Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
  Aus dem Archiv (Ausgabe 03 - Wintersemester 06/07)
 

Röhrer-Ertl, Friedrich Ulf

 
 

Zwei Wappenprogramme des Alten Hofes
oder: vom Feminismus des 15. zum Posthistorismus des 20. Jahrhunderts

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  Im Mittelpunkt des Zyklus' steht Kaiser Ludwig IV., der durch sein Kaiserwappen kenntlich gemacht wird. Zu seinen Füßen finden sich zwei Wappen, von denen das rechte das Wappen Hollands ist, also eines Teiles des Erbes, daß er seiner zweiten Ehefrau, Margarete von Holland, verdankte. So wie der Löwe als Teil für das ganze Erbe [23] steht, so steht er auch als Teil für das ganze Wappen von Margarethe, könnte also für sich auch als ihr Ort im Wappensystem interpretiert werden.
Rätsel gibt dagegen das linke Wappen, denn Ludwig IV. hat selbst niemals Polen besessen, noch Anspruch darauf erhoben. Zwar mag es sein, daß das polnische Wappen für das schlesische seiner ersten Frau Beatrix von Schlesien-Glogau steht, doch scheint ein so krasser Farbfehler dann doch recht unwahrscheinlich, [24] zumal sonst nirgendwo auf dem Erker mehr als eine Ehefrau eines Herrschers aufgeführt wurde. [25] Wahrscheinlicher ist, daß sich hier mit Brandenburg (roter Adler auf silbernem Grund) ein Territorium abgebildet findet, daß Ludwig nach dem Aussterben der Askanier als erledigtes Reichslehen einzog und an seinen Sohn Ludwig II., den Brandenburger, gab, also ohne daß eine entsprechende Hochzeit Grundlage gewesen wäre. [26]
Zusammenfassend steht also das achte Feld mit seinen Wappen sowohl für die Person Ludwig IV. als auch (und vor allem) für Kaisertitel, Brandenburg und das niederländische Erbe, alles drei Ansprüche, die zur Erbauungszeit des Erkers zwar in der Realität verlorengegangen, aber noch lange nicht aufgegeben worden waren. Spätestens hier wird also ein Anspruch der Wittelsbacher als kaiserwürdiges und -fähiges Herrscherhaus erhoben.
Verhunzungen der ursprünglichen Wappen finden sich nicht nur beim Brandenburger Wappen in Feld 08 sondern auch in Feld 15, wo sich auf der Frauenseite neben dem österreichischen Bindenschild der niederbayrische Panther (oder Pardel) eingeschlichen hat. Möglich, daß sich hier ursprünglich ein anderer Pardel, nämlich der der Steiermark befand. Derartige Missgriffe dürften eher auf die Restaurierung ab 1956ff. denn auf die Entstehungszeit zurückzuführen sein.
 

  Versuch einer Rekonstruktion des Wappenprogramms.
Ausgehend von den noch erhaltenen Wappen, die eine annähernd vollständige Reihung der in München residierenden Wittelsbacher von Ludwig IV. bis zu Herzog Sigismund, dem Erbauer des Erkers bildet, [27] lässt sich eine Rekonstruktion des ursprünglichen Programms von 15 Wappen wagen. Demnach befanden sich in der mittleren Reihe rechts vom kaiserlichen Wappen ursprünglich die Wappen zweier Söhne Ludwig IV.; das heute in Feld 09 gemalte Herzogswappen ist demnach wie das Wappen des Freistaates Bayern in Feld 10 eine freie Erfindung der Restaurierung, es macht für sich auch keinen Sinn in einem Programm, in dem es darum geht, durch die Verbindung des stets gleichen Herzogswappen mit den Wappen der zugehörigen Ehefrauen sowohl Identitäten wie Ansprüche zu erklären. Da von den sechs ins regierungsfähige Alter gekommenen Söhnen Ludwigs damit noch zwei fehlen werden hier für die Felder 01 und 05 ihre Wappen angenommen; in welcher Reihenfolge diese vier Wappen ehemals standen, muß aber ungeklärt bleiben, da die Ordnung der erhaltenen Wappen innerhalb einer Generation nach keiner heute erkennbaren inneren Reihenfolge angebracht ist.
Die drei noch freibleibenden Felder sind für die vier regierenden Vorfahren Ludwig IV. eines zu wenig, weswegen hier für Feld 03 ein einfaches Herzogswappen als Symbol für Otto I. und Ludwig I. vorgeschlagen wird. Die Felder 02 und 04 enthalten nach heraldisch korrekter Wertigkeit die Wappen ihrer Nachfolger Otto II. und Ludwig II. mit ihren Ehefrauen. Das Vorhandensein der Fachwerkspitzbögen in den Feldern der obersten Reihe steht dem nicht entgegen, die Wappen dürften in ihnen angebracht gewesen sein (und dort auch sehr viel mehr Sinn gemacht haben, als die heutigen Rauten, die hier nur eine unnötige Wiederholung der Reihe direkt darunter wären).

In der Übersicht:
 

 
  
 

  Somit zeigte der Erker ursprünglich eine Ahnenreihe von Otto von Wittelsbach bis zur Generation seines Erbauers Sigismund, wobei den beiden bedeutendsten Mitgliedern des Hauses, dem ersten Herzog wie dem ersten Kaiser, die vornehmsten Plätze eingeräumt wurden. Mit Feld 15, das erst nach der Heirat Albrecht IV. mit Kunigunde von Österreich 1487 möglich ist, ist überdies ein Terminus ante quem non für die Entstehung des Zyklus' gegeben.  

Fussnote(n):
[23] Bestehend aus Holland, Seeland und dem Hennegau. Dazu Holzfurtner (2005), S. 77.
[24] Schlesien führt bekanntlich in seiner Grundform einen schwarzen Adler auf goldenen Grund. Vgl. Gall (1977), SS. 178f.
[25] Wobei sich etwa bei Ludwig V. (Feld 07) die erste Ehefrau, bei Ludwig dem VI. (Feld 06) die zweite Ehefrau abgebildet findet, die Auswahl geschah hier also nicht einheitlich, sondern nach dem politischen Wert der jeweiligen Verbindung, so wie sie Ende des 15. Jahrhunderts wahrgenommen wurden.
[26] Dementsprechend stünde das holländische Wappen analog nicht für die Person Margarete, sondern ausschließlich für ihr territoriales Erbe.
[27] Wobei das Wappen der unverheirateten Herzöge Johann IV. und Sigismunds selbst als solche nicht auftauchen, doch dürften sich woanders am Burgstock und im sonstigen Alten Hof genügend Darstellungen des Herzogswappens befunden haben, so daß man am Erker auf sie verzichten konnte. Dagegen wurden die nach dieser Hypothese für sich fehlenden Wappen der Herzöge Stephan III und Friedrich wohl weggelassen, weil man sie als in Ingolstadt bzw. Landshut ansässig empfand.

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