Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
  Aus dem Archiv (Ausgabe 03 - Wintersemester 06/07)
 

Hofmann, Andreas C.

 
 

„Schwere Gewitterwolken am politischen Horizont“. Eine Einordnung der Karlsbader Beschlüsse in die bayerische Außenpolitik von 1815 bis 1820[*]

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Einleitung

Bereits nach Abschluß der ersten bayerischen Ständeversammlung im Frühjahr 1819 erblickte der damalige bayerische Finanzminister Maximilian v. Lerchenfeld in den Vorbereitungen zu den Karlsbader Ministerialkonferenzen „schwere Gewitterwolken am politischen Horizont, die die verfassungsmäßige Entwicklung des Landes mit der ernstesten Gefahr bedrohten.“[1] Wie aber – um bei dieser Metapher zu bleiben – entstanden diese Gewitterwolken? Was waren ihre Auswirkungen?

Hierbei ist zu beachten, die bayerische Außenpolitik dieser Zeit im Zusammenhang mit der Verfassungsentwicklung des Deutschen Bundes zu sehen.[2] Nach einer dem Kriterium des Souveränitätserhalts folgenden Skizze der bayerischen Außenpolitik von 1815 bis 1820 werden Vorgeschichte, Verhandlungen und Nachwirkungen der Karlsbader Beschlüsse beleuchtet. Dabei stehen Dimension der Karlsbader Beschlüsse für die bayerische Außenpolitik und ihre Rückwirkungen auf die Innenpolitik des Königreichs im Vordergrund.

Es wird zu ergründen sein, wie die außenpolitischen Erfahrungen der vorhergehenden Jahre die bayerische Politik in Karlsbad bestimmten, und wie Bayerns Rolle bei den Karlsbader Beschlüssen wiederum die Außenpolitik der Folgezeit beeinflußte. Ein Ausblick auf die Wiener Ministerialkonferenzen 1819/20 leitet zu dem abschließenden Versuch über, die Karlsbader Beschlüsse in die bayerische Außenpolitik der Jahre 1815 bis 1820 einzuordnen. Dieser Beitrag beleuchtet exemplarisch die Versuche der Mittelstaaten, ihren Platz zwischen den „drei staatlichen Spannungspolen“ der „Doppelhegemonie Österreichs und Preußens sowie de[s] sogenannten ‚Dritten Deutschland[s]’ zu finden“.[3]

 

  Obwohl nur die ältere Forschung eigene Beiträge zu Bayern und den Karlsbader Beschlüssen enthält[4] – neuere Titel behandeln das Thema meist in anderen oder umfassenderen Zusammenhängen – ist die vorhandene Literatur trotzdem ertragreich. Eberhard Büssem nimmt in seiner noch immer einschlägigen Dissertation zu den Karlsbader Beschlüssen auch die bayerische Perspektive in den Blick. Karl-Otmar v. Aretin behandelt die Karlsbader Beschlüsse ausführlich als einen Teil der deutschen Politik Bayerns der Jahre 1814 bis 1820. Wilhelm Mößle untersucht die Debatten auf den Karlsbader und Wiener Konferenzen über die ‚landständischen Verfassungen’.[5] Im weiteren gehen biographische Werke zu führenden Politikern dieser Zeit (v.a. zu Aloys v. Rechberg, Georg Friedrich v. Zentner und Karl Philipp v. Wrede) auf deren Rolle bei den Karlsbader Beschlüssen ein.[6] Weitere Abhandlungen untersuchen die bayerische Außenpolitik in den Jahren nach dem Wiener Kongreß in einem größeren Zusammenhang wie einer Geschichte der bayerischen Souveränitätspolitik.[7]  

  Eine unerläßliche Quellengrundlage für die bayerische Außenpolitik im Vormärz bilden die von Anton Chroust herausgegebenen Gesandtschaftsberichte sowie Ernst Rudolf Hubers Dokumente zur Verfassungsgeschichte. Detaillierte – wenn auch nicht unzensierte – Einblicke in die Karlsbader Verhandlungen bieten die bei Johann Ludwig Klüber und Karl Theodor Welcker edierten Protokolle.[8] Persönliche Ansichten geben die nachgelassenen Papiere des österreichischen Staatskanzlers Metternich, die eingangs zitierten Papiere des bayerischen Finanzministers Maximilian v. Lerchenfeld sowie die Briefwechsel und Tagebücher Friedrich v. Gentz wieder. [9]  

Fussnote(n):
[*] Außenpolitik bezeichnet im Folgenden v.a. die Beziehungen der deutschen Staaten untereinander sowie die sich hieraus ergebende gemeinsame Bundespolitik.
[1] Max v. Lerchenfeld (Hrsg.): Aus den Papieren des k. b. Staatsministers Maximilian Freiherrn von Lerchenfeld. Nördlingen 1887, S. 135 [Darstellungsteil].
[2] Zur Verfassungsentwicklung des Deutschen Bundes vgl. Ernst Rudolf Huber: Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 1: Reform und Restauration 1798-1830. 2., verbess. Aufl. Stuttgart 1960, ND Stuttgart u.a. 1975 [mittlerweile ND 1991], insbes. Abschn. C.
[3] Wolfram Siemann: Vom Staatenbund zum Nationalstaat. Deutschland 1806-1871 (=Neue Deutsche Geschichte Bd. 7). München 1995, S. 322.
[4] Beispielsweise Max v. Lerchenfeld: Die Bairische Verfassung und die Karlsbader Beschlüsse. Nördlingen 1883; als Reaktion hierauf Heinrich v. Treitschke: Baiern und die Karlsbader Beschlüsse, in: Preußische Jahrbücher 52 (1883), S. 373-382.
[5] Eberhard Büssem: Die Karlsbader Beschlüsse. Die endgültige Stabilisierung der restaurativen Politik im Deutschen Bund nach dem Wiener Kongreß von 1814/15. Hildesheim 1974; Karl-Otmar v. Aretin: Die deutsche Politik Bayerns in der Zeit der staatlichen Entwicklung des Deutschen Bundes 1814-1820. Phil. Diss. [masch.] München [ 1954 ]; Wilhelm Mößle: Restauration und Repräsentativverfassung. Die Verteidigung der Repräsentativverfassung auf den Ministerkonferenzen von Karlsbad und Wien, in: Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte 56 (1993), S. 63-109.
[6] Lieselotte Klemmer: Aloys von Rechberg als Bayerischer Politiker (1766-1849) (=Miscellanea Bavarica Monacensia Bd. 60). München 1975; Alexander Winter: Karl Philipp Fürst von Wrede als Berater des Königs Max Joseph und des Kronprinzen Ludwig von Bayern (1813-1825) (=Miscellanea Bavarica Monacensia Bd. 7). München 1968; ferner am Rande bei Franz Dobmann: Georg Friedrich von Zentner als bayerischer Staatsmann in den Jahren 1799-1821 (=Münchener Historische Studien: Abt. Bayerische Geschichte Bd. 6). Kallmünz in der Oberpfalz 1962; Adalbert v. Bayern: Max I. Joseph v. Bayern. Pfalzgraf, Kurfürst und König. München 1957; Heinz Gollwitzer: Ludwig I. von Bayern. Königtum im Vormärz. München 21987, ND 1997.
[7] Wolfgang Quint: Souveränitätsbegriff und Souveränitätspolitik in Bayern. Von der Mitte des 17. bis zur ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (=Schriften zur Verfassungsgeschichte Bd. 15). Berlin 1971; vgl. ferner Michael Doeberl: Entwicklungsgeschichte Bayerns, Bd. 2: Vom Westfälischen Frieden bis zum Tode Maximilians I. 3., erw. Aufl. München 1928; Heinrich v. Treitschke: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert, Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig 1927.
[8] Anton Chroust: Gesandtschaftsberichte aus München 1814-1848 (=Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte Bde. 18-19, 21-24, 33, 36-38, 39-43). 3 Abt.en (Abt. I: Französische Gesandtschaftsberichte; Abt. II: Österreichische Gesandtschaftsberichte; Abt. III: Preußische Gesandtschaftsberichte) in insges. 15 Bden. München 1935-51; Ernst Rudolf Huber: Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1: Deutsche Verfassungsdokumente 1803-1850. 3., neubearb. u. verm. Aufl. Stuttgart u.a. 1978, insbes. Nr. 30-34, 37f.; Johann Ludwig Klüber / Karl Theodor Welcker (Bearb.): Wichtige Urkunden für den Rechtszustand der deutschen Nation. 2., unveränd. Aufl. Mannheim 1845 [ 11844 ].
[9] Richard v. Metternich-Winneburg (Hrsg.): Aus Metternichs nachgelassenen Papieren. 8 Bde. Wien 1880-1884. Für eine Kritik zur Auswahl der edierten Schriftstücke vgl. Büssem: Beschlüsse, S. 2. Friedrich Carl Wittichen / Ernst Salzer (Hrsg.): Briefe von und an Friedrich von Gentz, Bd. 3: Schriftwechsel mit Metternich. Erster Teil: 1803-1819. München u.a. 1913, ND Hildesheim u.a. 2002 u.d.T.: Friedrich v. Gentz: Gesammelte Schriften Bd. XI.3; Friedrich v. Gentz: Tagebücher Bd. 2. Leipzig 1873, ND Hildesheim u.a. 2004 u.d.T.: Friedrich v. Gentz: Gesammelte Schriften Bd. XII.2.

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