des Historischen Seminars der LMU hat mich dazu bewogen, diesen als Proseminararbeit entstandenen Text in gekürzter Form zu veröffentlichen. Er soll der Frage nachgehen, inwieweit sich Übereinstimmungen zwischen der Ilias und dem archäologischen Befund an der Ausgrabungsstätte von Troia nachweisenlassen.  

  Obwohl Homers Ilias eindeutig ein literarisches, und kein geschichtliches Werk ist, wurde lange Zeit nicht an der Historizität des Inhalts gezweifelt. Erst in der Frühen Neuzeit kam eine kritischere Sichtweise auf, die den historischen Wert der Ilias mehr und mehr negierte. Doch die Verfechter des "historischen Troias" starben nie ganz aus, und als 1871 bis 1873 Heinrich Schliemann und Frank Calvert auf dem türkischen Hügel Hisarlik ihre Ausgrabungen begannen, schiensich ihre Position ein für alle Mal durchgesetzt zu haben. Zu eindeutig schienen die Übereinstimmungen von Ilias und archäologischem Befund.  

  Seitdem zweifelte kein Ausgrabungsleiter mehr daran, das homerische Troia finden und den Krieg nachweisen zu können. Und auch die aktuellen Grabungen, die 1988 unter der Leitung des - inzwischen verstorbenen - Tübinger Professors Manfred Korfmann aufgenommen wurden, heizten die Diskussion wieder an. Joachim Latacz, Altphilologe und Begleiter der Grabungen ist überzeugt: "Die Fülle der Indizien" für einen historischen 'Troianischen Krieg', "ist heute beinahe schon erdrückend."[1]  

  Doch nicht alle Wissenschaftler fühlen sich erdrückt, sie zweifeln Korfmanns Interpretation der Grabungsbefunde an.  

  Die unterschiedlichen Standpunkte der 'Korfmanngruppe' und des "Zweiflerzirkels"[2] über Troia, Macht und Bedeutung der Stadt in mykenischer Zeit, sowie über Homer, sein Werk und seine Schreibabsicht lassen sich kurz wie folgt zusammenfassen.  

  Für Korfmann ist Troia eine altanatolische Residenzstadt und Handelsmetropole mit Verbindungen über den ganzen Mittelmeerraum, gelegen an einer Art natürlicher Zollstelle, den Dardanellen, der Einfahrt ins Schwarze Meer. Aufgrund geographischer Gegebenheiten - Wind- und Wasserströmung - muß eine Einfahrt in das Schwarze Meer mit antiken Schiffen mit großen Schwierigkeiten verbunden gewesen sein.Troia profitierte so von seiner Lage als 'letzter Hafen vor den Dardanellen', der entsprechend hohe Hafengebühren erheben konnte.  

  Die Position der Metropole soll auch deutlich werden aus Akten des benachbarten Hethitischen Großreichs, in denen Troia unter dem Namen Wilusa erwähnt sei. In diesen Akten taucht auch ein Reich Achijawa auf, das im Korfmannlager mit den Achaiern - Homers Name für die Griechen - gleichgesetzt wird. Diesem Reich von Achijawa war das reiche und mächtige Wilusa ein Dorn im Auge, weshalb es zu einem Kriegszug kam, im Laufe dessen Troia erobert und zerstört wurde. Kunde davon wurde über 400 Jahre lang mündlich tradiert und weiter ausgeschmückt, bis der Krieg schliesslich von Homer in der Ilias verschriftlicht wurde. Der Kern der Geschichte - also ein Feldzug eines gemeinsamen griechischen Heeres gegen einen mächtigen Konkurrenten - habe sich so bis heute erhalten.  

Fussnote(n):
[1] Joachim Latacz: Troia und Homer. Der Weg zur Lösung eines alten Rätsels. München3 2001, S. 342.
[2] So bezeichnet Latacz die Vertreter der Gegenposition in einem Brief. Nachzulesen in: Cobet, Justus: Vom Text zur Ruine. Die Geschichte der Troia-Diskussion. In: Ulf, Christoph (Hrsg.): Der neue Streit um Troia. Eine Bilanz. München 2003, S. 19-38, hier S. 38, Anm. 57.

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