Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
  Aus dem Archiv (Ausgabe 02 - Sommersemester 06)
 

Zarka, Attila

 
 

Diplomacy - Spiel und Wirklichkeit

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  Deutsches Reich
Das Ergebnis des Wiener Kongresses von 1815 mit der Gründung des Deutschen Bundes war für die meisten deutschen Staaten sehr ungünstig. Der Dualismus zwischen Preußen und Österreich konnte für die gesamtdeutsche Frage weder in politischen noch in wirtschaftlichen Fragen Früchte tragen. Der hieraus wachsende Unmut entlud sich in der Revolution von 1848/49. Allerdings hatten die Revolutionsanhänger ihre Rechnung ohne die Staatsobrigkeit gemacht. Der Deutsche Bund wurde schließlich wiederhergestellt und die revolutionären Kräfte rigoros unterdrückt. Schließlich leuchtete 1862 der Stern eines Mannes auf, der für die folgenden Jahrzehnte die deutsche Politik beherrschen sollte und die Einigung der Deutschen Einzelstaaten mit aller Entschlossenheit vorantrieb. Die Rede ist natürlich von Otto von Bismarck. Als Ministerpräsident hatte Bismarck zuerst die Aufgabe die Streitigkeiten zwischen dem preußischen König und dem Parlament in der Budgetfrage beizulegen. Der neue starke Mann in Preußen schaffte nicht nur die Konflikte zu beenden, er machte allen Seiten für zukünftige Aufgaben  Mut. Was Bismarck nun aber außenpolitisch in Vorbereitung auf die Einigung des Deutschen Reiches leistete, war extravagant zu bezeichnen. Er hielt sich bei Auseinandersetzungen zweier Staaten dezent zurück, oder mischte sich forsch ein. Jeder Schritt, den er auf der außenpolitischen Bühne trat, führte ihn immer näher zum Ziel. Er hatte zwei Punkte fest vor Augen. Zum einen musste Österreich aus dem Deutschen Bund gedrängt werden und schließlich musste Frankreich besiegt werden, um die gewünschte Einigung abzuschließen. Im Deutsch-Österreichischen  Krieg von 1866 wurde Franz-Josef I. zum großen Verlieren und musste die Auflösung des Deutschen Bundes anerkennen. Fortan war Österreich ausgeschaltet, weswegen Bismarck in Ruhe seinen nächsten Coup vorbereiten konnte. Ein Krieg mit Frankreich wurde mit allen Mitteln vorangetrieben. Die Emser Depesche war schließlich der Auslöser dafür, dass Frankreich sich so sehr in der öffentlichen Ehre verletzt sah, dass es Preußen am 19. Juli 1870 den Krieg erklärte.
Als Wilhelm I. in Versailles zum Kaiser des neuen Deutschen Reiches ausgerufen wurde, war die Politik Bismarck voll aufgegangen. Nun wurden im ganzen Reich Kräfte freigesetzt, die dazu führten, dass das bisher technisch schlummernde Land in kürzester Zeit zu einer führenden Nationen aufstieg.
Die nachfolgende Tabelle soll diesen rasanten Auftrieb anhand der Stallproduktion (in Millionen Tonnen) verdeutlichen:
 

 
 Jahr  Großbritannien  Deutsches Reich  Frankreich  Russland 
 1875 - 1879  0,90  -  0,26  0,08 
 1880 - 1884  1,82  0,99  0,46  0,25 
 1885 - 1889  2,86  1,65  0,54  0,23 
 1890 - 1894  3,19  2,89  0,77  0,54 
 1895 - 1899  4,33  5,08  1,26  1,32 
 1900 - 1904  5,04  7,71  1,70  2,35 
 1905 - 1909  6,09  11,30  2,65  2,63 
 1910 - 1913  6,93  16,24  4,09  4,20 
 
    Carlo M. Cipolla: The Fontana Economic History of Europe, Bd. 3, S. 775.  

  Die gesamte Politik war allerdings auf die Person Bismarcks ausgelegt. Als er 1890 von Wilhelm II. entlassen wurde, brach das System, das mit vielerlei Hilfsmitteln von dem geschickten Politiker und gewieften Diplomaten zusammengehalten wurde, in sich zusammen. Kaiser Wilhelm II. installierte aus seinem Selbstverständnis heraus ein neoabsolutistisches Gebilde, das sowohl im Inneren künstlich aufgebläht wurde, als auch nach Außen immer bedrohlicher schien.  

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