Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
  Aus dem Archiv (Ausgabe 02 - Sommersemester 06)
 

Wallner, Mike

 
 

Die 'Zweite' Sizilische Expedition 415 - 413

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  Alkibiades gehörte mütterlicherseits einem athenischen Adelsgeschlecht an, zu dem auch Kleisthenes und Perikles zählten.[31] Er wuchs im Hause seines Onkels Perikles auf, war aber durch die Sophistik der 420er Jahre geprägt und hatte "eine skeptische Distanz zum politischen System der athenischen Demokratie entwickelt. Ehrgeizig und skrupellos drängte er in die Politik. Was für ihn allein zählte, waren persönliche Macht und Einfluss."[32] Er war von einer außerordentlichen Arroganz geprägt und blieb gerade dadurch dem einfachen Mann in der Volksversammlung suspekt.[33] Mit nur 30 Jahren wurde er 420 zum Strategen gewählt und hintertrieb von da an die Annäherung zwischen Athen und Sparta mit allen Mitteln. [34] Der Staat war für ihn nur Mittel zur Befriedigung seines persönlichen Ehrgeizes.[35]
 Sein ganzes Handeln konzentrierte sich auf das Mehren seines eigenen Ruhmes und Erfolges. Bei den Olympischen Spielen 416 errang er einen Dreifachsieg, stellte diesen aber nicht nur als seinen persönlichen Ruhm dar, sondern als Ruhmgewinn für die ganze Polis. So suchte er, sein eigenes Machtstreben als Nutzen für die Gemeinschaft zu verklären und damit den Aufwand zu rechtfertigen.
 Ein äußerst grausames Beispiel für den Machtgedanken des Alkibiades' ist die Vernichtung der neutralen und damit wehrlosen Insel Melos mitten im Frieden im Jahre 416. Im sogenannten Melierdialog[36] beleuchtet Thukydides Athens außenpolitisches Machtdenken im Sinne des Recht des Stärkeren und die daraus folgende Zuspitzung des Gegensatzes von Macht und Recht. Alkibiades ließ hier wegen Verweigerung der Bündnisfolge alle Männer ermorden und die Frauen und Kinder in die Sklaverei verkaufen.
 Kurz vor der Ausfahrt der Flotte nach Sizilien ereignete sich der sogenannte Hermenfrevel[37]; allen an Kreuzungen und Weggabelungen aufgestellten Hermesstatuen wurde der Kopf abgeschlagen. In der Bevölkerung wurde das "als übles Vorzeichen für das Unternehmen"[38] gewertet, da man den Schutz Hermes' als Gott des Geleits für eine weite Reise benötigte. Hier sieht man, dass  der Aberglaube in dieser Zeit noch sehr ausgeprägt war, durch welchen Athen sich immer wieder selbst behinderte. Die Feinde des Alkibiades beschuldigten ihn neben diesem Verbrechen auch noch an der Profanierung der eleusischen Mysterien beteiligt gewesen zu sein. Letzteres hatte neben der religiösen, auch noch eine politische Brisanz, da den Symposien, die solche Veranstaltungen abhielten, die Planung eines oligarchischen Staatsstreiches vorgeworfen wurde. Als Alkibiades auf eine möglichst schnelle Anhörung drängte, zögerten seine Kontrahenten die Verhandlung hinaus, um in seiner Abwesenheit leichter Verleumdungen gegen ihn erstellen zu können und ihn wieder aus seinem Kommando "zurückberufen und vor Gericht stellen zu lassen".[39] "Er beschwor sie, in seiner Abwesenheit nicht Verleumdungen über ihn anzuhören, sondern eher ihn gleich zu töten."[40] Trotzdem ließ man ihn erst einmal mit der Flotte nach Sizilien ausfahren und begann anschließend mit dem Prozess in Alkibiades' Abwesenheit.
 In Unteritalien fanden die athenischen Feldherren anfangs keine Bündnispartner und machten sich auf die langwierige Suche nach Verbündeten, was viel Zeit in Anspruch nehmen sollte. Bei den athenischen Verbündeten in Sizilien fand die Größe der Flotte nur wenig Zustimmung, einige Städte mussten sogar mit Waffengewalt zur Bündnisfolge gezwungen werden wie zum Beispiel Katane. Dies war natürlich keine freiwillige Partnerschaft mehr, sondern die reine Ausbeutung unterlegener Städte zur eigenen Machterweiterung. Athen handelte hier außenpolitisch wieder einmal ganz klar nach dem Recht des Stärkeren.
 Das athenische Kommando verzichtete auf einen direkten Angriff auf Syrakus und somit ungewollt auch auf das Überraschungsmoment. Syrakus wäre es bei einem raschen attischen Angriff nicht verteidigungsfähig gewesen, da es den Berichten über einen athenischen Angriff zu Beginn keinen Glauben schenken wollte. Dass diese günstige Gelegenheit von Athen nicht genützt worden ist, ist wohl einer der Gründe für das spätere Scheitern der Expedition.
 Als äußerst verhängnisvoll sollte sich die Uneinigkeit unter den Strategen bezüglich des Kriegsplanes und die fehlende materielle Unterstützung aus Egesta erweisen. Die von Egesta in Aussicht gestellten Mittel für die Versorgung waren nämlich gar nicht vorhanden. Die Egestaner hatten ihren vermeintlichen Reichtum nur durch zahlreiche Leihgaben von befreundeten Städten vorgetäuscht, um so Athen zu Hilfe bewegen zu können.[41]
 

Fussnote(n):
[31] THUKYDIDES: Der Peloponnesische Krieg, Stuttgart 2000, S. 765.
[32] FUNKE: Athen, S. 91f.
[33] WELWEI: Athen, S. 206.
[34] FUNKE: Athen, S. 91f.
[35] THUKYDIDES: Der Peloponnesische Krieg, S. 765f.
[36] THUKYDIDES: V 85-113.
[37] THUKYDIDES: VI 27-29.
[38] THUKYDIDES: VI 27,3.
[39] THUKYDIDES: VI 29,3.
[40] THUKYDIDES: VI 29,2.
[41] THUKYDIDES: VI 46.

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