Wer sich im späten Mittelalter oder zu Beginn der Neuzeit in Bayern niederlassen wollte, der soll wünschen, dass er [...] auf Landtsperg [...] falle[1], wie Wening 1701 schrieb. Denn, so der Hofkupferstecher weiter, fallet er auf Landtsperg, so fallet er in die Silbergrueb [...].[2] Ob Landsberg [3] im 14. bzw. 15. Jahrhundert, der Zeitspanne der sich diese Arbeit widmet, tatsächlich eine Silbergrueb [4] war und vor allem welche Rolle dabei das Salzniederlagsrecht [5] aus dem Jahre 1364 spielte, soll im Folgenden untersucht werden. Als Hauptquelle liegt der Arbeit die Urkunde vom 15. Juni 1364 zugrunde, in der Herzog Stephan II. (1319 – 1375) der Stadt Landsberg nicht nur alle bisherigen Rechte bestätigte, sondern ihr sogar das ewigliche Salzniederlagsrecht verlieh.[6] Für die Wahl der Quelle sind folgende Gründe anzuführen: Der Stadt waren bereits zuvor einige Privilegien für den Salzhandel, wie etwa die Erhebung des Salzpfennigs im Jahre 1320 [7] oder der Bau eines Salzstadels im Jahre 1353 [8] verliehen worden, aber erst Stephan II. verlieh der Stadt für alle Zeit das Recht Salz niederzulegen. Des weiteren war diese Urkunde ein entscheidender Schritt im Streit mit München um das Niederlagsrecht. Die Salzniederlage in Landsberg barg für München die Gefahr im Handel mit Schwaben ins Hintertreffen zu geraten [9]. Außerdem spricht für die Wahl ebendieser Quelle, dass dieses Recht, wie die Bestätigung durch Herzog Albrecht IV. (1447 – 1508) im Jahre 1507 [10] zeigt, noch zu Beginn der Neuzeit Bestand hatte. Letztlich stellte die Salzniederlage für Landsberg eine enorme Einnahmequelle dar, etwa durch die Verpflichtung für die schwäbischen Kaufleute das Salz in Landsberg zu kaufen [11] Die neuere Forschung, sieht in der Begründung des Salzniederlagsrechts, welches zum Teil bereits in das Jahr 1353 datiert wird [12], und dem damit verbundenen wirtschaftlichen Aufschwung, einen engen Zusammenhang mit der ambivalenten Beziehung der Stadt zu den bayerischen Herzögen. Als Grenzstadt zu Schwaben hielt die Stadt auch bei Streitigkeiten mit den schwäbischen Landesherren stets den bayerischen Herzögen die Treue.[13] Als Gegenleistung wurde die Stadt mit Privilegien belohnt. Gleichzeitig waren diese Privilegien nicht nur für die Stadt, sondern auch für die Herzöge selbst eine wichtige Einnahmequelle. Dies wiederum führte dazu, dass die Herzöge schützend ihre Hand über Landsberg hielten.[14] Zunächst soll die geopolitische Lage Landsbergs, ausgehend von Heinrich dem Löwen bis Herzog Albrecht IV., knapp dargestellt werden. In einem zweiten Schritt werden die wichtigsten Etappen, ausgehend von der Verleihung des Wagenpfennigs im Jahre 1315, bis zur Bestätigung der Salzniederlage 1364, erläutert. Im Anschluss wird die bereits erwähnte Urkunde Stephans II., gemäß ihrer äußeren und inneren Merkmale, analysiert. Mit der Untersuchung demographischer und wirtschaftlicher Folgen Landsbergs aufgrund des Salzniederlagsrechts soll geklärt werden, ob das Jahr 1364 als Beginn von Landsbergs wirtschaftlicher Blüte zu sehen ist.
1. Die geopolitische Lage Landsbergs Landsberg liegt unter 10°53' östlicher Länge und 48°61' nördlicher Breite [15], an der oberbayerischen Grenze zu Schwaben [16], am steilen Ostabhang des Lechmittellaufes. An dieser Stelle, genauer gesagt auf dem Schlossberg von Phetine, dem ehemaligen Vasallensitz der Herren von Pfetten, baute der Welfenherzog Heinrich der Löwe (1129 – 1195) im Jahre 1158 eine Burg.[17] Diese Landespurch, sollte die zur gleichen Zeit entstandene Lechbrücke schützen.[18] Das in Oberbayern und Schwaben benötigte Salz stammte aus der Saline von Reichenhall. Von dort gelangte das weiße Gold über Traunstein und Wasserburg nach München.[19] Über die Isarbrücke bei Oberföhring, die im Herrschaftsgebiet des Bischofs von Freising lag, wurde das Salz weiter gen Westen transportiert.[20] Durch die Zerstörung dieser Brücke durch Heinrich dem Löwen im Jahre 1158 und den Bau der Lechbrücke bei Landsberg, hatte der Herzog Anteil am Salzhandel. Unter der Herrschaft der Wittelsbacher erlebte Landsberg, als Westgrenze des bayerischen Herzogtums, neuen Aufschwung. Zwischen 1260 und 1280 erhob Herzog Ludwig II. (1229 – 1294), genannt der Strenge, Landsberg zur Stadt.[21] Wirtschaftlichen Fortschritt ermöglichten die von Ludwig dem Bayern (1282 – 1347) und Ludwig dem Brandenburger (1315 – 1361) verliehenen Privilegien. Hierbei ist der im Jahre 1315 verliehene Wagenpfennig und der fünf Jahre später folgende Salzpfennig ebenso hervorzuheben, wie die Bewilligung eines Salzstadels im Jahre 1353 und die Verlegung der Salzniederlage von München nach Landsberg im Jahre 1362. Der durch diese Verlegung begründete Streit mit München um die Salzniederlage verschärfte sich, als Herzog Stephan II. den Landsbergern die Niederlage im Jahre 1364 ewiglich[22] zusagte. Abgesehen von einem kurzweiligem Entzug 1368 und 1383, blieb Landsberg im Besitz dieses Privilegs bis zum ausgehenden Mittelalter. Hier kam Landsberg seine Lage als Grenzstadt, sowie die eingangs erwähnte ambivalente Beziehung zu den bayerischen Herzögen zugute. Im Städtekrieg (1373 – 1388), als Augsburg im Bündnis mit weiteren Reichsstädten versuchte das bayerische Herzogtum anzugreifen [23], kämpfte Landsberg auf der Seite des Herzogtums. Im Gegenzug erhielt die Stadt von Stephan III. (1337 – 1413) und seinem Bruder Johann II. (1341 – 1397) im Jahre 1376 freie Durchfahrt bis zur Saline in Reichenhall.[24] Herzog Stephan hob mit seiner am 21. September 1383 [25] ausgestellten Urkunde ein weiteres Mal Landsbergs geopolitische Lage hervor. Die Stadt bekam dadurch, dass sy [= Landsberg] an dem gemerkt gelegen sind das Salzniederlagsrecht zurück. Gleichzeitig verfügte Stephan, dass alle gest Salz da heben süllen und nicht fürbas. [26] Stephan III. erhoffte sich durch die steigenden Einnahmen für die Stadt die Loyalität der Bürger und vermehrte gleichzeitig seine eigenen Einnahmen. Dass diese Rechte bis zum ausgehenden Mittelalter Bestand hatten, ist in der Urkunde Albrechts IV. aus dem Jahre 1507 abzulesen. Hier werden die Rechte der Jahre 1364, 1376 und 1383 bestätigt.[27]