Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
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Schnupp, Stefan

 
 

Das Rombild in der Schedelschen Weltchronik. Aussagen und Intentionen

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  III. Rom im Text
1. Inhalt

Der Textabschnitt über Rom ist eine der längsten Stadtbeschreibungen in der ganzen Chronik. [27]  Der Text befindet sich im Vierten Weltzeitalter, das chronologisch von der Herrschaft König Davids bis zur Zerstörung Jerusalems erzählt. [28]
Nach einer kurzen Einleitung mit allgemeiner Lagebeschreibung und der Erzählung der Stadtgründung, folgt eine Aufzählung der Stadttore. Danach geht Schedel näher auf die Stadt ein. Er beginnt mit den westlichen Stadtteilen, an den Hügeln Vatikan und Gianicolo. Vor allem St. Peter, der Papstpalast und das Spital S. Spirito in Sassia werden namentlich genannt.
Er setzt die Beschreibung mit der östlichen Stadt und ihren antiken sieben Hügeln fort. Bei den einzelnen Hügeln folgt der Autor dabei einem erkennbaren Muster: Zuerst wird die Namensetymologie geklärt, bevor einzelne Bauwerke aufgezählt. Religiöse Gebäude stehen im Vordergrund. Auffällig ist, dass nur römische Kaiser und Päpste als Erbauer genannt werden.
Schedel beginnt mit dem Capitol, auf dem der Jupitertempel stand und sich nun das Kloster S. Maria in Aracoeli erhebt. Auf dem Aventin spricht er von unzähligen nicht konkretisierten zerstörten Tempel und Altären und den dort vorhanden Klöstern von S. Sabina u S. Bonifatius.
Ausführlicher wird von den Ruinen der Kaiserpaläste und Tempel auf dem Palatin berichtet. Dort steht, laut Schedel, nur noch St. Nikolaus. Etwas vom Schema abweichend werden außerdem der Konstantinsbogen und St. Andreas im benachbarten Tal genannt.
Auf dem Caelius werden neben  dem Tempel des Claudius viele Kirchen erwähnt, ebenso profanere Bauwerke, wie Fleischbänke und eine Pilgerherberge. Besonders ausführlich geht der Autor auf die Lateranbasilika und seinen Palast ein.
Auf dem Esquilin finden neben S. Maria Maggiore und dem Turm der Ritterschaft [29]  vor allem die Diokletiansthermen und die als Palast bezeichneten Konstantinsthermen sein Interesse.
Viminalis und Quirinal werden eher kurz erwähnt, bevor der Text mit dem Tarqinius-Hügel [30]  und der Erwähnung der Aquädukte endet.

2. Untersuchung der Passage
a) Quellen

Hartmann Schedel konnte auch bei diesem Text auf verschiedene Quellen aus der zeitgenössischen Literatur zurückgreifen. Die Forschung [31]  hat vor allem zwei Werke im Text erkannt: zum einen Jacobus Pilippus Foresti da Bergamos "Supplementum Chronicarum" [32]  und zum anderen einen der vielen Reiseführer für Pilger, meistens "Mirabilia Romae" genannt. Es konnte bisher kein bestimmter Führer ausgemacht werden [33] .
Aus dem Supplementum chronicarum werden keine längeren Passagen übernommen, sondern nur einzelne Sätze und Formulierungen, die neu kombiniert werden. So entspricht die Formulierung "Roma[m] igitur urbe[m] toto orbe celebrant" [34]  dem Beginn des deutschen Textes: "Rom die Statt in der ganzen werltt berümbt [...]". [35]  Während aber im Supplementum gleich über Romulus und die Stadtgründung gesprochen wird, schmückt Schedel den Satz durch die Bemerkung "ein herrin aller ding in welschen Landen bey dem fluss Tyberis gelegen" [36]  aus und fährt dann erst mit der Stadtgründung fort.
Zwar werden im Supplementum auch einige römische Kirchen näher beschrieben. [37]  Deren Vielzahl aber, allein 21 Kirchen und Klöster finden namentliche Erwähnung, können nur aus einem Pilgerführer stammen. Solche Schriften erschienen seit dem  12. Jahrhundert [38]  und waren weit verbreitet. Elisabeth Rücker erwähnt, dass 1491 sogar einer dieser Führer in Nürnberg gedruckt wurde. Einen anderen Hinweis auf solche Führer erhält man, durch die Erwähnung "pilgram herberg" [39]  auf dem Caelius und des Spitals S. Spirito in Sassia, das gleichzeitig Spital und Pilgerherberge war. [40]
Man kann also festhalten, dass der Rom-Text ein gutes Beispiel für die Kompilation in Schedels Weltchronik ist.

b) Beschreibung und Wirklichkeit

Im Mittelpunkt des Textes stehen, allgemein formuliert, die religiösen Bauten der Stadt. Nebenbei werden noch einige andere wichtige Gebäude, wie die Ruinen der Kaiserpaläste auf dem Palatin und die beiden päpstlichen Paläste Lateran und Vatikan erwähnt.
Ein großes Problem bei der Beschreibung ergibt sich durch die Gliederung des Textes. Die Hügel der Stadt, sieben auf der östlichen, sowie Gianicolo und Vatikan auf der westlichen Tiberseite, strukturieren den Text und machen ihn relativ übersichtlich. Da fast ausschließlich nur die Gebäude auf den Hügeln beschrieben werden, geht es vor allem um die "Disabidatio" [41] .  Der Ausdruck bezeichnet das spärlich besiedelte Gebiet zwischen der eigentlichen Stadt im Gebiet des Tiberbogens und der Aurelianischen Mauer, das im Frühmittelalter durch den dramatischen Bevölkerungsrückgang entstand. [42]  Dort entstanden kleinere Siedlungen und die beiden Vorstädte um den Lateran und S. Maria Maggiore. Auf dem restlichen Gebiet gab es, außer Ruinen und die instand gehaltenen Kirchen, nur Weiden und Felder.
Das eigentliche Stadtgebiet [43] , "Abidatio" genannt, erstreckte sich zu dieser Zeit auf das Gebiet des Borgo, des Stadtviertels vom Vatikan bis zur Engelsburg, und des Tiberbogens, sowie der Tiberinsel und Trastevere. Es wird, vor allem was den Tiberbogen und Trastevere betrifft, bei Schedel nicht erwähnt, weil es sich größtenteils in der Ebene befindet. Seine Gliederung nach Hügeln orientiert sich nicht am mittelalterlichen Stadtbild, sondern dem antiken.
Durch diese Methode bleiben auch einige der berühmtesten Bauten der Stadt im Text unerwähnt. Weder Kolosseum noch Pantheon werden genannt. Auch der seit Beginn des 15. Jahrhunderts einsetzende Wandlungsprozess der Stadt, der durch die großen Bauprojekte der zurückgekehrten Päpste einsetzt, findet in der Weltchronik keinen Niederschlag. [44]  

3. Intention

Die oben gezeigte Untersuchung der Quellen und den Aussagen des Textes machen deutlich, dass es sich hier um keine Beschreibung im Sinne eines Stadtführers handelt. Es ist auch kein wirklichkeitsnaher Text, da er die eigentliche Stadt fast vollständig außer Acht lässt und sich den Randgebieten widmet. Schedel geht es hier mehr um die Betonung der "ewigen" Stadt, die eine lange Geschichte vorzuweisen hat. Sie war und ist damals eines der Zentren dieser Welt, ein Ort mit geschichtlicher Kontinuität. Er beschreibt die Abwendung von heidnischen Tempeln, deren Zerfall und an ihrer Statt die Errichtung von Kirchen, was als Botschaft durch das ständige Aufzählen der zerfallenen Tempel und der dort stehende Kirche zu verstehen ist.
Nebenbei wird vom Wandel der einstigen Hauptstadt der römischen Imperatoren zu der Stadt der Päpste erzählt, wenn Schedel nur diese als agierende Personen der Stadt nennt. Am deutlichsten wird es durch die ausführliche Beschreibung des Vatikan- und des Lateranpalastes, die dadurch in Bezug zu den Ruinen Kaiserpaläste gesetzt werden.
Die genaue Beschreibung der topographischen Lage und die lange Auflistung der Stadttore machen diese zu einem geschlossenen Komplex von dem er erzählen will.
Der Text Schedels steht damit ganz im Zeichen des Frühhumanismus, der in Nürnberg noch vom Christentum geprägt ist, sich der Antike aber bereits öffnet. [45]
 

Fussnote(n):
[27] Schedel, Hartmann: Weltchronik, Nürnberg 1493, faksimiliert in: Schedel, Hartmann: Weltchronik. Kolorierte Gesamtausgabe von 1493, eingeleitet u. kommentiert von Stephan Füssel, Augsburg 2005. fol 57r-58r. Digitalisierte Fassungen stehen in bei den Literaturangaben.
[28] Rücker, Schedelsche Weltchronik, S. 28.
[29] Vermutlich der Torre de Miliz.
[30] Vermutlich der Monte Pincio
[31] Rücker, Schedelsche Weltchronik , S. 116 und Füssel, Buch der Chroniken, S. 643.
[32] Foresti da Bergamos, Jacobus Pilippus: Supplementum Chronicarum, Venedig 1492. (Angabe nach: Füssel, Buch der Chroniken, S. 12) Wobei eher die 2. Auflage von 1490 denkbar wäre, da Vertrieb und Transport der Bücher doch einige Zeit in Anspruch nahmen.
[33] Füssel, Buch der Chroniken, S. 643 u. Rücker, Schedelsche Weltchronik, S. 116.
[34] Foresti da Bergamo, Jacobus Pilippus: Supplementum Chronicarum orbis ab initio mundi, Venedig 1486, digitalisiert auf: http://fondosdigitales.us.es/books/digitalbook_view?oid_page= 95173. fol 79.
[35] Schedel Weltchronik, fol 57r.
[36] Ebd.
[37] Foresti da Bergamo, Supplementum Chronicarum, digital. auf http://fondosdigitales.us.es/ books/digitalbook_view?oid_page=95173. fol 166r -166v.
[38] Struve, Tilmann: Roma caput mundi. Die Gegenwart Roms in der Vorstellung des Mittelalters, in: Von Sacerdotium und Regnum. Geistliche und weltliche Gewalt im frühen und hohen Mittelalter, hrsg. von Franz-Reiner Erkens und Hartmut Wolff. Köln, Weimar und Wien 2002. S.153-179. S. 158.
[39] Schedel Weltchronik, fol 57v.
[40] Krautheimer, Richard: Rom. Schicksal einer Stadt 308-1308. München 1987. S. 226.
[41] Ebd., S. 340-356.
[42] Arnaldi,Girolamo u. Marazzi, Frederico: Rom. Vom 4. bis zum 10. Jahrhundert, in: Lexikon des Mittelalters Bd. 7. München 1995, Sp. 967-972. Sp. 970-972.
[43] Krautheimer, Rom, S. 297-316.
[44] Sanfilippo, Mario: Rom. Vom 11. bis zum 15. Jahrhundert, in: Lexikon des Mittelalters Bd. 7. München 1995, Sp. 972-978. sp. 977-978.
[45] Rücker, Schedelsche Weltchronik, S. 42.

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