Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
  Aus dem Archiv (Ausgabe 02 - Sommersemester 06)
 

Schmid, Alois

 
 

Die bayerische Königspolitik im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit

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  Am 1. Januar des Jahres 1806 wurde in München folgende Bekanntmachung veröffentlicht:  

 
Wir Maximilian Joseph, von Gottes Gnaden König von Baiern.
Durch die unerschütterliche Treue Unserer Unterthanen und die vorzüglich bewiesene Anhänglichkeit der Baiern an Fürst und Vaterland, hat der Baierische Staat sich zu seiner ursprünglichen Würde emporgehoben. Wir haben Uns daher entschlossen, zur Begründung der Unabhängigkeit der Uns von der Vorsehung anvertrauten Nation, den den vormaligen Beherrschern derselben angestammten Titel eines Königs von Baiern anzunehmen, und diesen Entschluß durch eine feierliche Proklamation heute öffentlich in Unserer Residenzstadt bekannt machen zu lassen.
    Unsere feierliche Krönung und Salbung haben Wir auf eine günstigere Jahreszeit vorbehalten, welche wir in Zeiten öffentlich bekannt machen werden.
 
    Königlich Bayerisches Intelligenzblatt 1806, S. 3. Druck: Rolf KIESSLING - Anton SCHMID (Bearb.), Dokumente zur Geschichte von Staat und Gesellschaft in Bayern III/2, München 1976, S. 73 Nr. 23.  

 

Dieser wenigzeilige Schriftsatz ist eines der wichtigsten Dokumente für einen der großen Marksteine der bayerischen Geschichte. Entscheidend ist die in diesem Dokument zur Annahme der Königswürde vorgetragene Begründung: Dazu hätten den Landesherrn von Bayern einerseits die göttliche Vorsehung, andererseits die unerschütterliche Treue der Untertanen veranlasst. Diese kurzen Hinweise wollen besagen, dass der neue Königstitel für die Landesherrn in Bayern als nichts Neues betrachtet wurde, sondern lediglich die Rückkehr zu früheren, letztlich den ursprünglichen Zuständen darstellt. Dazu seien die entscheidenden Initiativen von den Untertanen ausgegangen Die Annahme des Königsranges wird damit als ein Vorgang ausschließlich der Innenpolitik hingestellt, der sogar von unten eingeleitet worden sei. Der Vorgang wird aus der Geschichte  begründet.

In deutlichem Gegensatz zu dieser apodiktischen Aussage, die sich in ähnlicher Form in anderen Dokumenten findet, stellt die maßgebliche Literatur den Vorgang dar. Thomas Nipperdey leitet seine epochale "Deutsche Geschichte" des 19. Jahrhunderts mit dem zwischenzeitlich klassisch geworden kurzen Satz ein: Am Anfang war Napoleon[1]. Dieser Auftakt gilt - wie ein Leitmotiv - auch für die Königserhebung Bayerns: Maximilian I. Joseph  wird als "König von Frankreichs Gnaden" vorgestellt. Als solcher erscheint er auch in der übrigen vorliegenden Literatur zur Epoche bis hin zum "Handbuch der bayerischen Geschichte"[2]. Die Königserhebung Bayerns wird im Grunde recht übereinstimmend als Ergebnis der europäischen Politik dieser Zeit betrachtet.

Der Widerspruch zwischen den entscheidenden Quellen und der maßgeblichen Literatur ist offensichtlich. Aus ihm erwächst die Verpflichtung zur Überprüfung des Sachverhaltes: Läßt sich die in dieser amtlichen Bekanntmachung behauptete und betont in den Vordergrund gerückte Berufung auf sehr alte innere Traditionen in Bayern wirklich nachweisen? Dieser Leitfrage ist im folgenden nachgehen. Sie wird durch die gesamte Geschichte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit führen.

 

Fussnote(n):
[1] Thomas NIPPERDEY, Deutsche Geschichte 1806-1866: Bürgerwelt und starker Staat, München 61994, S. 11.
[2] Eberhard WEIS, in: Max SPINDLER, Handbuch der bayerischen Geschichte IV/1, hg. von Alois SCHMID, München 22003, S. 24; DERS., Montgelas II, München 2005, S. 319.

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