Das Ziel dieser Untersuchung war die Darstellung wesentlicher Aspekte von Homosexualität in der Antike, um das verklärte und verzerrte Bild des modernen Menschen zu korrigieren. Als ein erstes Ergebnis steht dabei fest, daß enge Beziehungen zwischen Männern schon seit der Frühzeit bestanden haben, wobei man allerdings zwischen verschiedenen Formen unterscheiden und prüfen muß, ob der Begriff "Homosexualität", wie er unserem modernen Verständnis von einer Liebesbeziehung zwischen gleichberechtigten Partnern entspringt, überhaupt anwendbar ist. Dafür sind vor allem zwei Kriterien ausschlaggebend. 1. Handelte es sich bei den Verbindungen um "platonische" Liebe bzw. Freundschaft oder kam es zu sexuellen Kontakten? 2. Spielten sich die Beziehungen zwischen gleichberechtigten Partnern ab oder herrschte ein Verhältnis von Über- und Unterordnung? Zunächst ist festzustellen, daß die Beziehungen zwischen gleichaltrigen Männern und die Beziehungen eines erwachsenen Mannes zu einem Knaben grundsätzlich unterschieden werden müssen. Während erstere auf rein freundschaftlicher Basis stattzufinden pflegten, beinhalteten letztere nicht nur geistige, sondern auch physische Kontakte.[45] Allerdings müssen wir uns von der romantischen Vorstellung einer Gesellschaft mit freier Ausübung der Liebe verabschieden, da auch in der Antike das Verhalten der Menschen bestimmten Restriktionen unterworfen war, wenngleich nicht so streng wie im Christentum.[46] So waren enge Liebesbeziehungen zwischen erwachsenen Männern unangebracht, so daß auch die Beziehung zu einem Knaben mit seinem ersten Bartwuchs beendet werden mußte. Dies hinderte allerdings nicht an einer weiter andauernden Freundschaft. Wer sich dem nicht unterwarf, wie z.B. Euripides, der noch in hohem Alter sein Leben mit dem Geliebten Agathon teilte, wurde in der Öffentlichkeit kritisiert.[47] Daß Beziehungen zu Knaben nicht als widernatürlich oder gar verwerflich angesehen wurden, zeigt auch die Terminologie in den Quellen, die für hetero- und homosexuelle Verbindungen gleich lautet.[48] Die Werbung um einen Knaben und die Beziehung an sich war aber gewissen Regeln unterworfen, die im folgenden kurz dargestellt werden sollen. Als erstes mußte der Liebhaber um seinen Geliebten mit Geschenken werben, wobei dieser eine abwehrende Haltung einzunehmen hatte. Die Kontakte hierzu fanden meist in der Palästra statt.[49] Auch bei späteren sexuellen Kontakten durfte der Geliebte keinerlei Lust empfinden, denn ein solches Verhalten wäre als weibisch und damit verwerflich angesehen worden.[50] Aus dem gleichen Grund wurde anstelle von analer Penetration der sogenannte Schenkelverkehr bevorzugt, wie uns die vielen Vasenbilder eindrücklich vermitteln. Da es sich dabei aber hauptsächlich um idealisierende Darstellungen handelt, kann die Realität durchaus anders ausgesehen haben. Die Komödien des Aristophanes scheinen darauf einige Hinweise zu geben.[51] Allerdings wurde eine anale Penetration grundsätzlich als Strafe angesehen, so daß ertappte Ehebrecher mit künstlichen Phalloi traktiert wurden.[52] Ein beredtes Zeugnis von der Bestrafungsfunktion legt auch ein Vasenbild ab, auf dem sich nach vorne beugende Perser darauf warten, von Griechen penetriert zu werden. Vermutlich entstand das Stück im Zusammenhang mit den Perserkriegen. Bei der Knabenliebe ging es in erster Linie nicht um die Befriedung sexueller Gelüste, sondern neben der erzieherischen Aufgabe,[53] handelte es sich vor allem um einen Lebensstil, der von den oberen Schichten gepflegt wurde.[54] Zum einen bedeuteten die Aufenthalte in der Palästra, daß man nicht arbeiten mußte und zum anderen waren die Geschenke für die Geliebten oftmals sehr kostspielig.[55] Außerdem waren genügend Hetären und Sklaven vorhanden, die in jeglicher Form zur Befriedung physischen Verlangens eingesetzt werden konnten, was grundsätzlich als normal und keineswegs als anrüchig angesehen wurde, so daß es keinen Grund gab sich an freie Knaben zu halten.[56] Es muß demnach offensichtlich mit einer gewissen Form der Ehre verbunden gewesen sein, sich der Knabenliebe hinzugeben. Letztlich konnte eine gleichwertige Beziehung nur zwischen freiem Mann und freiem Knaben stattfinden, da sowohl Hetären und Sklaven als auch Frauen freien männlichen Bürgern untergeordnet waren.[57] Einen wesentlichen Beitrag dazu leistete auch die Tatsache, daß Frauen und Mädchen aus den besseren Kreisen die Häuser normalerweise kaum verließen und sich somit die Eroberungslust der Männer auf das eigene Geschlecht richten mußte. Aus den ärmeren Schichten waren auch die Frauen in der Öffentlichkeit präsent, da hier keine Sklaven vorhanden waren um die täglichen Aufgaben, wie z.B. das Einkaufen auf den Märkten, zu erfüllen.[58] Insgesamt war die Päderastie ein Phänomen, daß sich fast ausschließlich im Lebensstil der oberen Schichten niederschlug. Diese Männer waren dabei allerdings keineswegs exklusiv an Knaben interessiert, sondern unterhielten weiterhin sexuelle Beziehungen zu Frauen. Im Unterschied zur Moderne existierte die homosexuelle Lebensgemeinschaft als Gegenentwurf zur heterosexuellen im antiken Griechenland demnach nicht.
Empfohlene Zitierweise:
Charalambakis, Ioannis: Homosexualität im antiken Griechenland, in: Aventinus. Die Historische Internetzeitschrift von Studenten für Studenten [Ausgabe 01 - Wintersemester 05/06], www.aventinus.geschichte.uni-muenchen.de/index.php?ausg=1&id=10&subid=2 [Letzter Aufruf am xx.xx.xxxx]
Charalambakis, Ioannis
geboren am 8. Juni 1979 in Ebersberg
1998 Abitur an der Deutschen Schule Athen
seit WS 1999 Magisterstudiengang Politische Wissenschaft, Alte Geschichte und Recht für Sozialwissenschaftler an der LMU München
Thema der Abschlußarbeit: Der Einfluß von Verfassungs- gerichtsbarkeit auf die Gesetzgebung in Deutschland und in Frankreich.