Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
  Aus dem Archiv (Ausgabe 02 - Sommersemester 06)
 

Wallner, Mike

 
 

Die 'Zweite' Sizilische Expedition 415 - 413

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  Die Perserkriege 490-479 stellen einen völligen Umbruch im klassischen Griechenland dar. Athens Aufstieg zur Großmacht begann mit dem Sieg bei Marathon 490 und wurde unter Themistokles 483/482 mit dem Bau der Flotte fortgesetzt, welche noch bis zur Sizilischen Expedition das Rückgrat der attischen Streitkräfte bilden sollte. Durch die Bemannung der Schiffe durch die Theten, welche besitzlos und daher bis dahin unbedeutend waren, wuchs deren politischer Einfluss rasch und somit wurde der Demokratisierung ein deutlicher Vorschub geleistet. Nach den Siegen bei Salamis 480 und Plataitai 479 und der Vertreibung der Perser konnte Athen seine Macht in der darauffolgenden Pentekontaëtie - "50 Jahre" Frieden, 478-431 - festigen. Während dieser Zeit wurde das Selbstbewusstsein der Athener gestärkt und diese wurden "zu Rivalen der Vormachtstellung Spartas in Griechenland".
 Um seine Macht zu etablieren, gründete 478/477 Athen den delisch-attischen Seebund und war von da an der unumschränkte Beherrscher der Ägäis; die teilhabenden Inseln werden zu Beitragszahlungen verpflichtet, welche den Grundstock für Athen im Archidamischen Krieg (431-421) bilden sollten.
 Im Jahre 446/445 wurde zwischen Athen und Sparta ein dreißigjähriger Friede abgeschlossen, in welchem beide den jeweils anderen Machtbereich zu respektieren gelobten. Das konnte aber die Konflikte dieses Dualismus nicht dauerhaft beseitigen.
 Der wachsende Konflikt zwischen dem demokratischen Athen und dem Peloponnesischen Bund mit seiner oligarchischen Hegemonialmacht Sparta mündete im Jahre 431 aufgrund des vermehrten Aufeinanderprallens von territorialen und vor allem wirtschaftlichen Interessen[7] in den Peloponnesischen Krieg. Es waren de facto die Peloponnesier, die diesen Krieg wollten, und somit spaltete dieser ganz Griechenland in zwei Lager.[8] Perikles gab Attika preis, überließ es den Peloponnesiern unter Archidamos zur mehrmaligen Verwüstung und zog die Landbevölkerung zwischen die Langen Mauern zurück. Während der Krieg von beiden Seiten mit äußerster Brutalität und Grausamkeit geführt wurde, brach in Athen im Sommer 430 die Pest aus. Diese wurde Perikles angelastet, er wurde ab- und bald darauf aufgrund seiner herausragenden Fähigkeiten als Stratege wieder eingesetzt, worin man leicht die Wankelmütigkeit des athenischen Volkes erkennen kann.[9] Nach dem Tod des Perikles 429 und einem langwierigen Kriegsverlauf, der von beiden Parteien einen hohen Blutzoll und Materialaufwand verlangte, kam es im Frühjahr 421 endlich zu einem Defensivbündnis zwischen Athen und Sparta - dem so genannten Nikiasfrieden. In den folgenden Jahren relativer Ruhe konnten sich beide ausgedarbte Kriegsparteien erholen "von der Seuche und dem ununterbrochenen Krieg hinsichtlich der Zahl kampffähiger Jugend, die nachgewachsen war, und der Anhäufung von Geld in Folge des Waffenstillstandes".[10]
  Syrakus war während der Perserkriege zu einer der mächtigsten, griechischen Städte aufgestiegen und erstrebte die Hegemonie auf Sizilien. Im Winter 416/415 lag Egesta mit Selinus und Syrakus im Nachbarschaftskrieg, geriet in Bedrängnis und schickte Gesandte nach Athen aufgrund eines Bündnisses aus dem Jahre 426.[11] Sie baten um 60 Schiffe, deren einmonatigen Sold sie selbst stellen wollten, und versuchten die Athener auf folgende Weise zu überzeugen: Greife Athen nicht ein, werde Syrakus seine letzten Kontrahenten auf Sizilien vernichten und die Alleinherrschaft über die Insel erringen. Dann könnte es den Peloponnesischen Bund unterstützen und diese könnten gemeinsam Athen stürzen.[12] Athen war aber seinerseits auf die Herrschaft über die reiche und mächtige Insel aus,[13] um so die Peloponnes in die Knie zwingen zu können und seinen eigenen politischen und vor allem seinen wirtschaftlichen Einfluss durch den Reichtum Siziliens zu mehren. Gesandte Athens hatten in Egesta Geldmittel im Überfluss vorgefunden und somit schien der finanzielle Rückhalt der Unternehmung gesichert.[14] Dies sollte sich aber später zum Leidwesen der Athener als arglistige Täuschung durch die Egestaner herausstellen.
 So beschloss die Volksversammlung (ekklesia), dem Gesuch stattzugeben und als Feldherren wurden Alkibiades, Nikias und Lamachos bestimmt. Nikias erkannte als Kommandant die beträchtlichen Gefahren dieses Feldzugs, war deshalb dessen heftigster Gegner[15] und versuchte die ekklesia umzustimmen, indem er sie beschwor, das Heil der Stadt dem Risiko vorzuziehen. Er sieht den späteren Zusammenschluss von Syrakus und Sparta vorher, prangert die Inkonsequenz der militärischen Führung an, tritt für angemessenes und umsichtiges Handeln ein und stellt den langfristigen Nutzen eines etwaigen Erfolgs in Frage.[16]
 

Fussnote(n):
[7] WEILER, Ingomar (Hrsg.): Grundzüge der politischen Geschichte des Altertums. 2.Aufl. Wien 1995, S. 61-64. THUKYDIDES: I 67.
[8] THUKYDIDES: II 9.
[9] BENGSTON, Hermann: Griechische Geschichte: Von den Anfängen bis in die römische Kaiserzeit. 2.Aufl. München 1960, S. 219-221.
[10] THUKYDIDES: VI 26,2.
[11] THUKYDIDES: VI 6,2.
[12] ebd.
[13] THUKYDIDES: VI 6,1.
[14] THUKYDIDES: VI 8,2.
[15] THUKYDIDES: VI 8,4.
[16] THUKYDIDES: VI 9-14.

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