Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
  Aus dem Archiv (Ausgabe 02 - Sommersemester 06)
 

Charalambakis, Ioannis

 
 

Die "Erste" Sizilische Expedition 427 - 424

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  Sowohl Diodor als auch Thukydides liefern in ihren Werken, die Begründung für die Entsendung der 40 Schiffe Verstärkung unter Sophokles und Eurymedon im Sommer 425. Bei Diodor lautet die Textstelle wie folgt: "While these events were taking place there arrived forty ships which the Athenian people had sent, deciding to push the war more vigorously;".[18] Er stimmt in diesem Punkt mit Thukydides überein, allerdings führt jener noch ein weiteres Ziel dieser Verstärkung an: "And the Athenians manned forty ships to send to them, partly because they believed that the war in Sicily could sooner be brought to an end in this way, and partly because they wished to give practice to their fleet."[19] Zunächst zur Hoffnung auf eine rasche Beendigung des Konflikts. Anscheinend war den Athenern klar geworden, daß eine Flotte von 20 Schiffen für einen sinnvollen Kriegseinsatz völlig unzureichend sein würde. So hatten die Generäle auch keinen Versuch unternommen den großen Gegner Syrakus direkt anzugreifen, da man im Zweifelsfall unterlegen wäre. Die Verstärkung machte demnach Sinn und sie hat ihren Zweck, wenn auch auf kuriose Weise, erfüllt, da der Konflikt kurze Zeit später durch den Kongreß von Gela 424 tatsächlich beendet wurde. Die Präsenz der athenischen Streitmacht spielte dabei eine große Rolle, denn es gelang dem Syrakusaner Hermokrates die anderen sizilischen Städte von einer militärischen Gefährdung durch Athen zu überzeugen. Allerdings hätte die Anwesenheit von 60 Trieren für eine Invasion ohnehin nicht ausgereicht, denn es waren nach wie vor keine Truppen entsandt worden. Außerdem haben es die Streitkräfte von ihrer Ankunft 425 bis zum Kongreß von Gela 424 nicht geschafft Syrakus anzugreifen und entscheidend zu schwächen. Das zweite, lediglich bei Thukydides erwähnte Motiv, nämlich die Schulung der Mannschaften auf den Schiffen mutet im ersten Augenblick recht seltsam an. Mitten in einem Krieg, der in Athen fast ausschließlich von der Flotte getragen wurde, sollten Manöver durchgeführt werden. Eine Vorstellung, die allerdings nicht mehr so abwegig erscheint, wenn man sich die Situation in der Polis vor Augen führt. Die Bevölkerung und damit auch die Zahl der wehrfähigen Männer mit Kriegserfahrung war durch die Folgen der Pest stark dezimiert worden, so daß es notwendig geworden war neue, vor allem junge Männer für den Dienst an Bord der Schiffe auszubilden.
 Von der Entsendung bis zur Ankunft des Geschwaders auf Sizilien verging einige Zeit, denn die Strategen hatten vorher noch anderen Aufgaben nachzukommen. Thukydides berichtet von zwei Aufträgen, die unterwegs erledigt werden sollten. 1. "These had instructions, as they sailed past Corcyra, to have a care for the inhabitants of the city, who were being plundered by the exiles on the mountain [...]".[20] 2. "Demosthenes also [...] recieved permission from the Athenians to use the forty ships at his discretion in operations about the Peloponnesus."[21] Offensichtlich erschien den Athenern die Situation auf Sizilien nicht dringlich genug, um die Schiffe auf direktem Weg dorthin zu senden. Außerdem könnte dies ein Hinweis darauf sein, daß ohnehin wenig Streitkräfte zur Verfügung standen und man deshalb versuchte verschiedene Aufgaben miteinander zu verknüpfen, anstatt mehrere Verbände einzusetzen. Ihren Anweisungen entsprechend segelten Sophokles und Eurymedon zunächst nach Kerkyra und unterstützen die dortigen demokratischen Kräfte. Danach beorderte sie Demosthenes nach Pylos, ein Auftrag dem die beiden Strategen nur widerwillig nachkamen, der sich aber im Nachhinein als äußerst wichtig erweisen sollte, da sie dadurch maßgeblich an der Gefangennahme der Spartiaten auf der vorgelagerten Insel Sphakteria beteiligt wurden. Es handelte sich dabei um einen der größten Erfolge der Athener im Verlauf des Peloponnesischen Krieges.
 Insgesamt sind die Beweggründe und die Ziele der sogenannten Ersten Sizilischen Expedition, welche uns die beiden Historiker Diodor und Thukydides liefern, glaubhaft und vor dem Hintergrund athenischer Politik auch nachvollziehbar. Allerdings halten die beiden Autoren ihre Ausführungen recht knapp. Bei Diodor mag dies an seinem Anspruch liegen eine Universalgeschichte zu verfassen, wodurch er sich natürlich auf einige wenige Punkte beschränken muß. Von Thukydides hingegen hätte man etwas mehr erwarten können. Im Gegensatz zur Sizilischen Expedition 415 erfährt man hier nichts über die Vorgänge in Athen, es gibt nicht einmal eine Schilderung der beschlußfassenden Volksversammlung. Somit bleibt das Zustandekommen der Entscheidung für die Entsendung der Schiffe im Dunkeln. Vermutlich maß Thukydides dem Unternehmen keinen sehr hohen Stellenwert bei und hielt die Erzählung deshalb knapp, denn über die notwendigen Informationen muß er aus erster Hand verfügt haben, da er sich zu dieser Zeit noch in Athen befunden hatte. Leider gibt es keine anderen erhaltenen Quellen zu diesem Zeitraum außer einem Fragment das vermutlich Philistos zuzurechnen ist und aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. stammt.[22] Man nimmt an, daß dieses Werk wesentlich ausführlicher über die Vorgänge berichtet hätte,[23] doch leider ist nicht viel davon erhalten. Es bleibt demnach nichts anderes übrig als sich auf die Äußerungen Thukydides' zu stützen.
 

Fussnote(n):
[18] Diod. 12,54,6.
[19] Thuk. 3,115,4.
[20] Thuk. 4,2,3.
[21] Thuk. 4,2,4.
[22] vgl. Jacoby, Felix (Hrsg.): Die Fragmente der griechischen Historiker, Teil 3. Geschichte von Städten und Völkern. Leiden 1950, Nr. 577 F2 (S. 679 f.).
[23] vgl. Westlake, Henry D.: Athenians Aims in Sicily 427-424 B. C. In: Historia 9 (1960), 385.

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