Bayern schickte Außenminister Rechberg selbst nach Karlsbad, da er am
geeignetsten schien, Angriffe auf die bayerische Souveränität abzuwehren.[29]
Die vom 6. bis 31. August 1819
stattfindende Konferenz beschloß Maßnahmen gegen die Presse und die
Universitäten, eine Zentraluntersuchungskommission gegen an ‚revolutionären
Umtrieben’ beteiligte Personen sowie eine provisorische Exekutionsordnung.
Außerdem thematisierte man die Interpretation des Artikels 13 der Bundesakte,
die Rechtsstellung der Mediatisierten sowie die Handels- und Zollfreiheit,
zumal eine Regelung dieser in der Bundesakte offengelassenen Fragen noch
ausstand.[30] Die gegen die Presse und die Universitäten geplanten Schläge
akzeptierte Bayern vorbehaltlos, da Rechberg sie zuvor angeregt hatte.[31]
Schwieriger gestalteten sich die Verhandlungspunkte, welche Bayern in der
Vergangenheit bereits zu verhindern wußte.
Obwohl die Debatten über die Interpretation des
Artikels 13 der Bundesakte nicht in Bundesbeschlüsse mündeten, kann man sie
zurecht als den Knackpunkt, „‚de[n] wahre[n] politische[n] Kern der
Konferenzen’“ bezeichnen.[32] In einer Denkschrift über den Unterschied
zwischen altständischen Verfassungen und Repräsentativverfassungen
argumentierte Gentz, die Väter der Bundesakte hätten bei der Abfassung des
Artikels 13 an keine ständische Verfassung im Sinne einer Volksvertretung
gedacht.[33] Obwohl Rechberg ermächtigt gewesen wäre, einer Interpretation im
Sinne einer Provinzial- bzw. altständischen Verfassung zuzustimmen, erkannte er
hierin eine Gefahr für die Integrität des Königreichs, zumal eine Abänderung
der bayerischen Verfassung nicht ohne Ansehensverlust des Königs möglich
gewesen wäre. Da ein formeller Bundesbeschlusses erst für die Wiener
Ministerialkonferenzen vorgesehen war, wurde nur eine Präsidialproposition
verabschiedet, welche die in Artikel 13 der Bundesakte bezeichneten landständischen
Verfassungen mit rein demokratischen Grundsätzen und Formen für unvereinbar und
die Aufrechterhaltung des monarchischen Prinzips zur Maxime für zukünftige
Interpretationen erklärte.[34]
Die wegen der ‚in Ansehung der Umtriebe der Parteien’ zu ergreifenden Untersuchungsmaßnahmen nahmen einen breiteren Raum bei den Verhandlungen ein. Bereits zu Beginn der Konferenz verständigte man sich auf eine beim Bund einzurichtende Untersuchungsbehörde, war sich aber über deren judikative Befugnisse oder die Errichtung eines hierfür zuständigen außerordentlichen Bundesgerichtes nicht einig. Vor allem Rechberg lehnte dies ab, da nach der bayerischen Verfassung kein Untertan seinem rechtmäßigen Richter entzogen werden durfte.[35] Nach längeren Verhandlungen einigte die Konferenz sich schließlich darauf, eine aus Vertretern der größten Einzelstaaten bestehende Zentraluntersuchungskommission einzusetzen, wobei die Bundesversammlung zu einem späteren Zeitpunkt über die Errichtung eines Bundesgerichts beschließen sollte.[36]
Um die vereinbarten Maßnahmen gegenüber den
Einzelstaaten durchsetzen zu können, beriet man auch über eine provisorische
Exekutionsordnung. Der erste Entwurf sah, um Bundesbeschlüsse zu erzwingen,
Eingriffe in die Landesgesetzgebung vor und wäre auf alle Bundesbeschlüsse
anwendbar gewesen.[37] Weder bereit noch ermächtigt, solchen
Souveränitätseinbußen zuzustimmen, versuchte Rechberg Einschränkungen bei den
Eingriffen in die Landesgesetzgebung und eine Beschränkung auf die in Karlsbad
beratenen Ausnahmegesetze zu erwirken. Obwohl er eine Abschwächung der
Auswirkungen auf die Landesgesetzgebung erreichte, mußte er der Geltung der
Exekutionsordnung für faktisch alle Bundesbeschlüsse zustimmen.[38]