Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
  Aus dem Archiv (Ausgabe 02 - Sommersemester 06)
 

Wallner, Mike

 
 

Die 'Zweite' Sizilische Expedition 415 - 413

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  Über Thukydides existieren nur wenige gesicherte Lebensdaten, er wurde wohl um 460 v.Chr. in Athen geboren, hatte 424 das Amt der Strategie inne, wurde dann aber für 20 Jahre verbannt, weil unter seiner Führung das für Athen ökonomisch wichtige Amphipolis an Sparta verloren gegangen war. Im Exil sammelte er das Material für sein Geschichtswerk. Ob er nach 404 aus der Verbannung nach Athen zurückkehrte, ist unklar. Er starb nach 400, vermutlich im Jahre 396.  

 
...es ist eine innere Gefahrensituation, aus der sie [die Krise] geboren wird, Krisenhistoriker also ist der, der es zu tun hat mit der Pathologie eines politischen Gebildes. Das ist bei Thukydides der Fall. Er schreibt (...) eine Pathologie Athens, die Beschreibung einer Krankheit, die auch zum Untergang Athens geführt hat und, wie man hinzufügen muss, zum Untergang einer ganzen Welt. Kein Zweifel, dass Thukydides damit historisch richtig geurteilt hat, dass mit dem Fall Athens 404 eine Epoche abgeschlossen war und eine neue beginnt, dass die große alte ,klassische Welt, wie wir sie nennen, hier endet und eine neue Welt heraufkommt. Der Peloponnesische Krieg ist eine Krise, Scheide zweier Zeitepochen. Das ist es, was Thukydides darstellt, in dem klaren Bewusstsein dessen, um was es sich handelt. So nennen ihn wir den ersten Krisenhistoriker,...
 
    SCHADEWALDT, Wolfgang: Die Anfänge der Geschichtsschreibung bei den Griechen, Frankfurt am Main 1982, S. 229.  

  Thukydides gilt als Begründer der politischen Geschichtsschreibung, für ihn bestimmen statt der Götter die menschliche Natur und die tyche ( =der irrationale Anteil an der Welt, dessen Begreifen dem beschränkten, menschlichen Verstand nicht zugänglich ist den Lauf der Geschichte. Er analysiert die unveränderliche, menschliche Natur, die er in ihrem Hang zur Macht, Aggression und Krieg darzulegen sucht.[1] Thukydides versucht, die Gesetzmäßigkeiten historischer Abläufe zu ergründen und die überzeitlichen Grundgesetzlichkeiten von Geschichte überhaupt transparent machen zu können. Als treibende Feder allen menschlichen Handelns erkennt er das Machtstreben: Entweder strebt ein Mensch nach Freiheit für sich selbst oder nach Herrschaft über andere. Der Historiker schreibt sein Werk frei von jeglichem Werturteil, um den Machtcharakter politischen Handelns offen zu legen und zu erklären. Dabei stützt er nicht auf Mythisches, sondern nur auf Rede und Tat (logoi kai orga).[2] Politik ist seinem Urteil nach nicht das dikaion eines Gerichtsprozesses, sondern ein kluger Kalkül der Macht zwischen chresimon und pleon echein.[3] In den Reden seines Werkes stellt Thukydides die Grundgedanken des Machtstrebens beispielhaft dar, indem er sich sophistischen Rhetorikmittel der Rede und der Gegenrede bedient. Ein Beispiel hierfür ist die Rede zwischen Nikias und Alkibiades.[4]
 Thukydides bemüht sich mit seiner Geschichtsschreibung um die Darstellung des wirklich Geschehen unter Verzicht von ausschmückenden Elementen. "Wer aber klare Erkenntnis des Vergangenen erstrebt und damit auch des Künftigen, das wieder einmal nach der menschlichen Natur so oder ähnlich eintreten wird, der wird mein Werk für nützlich halten. Als ein Besitz für immer (...) ist es aufgeschrieben."[5]
 Im Melierdialog lässt er die athenischen Feldherren folgendes sagen: "Wir glauben nämlich, dass der Gott wahrscheinlich, der Mensch ganz sicher allezeit nach dem Zwang der Natur überall dort, wo er die Macht dazu hat, herrscht. Wir haben dieses Gesetz weder aufgestellt noch als Bestehendes zuerst befolgt, als gegeben haben wir es übernommen und werden es ewig Gültiges hinterlassen."[6]
 

Fussnote(n):
[1] THUKYDIDES: Der Peloponnesische Krieg, Stuttgart 2000, S.5.
[2] OTTMANN, Henning: Philosophie und Politik bei Nietzsche, Berlin 1987, S. 221-226.
[3] OTTMANN: Nietzsche, S. 221.
[4] THUKYDIDES: VI 9-23.
[5] THUKYDIDES: I 22,4. (Methodenkapitel)
[6] THUKYDIDES: V 105,2.

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