Ausgabe 04
Wintersemester 07/08
 
Die Historische Internetzeitschrift Von Studierenden für Studierende
 
  Aus dem Archiv (Ausgabe 02 - Sommersemester 06)
 

Hofmann, Andreas C.

 
 

Studium, Universität und Staat in Bayern 1825 bis 1848.Eine Skizze der Universitätspolitik Ludwigs I.[*]

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1. Das Universitätswesen in Bayern unter Max. I. Joseph von 1799 bis 1825

 
  Eine Reihe "gleichschaltende[r] Hochschulreformen"[7] in den Jahren 1799, 1804 und 1814 beseitigte die Reste korporativer Selbständigkeit der Universitäten und verleibte sie dem aufgeklärten Staatsmechanismus ein. Die Wahl von Rektor und Senatoren bedurfte nun der Bestätigung des Landesherrn, die Professoren wurden zu Staatsdienern im Rang von Kollegialräten degradiert und die traditionellen Universitätssiegel mußten dem bayerischen Staatswappen weichen.[8] Als Sonderweg in der deutschen Universitätsentwicklung hielt sich in jesuitischer Tradition außerdem die strikte Trennung in das Studium der allgemeinen Wissenschaften - das philosophische Vorstudium - und das der besonderen Wissenschaften - der Fachstudien.[9] Die Aufhebung der traditionellen Fakultäten zu Gunsten der Gliederung der Universität Landshut in zwei entsprechende Klassen, die jeweils aus Sektionen bestanden, brachte den staatlichen Zuspruch für diese Unterteilung am deutlichsten zum Ausdruck.
 
Unter Rektor Anton Mittermaier (1816-1819) erreichte die Ludwig-Maximilians-Universität zwar die Wiederherstellung der alten - wenn auch nicht so genannten - philosophischen Fakultät,[10] Kollegienzwang (Beleg- und Testatpflicht für Lehrveranstaltungen) und Semestralprüfungen (Semesterabschlußprüfungen) lasteten aber weiterhin auf dem Studium der allgemeinen Wissenschaften, das zudem durch die Möglichkeit, es an Lyzeen (vormals kirchliche Schulen zur Priesterausbildung) abzuleisten, an Bedeutung eingebußt hatte.[11] Die Karlsbader Beschlüsse schränkten 1819 die Autonomie der Universitäten durch die Einsetzung landesherrlicher Bevollmächtigter erneut ein. Deren Aufgabe war es, "über die strengste Vollziehung der bestehenden Gesetze und Disziplinarvorschriften" durch Kontrolle von Studierenden und akademischen Lehrern gleichermaßen zu wachen.[12] Dies rief den entschiedenen Protest der Universitäten hervor, die von dieser Einrichtung Eingriffe in ihre Autonomie befürchteten.[13] Die Studenten mußten davon ausgehen, daß dieses Amt, das als ausdrücklichen Auftrag den Kampf gegen ihre politische Betätigung hatte, ihre sämtlichen Lebensbereiche überwachen würde.
 

 

2. Die liberale Phase Ludwigs I. 1825 bis 1832

 
 

Mit Ludwig I. bestieg Ende 1825 ein Herrscher den Thron, der bereits während seiner Kronprinzenzeit bewiesen hatte, daß es "an der bayerischen Staatsspitze damals keine konstitutionsfreundlichere Persönlichkeit" gab.[14] Darüber hinaus fühlte er sich seit jeher der Landshuter Romantik verbunden, die eine Restauration der alten Universitätsrechte verfocht. Es verwundert nicht, daß Ludwig I. nun begann, sein universitätspolitisches Programm in die Tat umzusetzen. Ein erster Schritt bestand in den Jahren 1825 bis 1828 darin, die Funktionen der landesherrlichen Bevollmächtigten - in Bayern firmierten sie als außerordentliche Ministerialkommissäre - an den drei Landesuniversitäten nebenamtlich auf die Regierungspräsidenten zu übertragen, um die Auswirkungen dieses Amtes auf die Universitäten zu schwächen.[15]

Ein weiteres Zeichen einer veränderten Gesinnung des Königs gegenüber den Universitäten war die Übersiedlung der Ludwig-Maximilians-Universität von Landshut nach München. Max I. Joseph hatte derartige Pläne während seiner Regierungszeit verworfen, da er in der Anwesenheit der Studenten in der Haupt- und Residenzstadt einen potentiellen Unruhefaktor sah. Dieses Mißtrauen schien nun geschwunden, zumal Ludwig I. "seine liberale Ära sehr studentenfreundlich begann."[16] Nachdem er die Entscheidung zur Translokation am 15. April 1826 getroffen hatte, wurde die Universität am 12. November 1826 feierlich eröffnet.[17]

 

Fussnote(n):
[7] Laetitia Boehm: Das akademische Bildungswesen in seiner organisatorischen Entwicklung (1800-1920), in: Max Spindler (Hrsg.): Handbuch der bayerischen Geschichte, Bd. 4: Das neue Bayern 1800-1970. Teilbd. 2. München 1975, verbess. ND 1979, S. 991-1033, hier S. 997.
[8] Churfürstliche Entschließung, die Organisation der Universität zu Landshut betr., 26.1.1804, in: Döllinger: Sammlung Bd. 9, § 87; Akademische Gesetze für die Studierenden an der k. b. Ludwig-Maximilians Universität zu Landshut. Landshut 1814; vgl. ferner Franz Dobmann: Georg Friedrich von Zentner als bayerischer Staatsmann in den Jahren 1799-1821 (=Münchener Historische Studien: Abt. Bayerische Geschichte Bd. 6). Kallmünz i. d. Oberpfalz 1962, S. 82-84.
[9] Rudolf W. Keck: Geschichte der Universitäten und Hochschulen (von den Anfängen bis 1900), in: Handbuch der Geschichte des bayerischen Bildungswesens, Bd. 4.2: Geschichte der Universitäten, der Hochschulen, der vorschulischen Einrichtungen und der Erwachsenenbildung in Bayern, hrsg. v. Max Liedtke. Bad Heilbronn in Oberbayern 1997, S. 637-678, hier S. 647-652.
[10] Huber: Ludwig I., S. 2.
[11] Alfons Beckenbauer: Die Ludwig-Maximilians-Universität in ihrer Landshuter Epoche. München 1992, S. 62-74, 177-184; Dickerhof-Fröhlich: Studium, S. 10f.; Boehm: Bildungswesen, S. 1001-1003; Carl v. Prantl: Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universität in Ingolstadt, Landshut, München, Bd. 1. München 1872, ND Aalen 1968, S. 702f., 706f.
[12] Provisorischer Bundesbeschluß über die in Ansehung der Universitäten zu ergreifenden Maßnahmen, 20.9.1819, in: Ernst Rudolf Huber (Hrsg.): Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1: Deutsche Verfassungsdokumente 1803-1850. 3., neubearb. u. verm. Aufl. Stuttgart u.a. 1978, Nr. 32, S. 101. - Zu den Karlsbader Beschlüssen ausführl. Eberhard Büssem: Die Karlsbader Beschlüsse. Die endgültige Stabilisierung der restaurativen Politik im Deutschen Bund nach dem Wiener Kongreß von 1814/15. Hildesheim 1974.
[13] Vgl. exemplarisch den scharfen Protest des "in tiefgefühlte, gerechte Trauer versetzt[en]" Senats der Uni-versität Erlangen an Max I. Joseph, 20.11.1819, in: Theodor Kolde: Die Universität Erlangen unter dem Hause Wittelsbach 1810-1910. Erlangen u.a. 1910, ND 1991, S. 249-252.
[14] Gollwitzer: Ludwig I., S. 217.
[15] Für München vgl. die entsprechenden Instruktionen des Innenministers Friedrich v. Thürheim an den Generalkommissär und Präsidenten der Regierung des Isarkreises Gabriel v. Widder, 11.11.1825 (Abschr.), UAM [=Universitätsarchiv München], C I 4; für Erlangen vgl. Kolde: Universität, S. 296; für Würzburg vgl. Werner Engelhorn: Die Universität Würzburg 1803-1848. Ein Beitrag zur Verfassungs- und Institutionengeschichte (=Quellen und Beiträge zur Geschichte der Universität Würzburg Bd. 7). Neustadt a. d. Aisch 1987, S. 263.
[16] Gollwitzer: Ludwig I., S. 553.
[17] Signat vom 15.4.1826, in: Spindler / Kraus: Signate Bd. 1, S. 53, Nr. 47. - Zu Translokation und Eröffnung der Universität ausführl. Michael Doeberl: Ludwig I. der zweite Gründer der Ludwig-Maximilians-Universität. München 1926; Huber: Ludwig I., S. 18-26, 43-46; Harald Dickerhof: Aufbruch in München, in: Laetitia Boehm / Johannes Spörl (Hrsg.): Ludwig-Maximilians-Universität: Ingolstadt, Landshut, München. 1472-1972. Berlin 1972, S. 215-250, insbes. S. 215-222; Michael Doeberl: Entwicklungsgeschichte Bayerns, Bd. 3. München 1931, S. 25-30; ferner die Rektoratsrede von Karl Theodor Heigel: Die Verlegung der Ludwigs-Maximilians-Universität nach München. München 1897.

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